veranlagte Münchener Zunftlollegen radeln sogar in die heiligen Hallen strebt eine ungeheure, festlich gestimmte, seidenraschelnde, parfümierte Menge dem so imponierend einfachen Bau zu, dessen in Patinagrün schimmernde Dächer einen seltsamen Farbenakkord mit dem stumpfen Graublau des Münchener   Augusthimmels bilden. Uniformierte Blechritter zu Pferde suchen mit tragikomischen Geberden. die sie routinierten Verkehrsordnern in den Straßen von Berlin  , Paris   oder Wien   schwerlich abgesehen haben, die Zufahrt zu regulieren. Vorwitzige, aus der Reihe fahrende Automobildroschken werden mit einer Flut echt bajuvarischer Schimpfworte überschüttet. Der Fußgänger muß die lange Läster- vllee kleinbürgerlicher Zaungäste passieren, die mit kritischem Be- Hägen, aber kaum größerer Sachkenntnis wie die biederen mittel- fränkischen Kleinstädter in der Bayreuther Zufahrtsallee zum GralS- tempel die Physiognomien und Garderoben der vorüberfahrenden Plutokraten mustern, um dann am Abend in den Brauhäusern und Sommerkellern bei Kalbshaxen und Augustinerbier ihre Eindrücke austauschen und daS phantafievolle Thema:München   als angehende Millionenstadt" zu variieren. Endlich schlägt es vier. Die letzten Fansaren fordern die Säumigen zu Eilschritten auf, denn wer zu spät kommt, darf nicht hinein, was besonders imRheingold" für den Be­troffeneu angenehm ist, denn da gibt eS ja gar keine Pause. DieZaungäste ziehen schloatzend ab. die Blechritter klirren in die Stadt zurück, die Droschkenkutscher überzählen schmunzelnd ihre Beute und gehen auf eine kühle Stehmaß in den nahe gelegenen Sterneckerkeller, wo sich in den Pausen auch die bescheideneren Festgäste zusammenfinden, die sich in dem vornehmen Theaterrestaurant, wo die elegante Welt bei Hühnern und Rotwein alle Wölsungennot vergißt, nicht von un- verschämten Kellnern prellen lassen wollen. Und während drinnen die ersten ätherischen Akkorde aus den»mystischen Abgrund" des versenkten Orchesters zur Decke schweben, wird draußen der sonnige Platz leer und öde wie in 11 Monaten deS Jahres. Am Montag. 12. August, hat die Kampagne begonnen. Zwanzig Aufführungen sind vorgesehen: dreimal der Ring-Zyklus. viermal »Tristan und Isolde  ", zweimalDie Meistersinger von Nürnberg  ", zweimal.Tannhäuser". Da Bayreuth   in diesem Sommer nicht spielt. rst der Andrang der 20 Mark-fähigen Wagnerfreunde in diesem Jahre besonders stark. Ein Blick auf daS weite Rund deseuropäischen Smphi-Theaters" läßt erkennen, wie sehr die Engländer und Amerikaner vor den Franzosen  , Nordländern, Italiener  » und Rüsten überwiegen. Die erste Tristan-Aufführung mit Frau W i t t i ch- Dresden als Isolde, Heinrich Knote   als Tristan, Frau Preuse-Matzenaur als Brangäne, dem ausgezeichneten Münchener Bassisten Bender als König Marke machte einen großzügigen und musikalisch-dramatisch stilreinen Eindruck. Stellen- weise wie im dritten Akt stand die Wiedergabe des tränenvollcn Liedes der todgeweihten Liebe auf der Höhe des Außerordentlichen. DaS Hoforchester unter der genialen Führung de? Hofoperndireklors tclix M o ttl, des besten Tristan-Dirigenten außer Richard trauß, verrichtete Wunder an Klangschönheit. Km Mittwoch be­ginnt der erste RingZyklus. Medizinisches. Soll ein Schwindsüchtiger die Wahrheit über seinen Zu st and wissen? Die Aerzte verhalten sich in der Frage, ob sie einen Kranken über seinen Zustand aufklären sollen oder nicht, recht verschieden, und zwar teils auf Grund einer in allen Fällen vertretenen Ucbcrzeugung teils je nach Rücksicht auf den Charakter des Kranken. Manche Aerzte bleiben stets vcr- schlössen und wahren ihre Würde und sprechen mit dem Patienten über die Natur seiner Krankheit überhaupt nicht; andere meinen mehr Beruhigung ausüben und mehr Vertrauen erwecken zu können. wenn sie sich eingehend über das Wesen des betreffenden Leidens verbreiten. Als starrer Grundsatz ist keins von beiden richtig, denn was nach dieser Richtung hin dem einen Kranken zuträglich sein wird, mag die Stimmung eines anderen recht ungünstig be- cinflusscn. Außerdem aber wird es noch sehr von der Art der Erkrankung abhängen, ob die Aufklärung erwünscht ist oder nicht. Die Lungenschwindsucht nimmt dabei eine gewisse Sonderstellung ein, indem die daran Leidenden verhältnismäßig selten von sich aus ein Bewußtsein ihres eigentlichen Zustandes haben. Vielleicht hat sich gerade deshalb ihnen gegenüber eine große Rücksichtnahme auch seitens der Aerzte herausgebildet, die auf ihre Zweckmäßigkeit einmal genau erörtert zu werden verdient. Einem Schwind- süchtigen absichtlich die Wahrheit über sein Leiden vorzuenthalten, schließt eine Gefahr in sich, die gewiß nicht gering veranschlagt werden darf. Wenn der Kranke über die Natur seines Leidens dann doch ins Klare kommt, so verliert er leicht das Vertrauen zu seinen Aerzten und verfällt in die Annahme, daß diese ent- weder selbst nicht Bescheid wissen oder ihn absichtlich zu täuschen suchen. Die Wahrheit kann niederschlagend wirken, und das wird sogar die Regel sein, aber die Ungewißheit' kann sehr viel größeren Schaden tun. Dabei-ist auch in Rücksicht zu ziehen, daß die Auf- klärung im Interesse der Mitmenschen liegt, damit der Kranke sich davor in Acht nimmt, zur Verbreitung der ansteckenden Keime beizutragen. Dr. Ambler hat in einem Vortrag vor der amcri- konischen medizinischen Vereinigung darauf hingewiesen, daß alle Gesetze und Verordnungen zur Förderung der Hygiene in dieser Hinsicht nichts nützen, wenn der Schwindsüchtige selbst nicht weiß, daß und ivarum er besondere Vorsichtsmaßregeln gegen seine Um- gebung beobachten muß. In dieser Beziehung hat also der Arzk zweifellos die Pflicht, den Kranken über die Eigenschaften deS Leidens zu belehren, und diese Aufgabe kann dielleicht wichtiger genannt werden als das Verschreiben von Arzneien, die bei dem Patienten eine Hoffnung auf Heilung erwecken und ihn nachher vielleicht betrügen. Wenn die Schwindsucht so schnell zur Ver» nichtung, zu völliger Verunstaltung des Körpers und zu heftigen Erscheinungen führte wie andere ansteckende Krankheidin von akuter Art, so würde ohne Zweifel längst eine völlige Absperrung der Schwindsüchtigen bewirkt worden sein. Die allmähliche Ent- Wickelung dieses Leidens und der Umstand, daß die daran Er- krankten häufig lange Zeit noch geradezu blühend aussehen, hat zu einer gewissen Vernachlässigung der Gefahr geführt, die nur durch Mitwirkung des Patienten selbst vermindert werden kann. Dr. Ambler vergleicht die Schwindsucht mit einem beginnenden Brand in einem Hause, der in seinen ersten Anfängen leicht zu löschen ist, aber großen Schaden droht, wenn er erst um sich ge- griffen hat; und ebenso wie jeder sich daran gewöhnt hat, mit Feuer vorsichtig umzugehen und wie jeder seinem Nachbar mit- teilen würde, wenn in dessen Haus ein Brand ausgekommen ist, so gebietet wohl auch die Verantwortung, über das Wesen der Schwindsucht eine möglichst gründliche und rücksichtslose Auf- klärung zu verbreiten, was schließlich auch nicht zum Schaden der Kranken selbst ausschlagen kann. Humoristisches. -»Humor des Auslandes. Borrows:UebrigenS, Knox, habe ich gestern meinen Schirm in Ihrem Kontor stehen lassen?" Knox:Sie haben einen Schirm stehen lassen, aber ob es Ihrer ist, weiß ich nicht." s. Chicago   News".) Ist eS wahr, Vater, daß wir von: Affen abstammen? Du Tölpel I Du vielleicht, ich nicht!"(Answers".) Verzeihen Sie, sind Sie der Arzt, der den Mann meiner Schwester behandelte, der dann bald starb?"Ja."Und find Sie auch derselbe, der meinen Schwiegervater behandelte, der dann auch bald starb?"Allerdings."Gut, dann kommen Sie, bitte, so bald wie möglich zu mir. Meine Schwiegermutter ist er- krankt."(Caras u. CaretaS.) Bei einer Schulvisitation war der Inspektor so mit der zu prüfenden Klasse zufrieden, daß er den Schülern sagte, sie könnten jede beliebige Frage an ihn richten. Einige Fragen wurden darauf gestellt und beantwortet. Da der Inspektor einen kleinen Knaben tief in Gedanken versunken sah, forderte er ihn auf. ebenfalls eine Frage zu stellen.Bitte, Herr Inspektor", versetzte der Knabe ernst- hast,wenn Sie bis zum Hals in einem weichen Slbmutzhanfen steckten, und ich würde einen Stein nach Ihrem Kopf werfen, würden Sie dann untertauchen?"(Tit Bits.') Notizen. Charcots antarktische Expedition. Dr. Charcot bat imGeographica! Journal" genauere Mitteilungen über den Plan seiner neuen antarktischen Expedition gemacht. Er hat sich ent- schlössen, wieder dieselbe Gegend im Süden von Südamerika   aufzu- suchen, die schon das Ziel seiner ersten Erpeditton gewesen ist. Als Hauptquartier soll die Bandelinsel genommen, von dieser aus Alexander I.-Land möglichst weit nach dem Innern hinein erforscht werden. Für den zweiten Sommer ist dann ein Versuch geplant, so weit wie möglich gegen Westen, nach dem König Eduard VIL-Land, vorzudringen. Gräber auS der Eisenzeit. In Richigcn bei Worb  (Kanton Bern  ) stieß man, nach derVoss. Ztg.", in einer KieSgrube auf drei vorchristliche Gräber, die nach den dabei gemachten Funden aus der zweiten Eisenzeit, d. h. etwa auS dem zweiten Jahrhundert v. Chr. stammen müssen. Im ersten Grabe fand man zwei Finger- ringe auS Bronze, einen Armring cmi doppelt ausgewnndcnem Bronzedraht und auf der Brust des Skelettes vier eiserne Sicherheits- nadeln. Im zweiten Grabe: einen Klumpen Eisenrost auf dem Brustbein, wahrscheinlich von den Eisenbeschlägen eines Schildes her- rührend, mit dem man den Toten zugedeckt. Auch das dritte Grab war unzweifelhaft das eine? Kriegers; man entdeckte darin noch die Ueberbleibsel von Schwert und Lanze, außerdem aber neben der linken Schläfe ein aus drei gerippten Golddrähten verfertigtes kleines Ringlein, wohl ein Ohrring oder Ohrgehänge. Ursache des Erbrechens der Kinder. In einer amerikanischen Zeitschrist für Kinderheilkunde wird von zwei Aerzten die Frage beleuchtet, ob für das Erbrechen der Kinder tatsächlich diätetische Fehler anzuschuldigen sind. Dr. H o w l a n d und Richards verneinen das und nehmen vielmehr eine nervöse Veranlagung, die ererbt oder erworben sein kann, als Grund dafür an. Die Ursache besteht nach ihnen in Furcht, Anfreguna, Müdigkeit, Aerger, Erkältung oder Schlägen auf de» Leib Während der Brech- ansälle selbst verändert sich bemerkenSwerterlveise der Urin, ober seine erhöhten Ausscheidungen hören wieder auf, lvenn das Erbrechen zu Ende ist. Die Versuche der Genannten erstrecken sich sowohl auf Kinder als auch auf Tiere. Berantwortl. Redakteur: HanS Weber, B rlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Bcrlagsanftalt Paul Singer s-Co..Berlin   S>V.