mit dem fflr unsere klimatischen Verhältnisse besten Wein, dem friihen Leipziger, bepflanzt. Die im dritten Jahre stehenden Reben haben bis jetzt schon über drei Meter lange Triebe entwickelt und versprechen im nächsten Jahre eine reiche Ernte; sie werden wöchent­lich mit Bast angeheftet und bei dieser Gelegenheit köpfe ich die sogenannten Geiztriebe, d. h. die in den Blattwinkeln erscheinenden Seitenzweige, über dem zweiten Blatte, was von großer Wichigkeit ist. Prietzke wird sich erst Trauben pflanzen, wenn er einmal auf eigenem Grund und Boden wirtschaftet, er hat so etwas in Aussicht und ich habe ihm bereits gestern Steckholz von meine» Reben ver- sprechen müssen. Hd. Kleines f eulUeton» Ein Kapitel menschlichen Aberglaubens erzählt Dr. Miehe in seinem in der heutigen Nummer besprochenen Buche:Bakterien und ihre Bedeutung im praktischen Leben". Er schreibt: Als Alexander der Große vor Tyrus lag, wurden seine Soldaten dadurch in großen Schrecken versetzt, daß sich im Brot Blutstropfen befanden. Sie beruhigten sich aber, als ein spitz- findiger Priester ihnen sagte, das Zeichen gälte denen in der Stadt, da das Blut im Inneren des Brotes sei. Im Mittelalter machten dann blutige Flecken, die auf den Hostien auftraten, auf die Gläubigen einen tiefen Eindruck, wie in vielen Chroniken be- richtet wird. Das tat und tut ja schließlich niemandem Schaden. Bedenklicher aber war es schon, als man vielerorten aus dem Blute der Hostien willkommenen Anlaß zu Judenmetzeleien zog. Man warf den Juden dann vor, sie hätten dieHostie gequält und gestochen" und ermordete sie zur Strafe. So klebt viel wirk- liches Blut an dieser blutroten, aber so harmlosen Bakterienart. Als bei Padua 1319 sich in dem Hause eines Bauern überall auf der Polenta und auf allen möglichen Nahrungsmitteln rote Flecken zeigten und sich dies Mirakel auch ausbreitete, geriet der Ort in große Aufregung. Der Priester sprach einen Segen über ihn und begünstigte die Ansicht, daß das Haus des Bauern wegen seiner Sünden bestraft werde. Als jedoch ein ruchloser Arzt die wunder- bare Blutmasse auch ins Pfarrhaus überimpfte, wird das wohl die Sachlage ein wenig geändert haben. 1821 versetzte der Bacillus prodigiosus eine Mühle bei Enkirch an der Mosel in Entsetzen, indem er sich hartnäckig auf den Nahrungsmitteln, be- sonders den Kartoffeln festsetzte. Das Dienstpersonal flüchtete. Die Regierung mußte sich mit der Angelegenheit befassen. Ehrenberg, der berühmte Mikroskopiker, hat das kleine Wesen genauer untersucht. Naturwissenschaftliches. Die Bakterien und ihre Bedeutung im prak- tischen Leben. Von Dr. H. Miehe. Wissenschaft und Bildung. Einzeldarstellungen aus allen Gebieten des Wissens. 12. Bd.(Quelle u. Meyer, Leipzig . 1 M., geb. 1,25 M.) Einen Versuch nennt der Verfasser seine Darstellung, einen Versuch, die wesentlichsten Tatsachen und Gedanken der Bakterien- lehre auf einen anschaulichen und verständlichen Ausdruck zu bringen. Dieser Versuch ist glänzend gelungen. Die Schwierigkeiten der populärwissenschaftlichen Darstellung sind an sich nicht gering. Betrifft sie aber gar ein so trockenes Thema wie die Bakteriologie, das den Fachleuten nur mit Hülfe von Mikroskop und Experiment nahe gebracht werden kann, so müssen wir die Kunst des Verfassers doppelt schätzen, der es verstanden hat, ohne jedes Hülfsmittel, bloß durch die Macht der Tatsachen, die er im Zusammenhange an- führt, den Leser zu fesseln. Und das gilt nicht nur für den, dem er eine neue Wissenschaft erschließt, sondern auch der, dem der Inhalt des Buches nichts oder wenig neues bietet, wird mit Ver- gnügen den Gedankengängen des Verfassers folgen. Vor anderen populären Werken hat es den Vorzug der leichten und flüssigen Darstellung ohne den unangenehmen Beigeschmack einer Bevor- mundung des Lesers. Es verliert sich nicht in rein Wissenschaft- liche Details, ohne doch irgend eine der Tatsachen, die fürs prak- tische« Leben Bedeutung haben, aus dem Auge zu verlieren. Mit besonderer Liebe ist die Tätigkeit der Bakterien überall da, wo sie für Landwirtschaft und Gewerbe Bedeutung gewinnen, geschildert. Der Vorgang der Käsereifung, der Einfluß der Edelstämme auf die Güte der Butter, die Wirkung der Salpcterbaktcricn und vieles andere wird gewürdigt. Die Beschreibung und Systematik der Bakterien nimmt keinen allzugroßen Raum ein; der Leser wird dem Verfasser dafür Dank wissen, umsomchr, da er durch den an- gehängten Literaturnachweis in der Lage ist. seine Kenntnisse durch Fachwerke zu ergänzen. Auch die bakteriologischen Methoden, d. h. die Wege zur Erkennung und Darstellung der Bakterien und ihrer Wirkung, sind nur kurz gestreift. Das scheint mir in der Frage des Tierversuches bedauerlich. Miehe fertigt die Gegner der Vivisektion kurz mit den Worten ab:Wem eine Herde Mäuse, Meerschweinchen, Rinder mehr am Herzen liegt, als der Jammer der kranken Menschheit, kann schon gar nicht mehr ernst genommen werden." Diese Worte verraten den Gelehrten, der gewohnt ist, an Zeitströmungen, die der Wissenschaft feindlich sind, mit Achselzucken vorbeizugehen. Doch den Volksausklärer hätte es der Mühe nicht verdrießen sollen, gerade hier an einleuchtenden Beispielen die ungeheure Bedeutung des Tierversuches für die Heilung von Einzelerkrankungen und noch mehr für die Abwehr von Volkskrankheiten ich denke hier z. B. an die Gefährdung durch stets auf neue eingeschleppte Pestfälle zu erläutern. Denn hier ist ein heiß umstrittener Boden; hier werden falsche Tatsachen und Meinungen von unberufener Seite mit sehr viel Selbst- bewußtsein unter die Massen geschleudert. Hier herrschen Schlag» Worte statt wissenschaftlicher Grundsätze. Und gerade hier hätte das Wort eines Gelehrten im Rahmen einer Populärwissenschaft- lichen Darstellung mächtige Geltung. Der Biologie(Lebensweise) der Bakterien ist ein langes Ka- pitel gewidmet. Die große Bedeutung dieser kleinsten Lebewesen als Krankheitserreger rechtfertigt die ausführliche Darstellung ihres Vorkommens und ihrer Wirkung im gesunden und im kranken Körper. Die nicht ganz leicht zu erfassenden Begriffe: Natürliche und künstliche Immunität, Schutzimpfung und Serumtherapie werden an wichtigen Beispielen erörtert. Das letzte Kapitel gibt einen Ueberblick über die Desinfektionsmethoden, d. i. die Be» kämpfung schädlicher Bakterien auf physikalischem und chemischem Wege. id.». Anthropologisches. Ein internationaler Anthropologen-Kongreß wurde in Köln im Anschluß an die Eröffnung des Kölnischen Anthropologischen Museums abgehalten. Das Museum, das von dem Kölner Anthropologischen Verein begründet wurde, ist an die Stadt übergeben worden. Es soll der Förderung der prähistorischen Wissenschaft dienen und sowohl Laien wie Forschern Anregungen bieten. AuS den Vorträgen, die auf dem Kongreß gehalten wurden, ist einiges von allgeineinerem Interesse. Prof. Kollmann aus Basel sprach über die Neandertal-Spy-Gruppe prähistori» scher Schädel. Er machte nach derKöln . Volksztg." darauf auf» merksam. daß, wenngleich der Neandertalschädel die lange Form habe, auch zu gleicher Zeit Menschen mit Rundköpfen gelebt haben; es seien in der Diluvialzeit, aus welcher die Funde des Neandertales und von Spy in Belgien stammen, mehrere Schädelformen vor« Händen gewesen. Die Ansicht, daß man in diesen Schädelformen mit fliehender Stirn, stark vorspringenden Augenhöhlenrändern, breitem Gesicht und kurzer Nasenwurzel Verwandtschaft mit der mongolischen oder australischen Rasse oder Ergebnisse der EntWickelung oder Kreuzungen bor sich habe, wird mehr und mehr verlassen. Professor Kollniann glaubt bestimmt, daß die Bewohner Europas eine besondere Entwickelungsbahn eingeschlagen hatten und von anderen deutlich unterschieden werden können. Europa war ein spezifisches Gebiet des Menschen zur Zeit des Diluviums, der dem heutigen Alluvium borhergehenden geologischen Periode. Bei dem ältesten Schädel, der 1883 in einer ungestörten Sandschicht der Themse - mündung gefunden worden ist, dem Galleyhillschädel, hat ein Ber» gleich mit anderen unzweifelhaft europäischen Schädeln gelehrt, daß er eine rezente(jüngere) Form ist, die in Europa noch vorkomme. Dieser Schädel ist mit seiner vollen Stirn wesentlich verschieden von den fliehenden Schädeln der Neandertal-Spy-Gruppe. Was sein Alter anbetrifft, so glaubt Prof. Kollmann, daß er d'em mittleren Diluvium angehört und dem Javanischen Affenmenschen nahestehe, aber mit diesen nicht direkt verwandt ist. In dem letzteren glaubte» viele einen Vorläufer der Menschen» raffen zu erkennen, in Wirklichkeit kann ein näherer Zusammenhang mit den Menschen der Jetztzeit nicht nachgewiesen werden; höchstens kann man von einer Konvergenz sprechen, wie sie unS auch bei verschiedenen, nicht miteinander verwandten Tieren entgegentritt. Eine direkte Verwandtschaft der jetzt lebenden Menschheit bestehe weder zwischen den heutigen Anthro» poiden(Menschenaffen) noch zwischen dem Bitbsoantroxug erectus(dem von Dubais in Java gefundenen Affenmenich). Professor Kollmann stellt die Hypothese auf, daß ei» Vorfahr des Schimpanse aus dem Tertiär als die Wurzel des McnschengescblechtS anzusehen sei. Dafür spreche der Schädelbau des Schimpanse» säuglings und die Anatomie des erwachsenen Tieres, verglichen mit der Anatomie des Menschen. Die Menschen dtzr ältesten Steinzeit Europas , die Paläolithiker, sind nicht untergegangen, sondern der Ausgangspunkt für die jüngeren Europäer geworden. Die Nach- kommen der Troglodyten(Höhlenbewohner) wandeln noch unter uns, wir selbst stammen von ihnen ab. Die Formen mit langem Sckiädcl und hoher, wohlgebildeter Stirn; diejenigen mit kurzem Schädel, deren Köpfe nicht minder begabt aussehen; die Menschen von hohem Wuchs; solche von mittlerer Größe und andere, von kleiner Statur; jene mit langem, wie jene mit breitem Gesicht: sie waren schon im Diluvium vorhanden, und sie alle sind als unsere Vorfahren zu be- trachten. Europa ist also der jetzigen Geschlechter uralte Heimat, und wir besitzen unsere körperlichen Eigenschaften als ein altes Erbe von den Menschen der europäischen Urzeit. Dr. med. L. Reinhardt(Basel ) referierte über die Prä» historische Chronologie vomMiocän bis zum Ende der Eiszeit. Vor äOOO Jahren herrschte in Mitteleuropa die neolithische Zeit. Der Uebergang in die mesolithische des Campignyien läßt sich etwa 12 099 Jahre zurückdatieren, ebenso ist die Zeit der Hirschjäger des Asylien zur Zeit des Gschnitzstadiums von Penck auf 17 990 Jahre hinter der Gegenwart veranschlagt worden. Der Rcnntierjäger des Bühlstadiums lebte vor rund 2999 Jahren. Damit gelangen wir in die frühe Nacheiszeit. Der Neandertaler am Schlüsse der vorletzten Zwischeneiszeit läßt sich nach der in der Mittelschweiz nachweisbaren Mächtigkeit der Erosion rund 3/4 Millionen Jahre zurück­datieren. Diese vorletzte Zwischenciszeit hat außerordentlich langem ein mehrfaches länger als alle übrigen Zwischeneiszeiten gedauert.