DEer, er stützte sich mit den Zünden auf den Stuhlsitz und sein braunes, vom schwarzen Bart umrahmtes Gesicht er» schien blaß. Weißt Du, was Christus vom Samenkorn gesagt hat? Wenn Du nicht stirbst wirst Du in der neuen Aehre nicht auferstehen,.. Der Mensch ist ein Samenkorn der Wahr- hcit, ja... Ich hab's bis zum Tode noch weit. Ich bin schlau!" Er räkelte sich auf dem Stuhl und stand langsam auf. Ich gehe in die Wirtschaft zu den Leuten... Wes- halb kommt der Kleinrusse nicht... Ist er schon wieder bei der Arbeit?" Ja!" sagte die Mutter lächelnd.Sie sind ja alle so kaum hat man sie aus dem Gefängnis freigelassen, so gehen sie sofort wieder ans Werk." So muß es sein. Erzähl' ihm von mir..." Sie gingen langsam Schulter an Schulter in die Küche und wechselten, ohne sich anzusehen, kurze Worte. Ich werd' ihm erzählen," versprach sie. .,9tun, leb' Wohl!" Leb' wohl... Wann kündigst Tu?* Hab' schon gekündigt." Und wann gehst Du fort?" Morgen. Morgen früh. Leb' wohl!" Er bückte sich und schob ungeschickt und.unwillig in den Flur. Die Mutter stand einen Augenblick vor der Tür und lauschte unsicher auf die sich entfernenden schweren Schritte. Daun wandte sie sich still um, trat ins Zimmer, hob den Vor- hang auf und blickte durchs Fenster. Vor dem Fenster stand unbeweglich eine schwarze Finsternis, die ihren abgrundtiefen Rachen aufriß und auf etwas lauerte. Ich lebe nachts I" dachte sie.Immer nachts!., (Fortsetzung folgt.) GroKstaclt-iHrclriteKtiir. Im Frühjahr 1907 setzte in Berlin die Bautätigkeit nicht ein mit jener Frische, jener Hast, jener Kraft und jenem Umfang, die den vorhergehenden Bauperiodcn eigen gewesen war. In den Bezirken, wo freies Feld und Häusermeer aneinanderprallen, herrscht eine Ruhe, die tiefere Ursachen hat, als den Streik, der gegenwärtig das Baugewerbe zur Tatenlosigkeit verdammt. Wo in den letzten Jahren die Häuserflutcn in machtvollem Ansturm den Feldern und Acckern in wenigen Monaten gewaltige Gebiete entrissen, sind heute nur wenige Gerüste aufgeschossen, seltener stößt man an die Bretterzäune, hinter denen die neuen Stein- kolosse so rasch heranreifen. Der Augenblick der Ruhe ist ge- eignet, einige Betrachtungen anzustellen über das Wesen der mo- deinen Häuserarchiteltur. Für die Allgemeinheit steht da die äußere Formengestaltung im Vordergrund. Mit der Außenwelt tritt die Gestaltung der Jnnenräume nur indirekt in Berührung; die Frage aber, welche Wege die Architektur einschlägt, um ein in sich harmonisches Straßcnbild zu schaffen, wird im wesentlichen der in Fassadenkonstruktion zu suchen bleiben. Hierauf beruhen die ästhetischen Forderungen an das moderne Etagenhaus. Und wie die modernen Bodenverhältnisse nun einmal liegen, um grob zu sprechen: das Ziel des Wohnhausbaues bleibt bis auf weiteres der Kasten mit repräsentativer Fassade. Das hat seine Ursachen in den Bodenverhältnissen; in dem ruhelosen Wachsen der Preise und in der Unabwendbarkeit, den Raum bis zum letzten Atom zu nutzen. Bei Anlage des Grund- risses schon ist von Bewegungsfreiheit nicht die Rede. Es bleibt außer dem Bereich der Möglichkeit, wie bei Villenanlagen den Grundriß zu gliedern und zu entwickeln. Ein möglichst räum- reicher Baukörper muß auf einen schmalen Bodenstreifen gezwängt werden; rechts, links, vorne, hinten sind die Anschlüsse von vorn- herein gegeben. Mit diesem unmittelbaren Sichanschmiegcn an die Nachbarkörper, in diesem unausweichlichen Sichverschmelzen- müssen mit den schon anschlußbegierigen Seitenmassen sinkt die räumliche Selbständigkeit des einzelnen Baukörpers zum Minimum und das Haus wird zum Teil einer größeren Gesamtheit, der zu dienen es' fortan berufen scheint. Diese Gesamtheit ist die Straßenfront und der Teil, in dem die einzelnen Baukörper in diesen ästhetischen Verband ein- treten, ist die Fassade. Daß unsere Baumeister diesem künst- lcrischcn Zusammenschluß sich oft noch entgegenstemmen, zugunsten einer vermeintlichen Selbständigkeit, die sie in Wahrheit nicht mehr besitzen, das bleibt einstweilen eines der schlimmsten Hemm- nisse für die Schaffung eines großzügigen, in sich einheitlichen Stadtbildes.... Die Gestaltung der Fassade bleibt somit der erste Maßstab, für den ästhetischen Allgemcinwert eines Hauses. Eine zwei- schneidige Aufgabe ist es, die ihrer harrt: es gilt, Hand in Hand znit den Nachbarfassaden die Harmonie des Straßenbildes zu schaffen, und eS gilt, zugleich die bedingte Selbständigkeit de» Einzelkörpers dadurch zu wahren, daß sie die konstruktiven Eigen. heiten eines Hauses auf eine Seite konzentriert, unzweideutig ausprägt. In der Erfassung dieser Aufgabe(gegenüber der Luft. lochkastcnarchitektur der vorigen Generation) liegt das Fort- schrittliche des neueren Wohnhausbaues. Zwar: die Einförmigkeit der äußeren Umstände gebiert eine unleugbare Einförmigkeit der Bauausführung. Die Versuche, das moderne Wohnhaus zu schaffen» haben sich bereits zu einem Schema verdichtet, das bis auf weiteres den Typus darstellt. Es ist die Fassade mit zwei parallel auf- strebenden mehrgeschossigen Erkerausbauten, die sich bei Straßen mit Vorgartenanlagen als Risaliten auf die Erde stützen. Diese Ausbauten, für die Gestaltung des Straßenbildcs von malerischem Reiz, quellen heraus aus der schmalen Fassade, gleichsam als Druckmesser für die dreiseitige EinPressung des Baukörpers. Das Unorganische dieser parallel aufstrebenden Erker wird durch lineare Bindemittel gedeckt: indem beide Teile durch Balkonanlagen ver. bundcn und so in eine gewisse Zusammengehörigkeit gesetzt werden. Die Verbindungsklammern liefern die Motivierung zu einer Reihe von reizvollen Linienkombinationen, die das Fassadenbild zwischen kapriziöser Unklarheit und einer fast pedantischen Anmut schwanken lassen. Doch abgesehen von den Formwerten, die enthalten bleiben in der Auflösung der ererbten monotonen Flachheit zu jener Be- wegung, die in jedem Vor und Zurück beschlossen liegt: diese mehrgeschossigen Ausbauten schaffen neue lineare Verhältnisse. Sie schaffen das, was einstweilen den straffesten Gegensatz bildet zu den in sich gesättigten, ruhevollen Haustypcn, wie sie noch Schinkels Jünger, im Anschluß an die Antike, geschaffen; sie schaffen im Gegensatz zu der ruhenden Horizontalität des alten Wohnhauses das Aufstrebende, Lichtsuchende, Ruhige, Unruhvolle, kurz: das Vertikale der neuen Bauweise. Die Betonung der Senkrechten bleibt das eindrucksstärkende Charakteristikum der neuen Bauweise. Die hat äußerlich wohl ihre Präludien gehabt in der Biedermeier-Linienlänge, sie hat ihre Vorklänge, verworren noch, in der Pseudobarockarchitektur der 70er und 80er Jahre; in jenem materialfremden Putzbautum, das, nicht unberührt vom Potsdamer Klassizismus, sich anschickte, der Wohnhausfapade zu Repräsentationszwecken die mehrere Geschosse zusammenraffende Halbsäule oder den großen Pilaster anzuheften. Allein sie hat zugleich ihre Ursachen in raumpsychologischen Ge- walten. Aehnlich der hervorquellenden Tendenz der Erkeraus- bauten schafft sie die logische Reaktion auf den von allen Seite.r auf den Baukörper eindringenden Druck: sie strebt nach oben, als der Richtung, in der die letzten Expansionsmöglichkeiten liegen. Mit der Aufnahme des Vieretagcnhauses zudem haben sich in der Fassade die Verhältnisse von Breite und Höhe zugunsten der letzteren verschoben; und es war eine formale Notwendigkeit, daß das Ueberwiegen der Höhe im Linearen ihren Widerhall fand: also in der Vertikale. Dabei aber tauchte ein neues Problem auf. Auf daß Harmonie komme, heischt jede Kraft eine Gegenkraft. Es entsteht die Auf- gäbe, die ruhebar empordrängende Tendenz der Lotrechten durch eine gleichwertige Gegenmacht zu binden und aufzulösen. Daß die Auflösung bisher nur durch Gewaltsamkeiten vorgetäuscht wird» das bleibt einstweilen ein Mangel der neuen Profanarchitektur. Man wurzelt nicht mehr im Gefühlsmhstizismus des Mittelalters und die Lösung, die dem Münstcrbau der Gotih entsprach, bleibt für den modernen Nutzbau unanwendbar. Es entspricht nicht dem Geiste unserer Zeit, die Vertikalen sonder Hemmnis, sonder Gegen- macht, sonder Fesselung in Türmen, Spitzgiebeln und Fialen frei ausklingen zu lassen. Die ins Schrankenlose fortstrebenden Kräfte der Senkrechten verlangen Bändigung, damit es zum Gleichgewicht aller formalen Kräfte komme. Die Versuche nach dieser Richtung haben noch keine einwand» freie Lösung gewinnen können. In den meisten Fällen hat man die Horizontale des Dachfirstes für ausreichend gehalten, das Dach hart und unvermittelt aufgestülpt und so einen Zusammenprall der Linien bewirkt, der zu einer brutalen und ungleichen Kraft- probe wird und fast immer mit dem Siege der Lotrechten endet. Selbst Messel hat in der Leipzigerstraßenfassade des Wcrtheim- baues einen Ausgleich nicht gefunden, so daß für das Gefühl die machtvoll aufstrebenden Senkrechten das Dach zu sprengen scheinen und durch dessen Trümmer herrcnfrei fortstreben ins Unendliche. In der Voßstraßenftont dagegen ward ein Kompromiß gefunden» der bereits für eine Reihe neuester Hausbauten adoptiert ist: die Verstärkung der Horizontalkraft des Daches durch eine Ver- doppclung der Motive. Bereits zwischen die vorletzten und letzten Geschosse ist eine Schieferschicht, breit und vorstrebend, eingelegt» die dem ersten scharfen Anprall der Senkrechten sich entgegen- stemmt und deren Wucht immerhin um soviel mildert, daß das abschließende Dach dem zweiten Angriff standhält. Damit ist die Parole gegeben, in einer gesteigerten Gliederung der Dachformcn das Gegengewicht zu suchen gegen die Vertikalität. Die Ausgestaltung der Dachformen und deren Einbeziehung in das Gesamtbild ist im Anschluß an die moderne Sympathie für den Biedermeiergeschmack wiedcrentdeckt worden. Sie ist ein Symptom für das gesunde Erstarken des Gefühls für das Organische. Denn was bis dahin an Fassadenkonstruktion geleistet ward, bekundet meist eine Ohnmacht, Maße, Linie und Material in ein logisches Verhältnis zu verknüpfen. Meist ward die Ver-