UnterhaltungMatt des HorwärtsNr. 165.Dienstag, den 13 August.t907(Nachdruck verboten.)81)Die JVIuttenRoman von Maxim Gorli. Deutsch von Adolf Hetz.Schwerer Schreck legte sich auf die Brust der Mutter.Sie hatte nicht verstanden, worüber gesprochen wurde, fühlteaber, daß neuer heftiger Kummer ihrer wartete. Und ihreGedanken machten bei der Frau Halt:„Was will er tun?"Machten bei ihr Halt und blieben wie ein Nagel im Ge-Hirn stecken.Pawel kam mit Andrej vont Hofe herein, und der Klein-russe sagte kopfschüttelnd:„Ach, dieser Jssai, was soll man mit ihm anfangen?"„Man müßte ihm raten, sein Treiben aufzugeben!" ant-worteie Pawel finster.„Pawel, was willst Du tun?" fragte die Mutter, denKopf senkend.„Wann? Jetzt?"„Am ersten... am ersten Mai..."„Aha!" rief Pawel gedämpft.„Ich trage unsere Fahne... schreite mit ihr an der Spitze des Zuges. Dafür wirdman mich wahrscheinlich wieder ins Gefängnis werfen."Die Augen der Mutter brannten, und sie spürte eineunangenehme Trockenheit im Munde. Er ergriff ihre Handund streichelte sie.„Ich muß das, verstehst Du! Darin liegt mein Glück!"„Ich sage ja nichts!" erwiderte sie, langsam den Kopferhebend. Und als ihre Augen seinem unverwandten glänzen-den Blick begegneten, beugte sie wieder den Hals.Er ließ ihre Hand fahren, seufzte und sagte vorwurfsvoll:„Du solltest nicht traurig sein, sondern Dich freuen...Wann wird es Mütter geben, die ihre Kinder sogar freudigin den Tod schicken."„Hopp, hopp!..." brummte der Kleinrusse.„Immerlangsam voran, immer langsam voran, daß die KrähwinklerLandwehr nachkonimen kann."„Ich sage ja nichts," wiederholte die Mutter.„Ich störeDich ja nicht... aber wenn Du mir leid tust, ist das voneiner Mutter doch zu verstehen..."Er trat fort, und sie hörte die scharfen, harten Worte:„Es gibt auch eine Liebe, die den Menschen am Lebenhindert..."Zitternd und voll Angst, er möchte noch etwas sagen, dassie abstieß, rief sie schnell:„Hör auf, Pawel Ich verstehe... Du kannst nichtanders... der Genossen wegen..."„Nein," sagte er.„Ich tue das meinetwegen..- Ichkönnte auch nicht gehen, aber ich will und werde gehen!"In der Tür stand Andrej wie in einem Rahmen.„Sie sollten doch mit dem Geschwätz aufhören, meinHerr!" sagte er mürrisch und richtete seine vorstehenden Augenauf Pawels Gesicht. Er glich einer Eidechse in einer Fels-spalte.Die Mutter war dem Weinen nahe. Damit ihr Sohnihre Tränen nicht sähe, murmelte sie plötzlich:„Ach Gott... habe ich ganz vergessen.»Und ging in den Flur. Dort steckte sie ihren Kopf in eineEcke und weinte still und lautlos. Durch die halbgeöffneteTür aber drang dumpfer Streit zu ihr.„Es macht Dir wohl Vergnügen, sie zu quälen?" fragteder Klcinrusse.„Du hast kein Recht, so zu reden!" rief Pawel.„Ich wäre ein netter Genosse, wenn ich zu Deinen Bocksprängen einfach schwiege!».» Warum hast Du das gesagt?Weißt Du das?"„Man muß in allem bestimmt sein: entweder ja odernein!"„Was sagst Du ihr?"„Allen! Ich will keine Liebe und Freundschaft, die sicheinem an die Füße hängt, einen aufhält..."„Held! Putz Dir die Nase! Putz sie und geh hin undsag das Sascha... Der solltest Du das sagen..."„Habe ich getan!"„So? Du lügst! Mit ihr hast Du freundlich und zärtlich aewrochen... Ich habe das nicht gehört, aber weiß es!Vor der Mutter aber zeigst Du Dein Heldentum... Nunlaß Dir gesagt sein, Ziegenbock— �Dein Heldentum ist keinenroten Heller wert!"Frau Wlassow wischte schnell die Tränen von ihrenWangen. Sie erschrak darüber, daß der Kleinrusse Pawelbeleidigen möchte, öffnete schnell die Tür, trat, am ganzenLewe zitternd, voll Kummer und Furcht in die Küche undsagte laut:„Uh... ist das kalt! Und das soll der Frühling sein..Sie bemühte sich, die gedämpften Stimmen im Zimmerzu übertönen, legte die verschiedensten Gegenstände in derKüche bald hier, bald dorthin und fuhr lauter fort:„Alles hat sich verändert... Die Menschen sind hitzigergeworden, das Wetter kälter... Früher war's um dieseZeit warm, der Himmel heiter, und die Sonne schien..Im Zimmer herrschte Schweigen. Sie blieb mitten inder Küche stehen und wartete.„Hast Du gehört?" ertönte die leise Frage des Klein-russen. Du mußt das begreifen... zum Teufel! Die da istviel reicher als Du..."„Wollt Ihr Tee trinken?" fragte sie mit zitternderStimme und rief dann, ohne eine Antwort abzuwarten:„Wie mich friert!"Pawel trat langsam zu ihr. Er blickte sie von unten aufschuldig läcknllnd an.„Verzeih mir, Mutter," sagte er leise.«Ich bin noch einJunge, ein Schafskopf..."„Rühr mich nicht an!" rief sie traurig und preßte seinenKopf gegen ihre Brust.„Sprich nicht... Gott sei mit DmDein Leben ist Dein Werk! Aber mein Herz laß in Ruhe!Wie könnte eine Mutter wohl kein Mitleid haben? Das istunmöglich!... Alle tun mir leid... alle sind mir ansHerz gewachsen. Wer hat denn außer mir Tränen für Euchübrig? Du gehst Deinen Weg, auf Dich folgen andere..,lassen alles im Stich, ziehen dahin... dahin, Pawel!"In ihrer Brust regte sich ein großer glühender Gedanke,der ihr Herz mit einem Gefühl weher Freude erfüllte. Abersie fand keine Worte und bewegte in ihrer stummen Qualnur die Hand und blickte in das Gesicht ihres Sohnes.„Gut. Mutter! verzeih... Ich sehe es ja ein!"murmelte er leise. Er senkte den Kopf, blickte sie flüchtiglächelnd an und setzte hinzu:„DaZ� werde ich nicht vergessen... auf mein Wort!"Sie schob ihn von sich, blickte ins Zimmer und nieintefreundlich bittend:„Andruscha. schreien Sie ihn doch nicht an.». Sie sindja der Aeltere und sollten ihm nicht.."Der Kleinrusse hielt ihr den Rücken zugewandt undbrüllte komisch und sonderbar:„Uh— uh— uh!... Gehörig werde ich ihn an-schreien!. �. Und hauen werde ich ihn!"Sie schritt langsam auf ihn zu, streckte die Hand ausund sagte:„Ach. Ihr lieber Mensch..."...Der Kleinrusse wandte sich ab, senkte den Kopf wie einStier und ging mit rückwärts verschränkten Händen an ihrvorüber in die Küche. Von dort her erklang spöttisch seinefinstere Stimme:„Geh weg, Pawel, daß ich Dir den Kopf nicht abbeiße!Ich mache Scherz, Mütterchen, glaub das nicht! Ich setze jetztden Samowar auf. Ja! Unsere Kohlen sind aber naß!Zum Teufel damit!...".„.Er verstummte... Als die Mutter ,n die Küche kam.saß er auf dem Fußboden und blies den Samowar an. Ohnesie anzublicken, begann er wieder:„Habt keine Angst, ich rühre ihn nicht an! Ich bin jagut und weich... wie eine gekochte Rübe und dann liebeich ihn. Du Held, brauchst das nicht zu hören—! Aberseine Weste, seinen äußeren Firnis liebe ich nicht.....Erhat sich da eine neue Weste angezogen, die ihm sehr gefallt,und nun zeigt er sie überall— streckt den Bauch heraus undstößt alle an—: Sehen Sie doch einmal meine wunderschöneWeste! Sie ist vielleicht sehr hübsch, aber warum damit an-stoßen? Ist so schow eng genug in der Welt."Pawel vemoa das Gesicht und fraate: