Die Mutter blickte in sein Gesicht sein eigenes Auge War starr auf die Mütze gerichtet, die zwischen den schlaff ausgebreiteten Beinen lag, der Mund war erstaunt halb ge- öffnet, sein rötlicher Bart ragte zur Seite. Sein magerer Körper mit dem spitzen Kopf und dem knochigen, finnen- besäten Gesicht war noch kleiner, vom Tode zusammengezogen. Die Mutter bekreuzigte sich und seufzte. Im Leben war er ihr widerwärtig gewesen, aber jetzt erweckte er stilles Mitleid in ihr. Kein Blut!" meinte jemand halblaut.Ist sicher mit der Faust erschlagen... Ein dickes Weib zupfte den Gendarm am Aermel und fragte: Vielleicht lebt er noch, ah?" Schccr Dich fortl" rief der Gendarm halblaut, und sie wich beiseite. Der Doktor war da... hat gesagt der ist geliefert!" antwortete jemand. Eine dürre, gehässige Stimme rief laut: »Jetzt ist dem Angeber das Maul gestopft... Das ist recht!" Der Gendarm fuhr herum, schob die ihn dicht um- ringenden Frauen zurück und fragte drohend: Wer hat da etwas zu bemerken?" Die Menschen zerstreuten sich unter seinen Püffen. Einige liefen schnell fort. Einer brach in'schadenfrohes Gelächter aus. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten.) DeutlcKe Im Alalä. Von Roda Roda . Das Bauerugehöst lag noch in tiefster Finsternis. Die Uhr drinnen im Zimmer schlug zwei Stunden nach Mitternacht . Um halb drei Uhr sollte die Kompagnie abmarschieren. Signal ge- blasen wurde natürlich nicht, man war ja in Feindesnähe. Es ging bloß der Korporal vom Dienst zuerst in den Viehstall, wo der zweite Zug einquartiert war, und rief:.Hört's, Burschen! Es is Tagwach' 1" Er mutzte nicht einmal sehr laut rufen. Die meisten waren ohnehin schon auf. Je müder der Mensch ist, desto weniger Schlaf hat er. Die im Viehstall glaubten sich also au§ dem Stroh zusammen, räkelten sich uud wischten die Montur so obenhin mit der Hand vom Stroh rein. In diesem Viehstall und immer auf demselben Stroh hatte heute schon zum achtenmal eine Einquartierung geschlafen jede Nacht eine andere so wie sich die Truppen nordwärts konzen- trierten. Davon war das Stroh so klein gebrochen und mürbe, datz es an der Montur haften blieb. Der Korporal vom Tag weckte in der Scheune noch den ersten und den dritten Zug. Uni den vierten brauchte er nicht zu sorgen, der kampierte im Garten und hatte sicherlich schon das Reißen in allen Gliedern von dem verdammten Nebel und Tau. Dann kletterte der Korporal die Leiter zum Boden hinauf. Dort schliefen die drei Herren Offiziere, dann oer Herr Dienstführcnde, der Herr Manipulierende, der Herr Kadettkorporal und und die Herren Offiziersdiener. Allerwärts schmuggeln sich ja die Diener in die Vorrechte ihrer Herren ein. Eine kleine Viertelstunde später war schon alles parat. Aber der Nebel der Nebel I Der Herr Hauptmann nahm die Meldungen ab und komman- dierte:Habt acht!" so ernst, wie er daS nicht mehr getan, seit sie die Garnison Essegg verlassen hatten. Da merkten alle, daß etwas Ungewöhnliches vorgehe. Burschen", sagte er,heut führ' ich die meisten von Euch zum erstenmal vor'n Feind. Nehmts Euch zusamm', machts es denen Kapitulanten nach, die was mit mir schon bei Magentu und Solferino gewesen sein. Zeigts denen Preußen, was Ihr tönnts. Das gilt auch für Sie, Herr Leutnant." Darüber errötete der Herr Leutnant. Kein Wunder wenn man als neuausgemusterter Neustädter mit den Rekruten in einem Atem genannt wttd. Der.altgediente" präterierte Kadett-Korporal biß sich auf die Lippen. Dann ging's aus dem kleinen Gehöft auf die Straße. In diesem Augenblicke hörte man ganz weit weit zwei Schüsse hallen. Der Herr Hauptmann fragte einen vom Adjutantenkorps, der vorbeiritt, und kriegte zur Antwort:»Ja es geht los-- wahrscheinlich bei Chlum." Sie marschierteil zwei Stunden und rasteten drei Stunden mit den Tornistern auf dem Rücken. Die Sonne stand ziemlich hoch wie ein silberner Teller am Himmel, aber immer noch Nebel überall. Wie unheimlich das war! Kanonengrollen auf allen Seiten, und keiner wußte woher und wohin. Dragoner. Artilleristen. Likaner. Jäger, Husaren, Ulanen, Infanterie, Generale, Sachsen , Ordon- nanzen, Adjutanten alles sah man grau anstauchcn, im Näher« kommen Farbe gewinnen und wieder verschwinden. Auf einmal hieß es:Habt acht! Schultert! Marschieren mir nach I Kompagnie marsch!" Drei geschlagene Stunden und in welchem Tempo! Um halb zwei Uhr ani Nachmittag kam ein Reiter und meldete irgend etwas. Der Herr Hauptmann sah sich um und rief:Korporal Enzinger mit zwei Mann I Suchen S' sich die Leut' selber aus. Zwei g'schickle ältere Leut'. Geh'n S' da in das Buschwerk hinein seh'n S' dorten die zwei kleinen Fichten? Dort geh'n S' hinein in das Buschwerk, rekognoszieren S' es gut durch und kommen S' mir melden." Korporal Eitzinger war ein syrmischer Schwab', aus Ruma ge- bürtig, und hatte zwei Landsleute in der Kompagnie. Die rief er sich ein wenig fantiliär heraus:.Geh' her do, hörst es, Pfirter, un Du a, Jakob." Dieser Jakob hieß mit dem Zunamen Pader. Der Herr Hauptmann hätte dein Enzinger jetzt gern was erzählt über solch lässige Art zu befehlen, überlegte sich's aber..Lassen wir's für heule. Wer weiß, ob wir..." Ehe noch der Gedanke gedacht war, dröhnten ganz nahe Kartätschenlagen. Man hörte es deutlich am Brausen, daß es Kar- tatschen waren. Und ein Gewehrfeuer, als würde ein Sack Erbsen auf ein Blech geschüttet. Korporal Enzinger also ging mit den zwei Gemeinen zuerst ein wenig zaghaft, das Geloehr angriffsbereit auf die Fichten los, deren Silhouette im Nebel ein prächtiges Dircktionsobjekt abgab. .Patzt's Obacht, Burschen," sagte er immerzu,.paßt's Obacht- indem daß ma' wenig siecht bein dem Nebel." Pader meinte:Herr Kapral, soll aner von uns z'erscht hin- schietz'n in Schikara! Is richtig a Preiß' dort'n, nachher" Is eh wahr," erwiderte Enzinger.Alsdann An! Feuer! schieß Du!" Pader schoß mit einigem Widerstreben.- Sie knieten alle drei in einer Rainfurche und starrten erwartungs- voll nach dem Busch. Aber dort rührte sich nichts. Natürlich: der Nebel trog, die Fichten standen eine Stunde weit, aber vor der Sonne. Geh'n m'r." Und sie gingen weiter. Als sie endlich bei den Fichten auf dem Bergkamm waren, da sahen die Spitzbuben erst, welch' großes Los sie mit dem Patrouillen- gang gezogen hatten. Da war keine Seele. Man hatte sie offenbar vom äußersten Flügel weggeschickt. .Alsdann jetzt z'ruck I" rief Enzinger, ging aber statt zurück vor. Die zwei anderen merkten's er vielleicht auch. Sie sagten aber einer dem andern nichts in ihrer heimlichen Freude. Es war ein Komplott der Seelen, durch kein Wort, nicht einmal durch einen Blick eingestanden. So gingen sie weiter immer weiter. Keine Spur von Sol- daten. Nicht Freund, noch Feind. Sie waren weit ab vom Schlacht- felde, dessen Kanonendonner schrecklich hinter ihnen herdröhnte. Als die Sonne zur Rüste ging, iah sie die drei Schwaben allein im tiefsten Waldfriedcn. .Gemeiner Pader und Gemeiner Pfirter", begann plötzlich der Korporal in dienstlichem Ton,.jetzt Ihr könnt's mir bezeugen: in- dem daß a so a Nebel war, hab'n m'r halt net z'ruckg'sunden. No is es so oder is et net so? Jakob, sag' auf Dein ehrliches Ge- wissen I Jetzt kannst Du dös ableugnen?". Gemeiner Jakob Pader blieb stehen und- sagte mit kristallner Ucberzeugung:.Wann mi der Herr Hauptmann stagt: Wo seid'S öS gesteckt? Jetzt lugen kann i uet, Herr Kapral. Alsdann kann i nur dös melden: Herr Hauptmann, sag' i, i meld' g'hursamst. mir hab'n rekomesziert, und wie mir z'ruck san mdem daß m'r nindersch net die Kommanie g'segen hab'n no ja--- no so san m'r immer weeder immer weider... No ja, lugen kann i do net?" .So is", bestättgte Pfirter.»Mir hab'n rekomesziert." Der Korporal ließ die Gewehre zusammensetzen. Dann legten sie sich in eine Mulde und schliefen wie tot ein. Die Tormster waren ihre Kiffen. Enzinger, Pfirter und Pader versäumten so die Schlacht bei Sadowa mit all ihrem schrecklichen Blutvergießen Enzinger. Pfirter und Pader verschliefen so den Rückzug über die Elbe . Und eS fielen in dieser Schlacht vierhundertfünfzig Offiziere und siebentausendzweihundertdreiundachtzig Mann. Pfirter erwachte am andern Morgen zuerst, denn er war der Gefräßigste und hatte den größten Hunger. Bald fuhren auch die anderen auf, und nun satzen sie da und ratschlagten, was zu tun sei. Daß zuvörderst menagiert werden sollte, das war allen dreien klar. Aber was? Kommißbrot 1 Sie hatten sonst nichts. Pader meinte, ob»tan sich nicht etwas schießen könnte. .Wie willst denn mit der Kugel?" wandte einer ein. Ma könnt' a Kugel mit'n Baganet aus Schrot zerhacken." Ehe sie Zeit hatten, darüber nachzudenken, erfaßte Enzinger mit jeder Faust emcn von ihnen eisenfest am Aerinel und blickte starr in eine Lichtu»"