gerechtes an den Vorgärten oder lieh sich gar vom Wind zu kleinen Bergen, rund um die Papicrbehältcr herum, zusammen- wirbeln.... Es ging also besagten Papierkörben genau so, wie mancbcm Menschen: sie hatten ihren Beruf verfehlt. Doch ein verfehlter Beruf ist noch immer nicht das schlimmste. Die Papierkörbe begnügten sich aamit nicht; sie erregten sogar tum Teil noch öffentliches Aergernis. Und das kam so: den einen Zapierbchälter, der sich in der Nähe deS Kinderspielplatzes befand, hatten die Kleinen im Spieleifer als Raubritterburg benutzt, die als Sühne für die Schlechtigkeiten der Burgbewohner in Flammen aufgehen mußte. Streichhölzer waren rasch bei der Hand, das trockene Holz flackerte bald in qualmender Flamme, die in all den großen, starrenden Kinderaugen leuchtend sich spiegelte und schließ- lich die freiwillige Feuerwehr des Ortes auf den Plan rief. Den zweiten Papierbehälter hatte eine Ziege, die man in der Nähe angepflöckt hatte, so bedenklich angeknabbert, daß zwei Wände dringend einer Reparatur von fachkundiger Hand bedurften. Am dritten Papierbehälter hatten böse Bubcnhände drei der in den Erdboden versenkten Füße an den Stellen, wo diese die Kästen trugen, durchgesägt. Als nun eines schönen Tages ein Schlächter- meister sein etwas übermütiges Pferd an dem Papierbehälter fest- band, riß der Schimmel mit kurzem Ruck auch den vierten Fuß ab und ging, den polternden Kasten neben sich her schleifend, mit dem Wagen durch. Im vierten, in der Nähe der großen Fried- Höfe aufgestellten Papicrbchälter fand der Ortspolizist eines Morgens ein neugeborenes Kind, das er, nach Aufnahme eine» umfassenden Protokolls, pflichtschuldigst auf das Amt brachte. Der fünfte Papierbehälter, der seinen Stand an der Weichbildgrenze des Ortes hatte, und zwar an der, die der Bedürfnisanstalt eni- gegengesetzt lag, war von ruchlosen Individuen zu Zwecken benutzt worden, die sonst nur in Bedürfnisanstalten erfüllt werden können; im übrigen war dieser Papierkorb der einzige, in dem man Papier vorfand, als sich der Deputierte der Baukommission eingehend mit dem Inhalt des Behälters beschäftigte. Der sechste Papierkasten schließlich war spurlos verschwunden. Nur die Beinstümpfe ragten noch fingerbreit über dem Erdboden heraus. Und über diese Bein- stümpfe fiel der Herr Gendarm der Länge nach auf seine Rase, als er schärfer nach dem Verbleib des verschwundenen Kommunal- eigentums ausspähen wollte. Man hat da draußen im äußersten Zipfel der Riesenstadt keine neuen Papierkörbe mehr aufgestellt, obwohl der Baudeputierte den Vorschlag machte, die Ränder der Körbe mit Stachcldraht zu benageln, damit wenigstens ein Teil der verübten Ruchlosigkeiten nicht wieder vorkommen könne. Nun läßt man das Papier wehen, wohin es der Wind treibt. Die Hochnäsigen aber sind überzeugter denn je von ihrer Meinung, daß derPöbel" es gar nicht wert ist, in einergehobenen" Gemeinde zu wohnen. Kulturgeschichtliches. Etruskische Zahnärzte vor L300 Jahren, �n der italienischen Zeitschrift für' Zahnheilkunde beschäftigt sich Professor G. Galli in einem Aufsatz, den dieFrankfurter Zeitung " aus- zugsweise widergibt, mit künstlichen Zahnarbciten, die im 4. Jahr- hundert v. Ehr. hergestellt wurden. Der Gelehrte gründet seine Studien auf einen Schädel, der in der Nekropolis der etruskischen Stadt Falerii aufgefunden wurde. Die Zahnarbeit rührt nach Galli ohne Frage von einem Etrusker her. Sie besteht aus vier goldenen Kapseln, von denen zwei natürliche Zähne bedecken und ihnen als Stütze dienen, während die anderen zwei als künstliche Zähne verwendet sind also eine kunstgerechte Brückenarbeit. Es scheint daher, daß die Etrusker. gerade so wie die heutigen Ameri- kaner, es nicht verschmähten, ihre Zähne in Goldeinfassung zu zeigen. Dieses Volk muß auch den Mastix gekannt haben, um die Höhlen der künstlichen Zähne zu füllen. Und daß sich das alle? durch ungefähr 2300 Jahre vollkommen erhalten hat, zeugt gewiß von einer guten Arbeit. Galli schließt seine Arbeit, indem er fest- stellt, daß die Technik der Zahnarbeit in den Einzelheiten wohl die größten Fortschritte zu verzeichnen hat, daß aber die Grund- lagen schon längst gelegt wurden: das modernste Briäge Work der Amerikaner ist somit eine Neuigkeit, die 400 bis 600 Jahre vor Christi bei den Etruskern bekannt war. Ethnographisches. Die Pfeifsprache. Die Bewohner von Gomera , einer der Kanarischen Inseln, sind imstande, vermittelst Pfcifens jede be- liebige Unterhaltung zu führen auf Entfernungen, in denen das Sesprochcnc und geschriebene Wort verhallt. Diese Pfeifsprache be- cht nicht etwa bloß aus verabredeten Pfiffen, sondern jede ein- zelne Silbe hat einen besonderen Ton. Das Pfeifen geschieht mit de» Lippen, die entweder gespitzt oder in die Breite gezogen werden, und der Zunge; manche Leute bedienen sich dabei, wie auch bei uns, eines oder zweier Finger. In der Literatur befinden sich nur wenige Bemerkungen über diese merkwürdige Sprache; Professor Dr. Karl Fritsch erzählt, daß beim Weihnachtsfcst 1862 die Leute einen Freudenpsalm in der Kirche, anstatt Zu singen, gepfiffen haben. Schon in der Geschichte der Entdeckung der Kanarischen Inseln, die Anfangs des 17. Jahrhunderts von französischen Geist- lichen geschrieben wurde, findet sich ein Hinweis auf die Pfeif- spräche, indem von den Gomeros gesagt wird, sie sprächen mit den Lippen, als hätten sie keine Zunge. Ueber die Entstehung dieser Sprache sind die Meinungen geteilt. Der Naturforscher Oueden- fcld, der eingehende Beobachtungen darüber machte, ist der wahr- scheinlich richtigen Ansicht, die Pfeifsprache sei lediglich ein Produkt der eigenartigen örtlichen Verhaltnisse von Gomera . Die Insel ist stark zerklüftet; Leute, die in der Luftlinie ganz nahe bei- einander sich befinden, müßten stundenweite Umwege machen, um zueinander zu kommen und sich sprechen zu können; sie bedienen sich deshalb seit altcrsher zur Verständigung gellender Psiffe, aus denen sich allmählich eine förmliche Pfeifsprache entwickelt hat. M» Humoristisches. Wirtshauskochkunst. Kellner:Der Herr Mayer schickt den Sastbraten zurück, er möchte doch lieber Roastbeef haben." Köchin:Na. wie oft soll ich denn noch eine andere Sauce dranschülten l" Nicht unterzukriegen. Mann:Wer liebe Amalie, was sollen sich denn die Kinder denken, wenn ich Dir immer nach- geben mutz?" Die werden sich höchstens ein gutes Beispiel daran nehmen I" Mißver stände n. Alte Jungfer:Nicht wahr, man kann ja bei so warmen Nächten das Fenster offen lassen?" .Bauer:«Freili', fteili','s Loaierl steht im Hof hinten." Maß st ab. Bauer(beim Arzt, der nach der Untersuchung ein medizinisches Buch zur Hand nimmt):.Herrgott, iS dös dick... die Sach' mag mi' schö' was kosten I* Klein st od t. Zeitungsverleger(zum Setzer): Wegen der falschen Kriegsnachricht brauchen wir kein Dementi zu bringen, das bring' ich heut abend am Stammtisch schon in Ord« nung I"(Meggendorfer-Blätter.") Notizen. Das Berliner Opernhaus wird in der kommenden Spielzeit folgende Novitäten bringen:Mackams Butterliy" von Puccini ,Thöröse" von Massenet. Donna Diana " von Reznicek, Dalibor " von Smetana . Die Direktion derLortzing-Oper in Berlin hat den Konkurs angemeldet. Verbot eines R e v o l uti o n S d r a m a S in Heising fors. Wie demBörsen-Courier" aus Helsingsors ge- meldet wird, ist die Aufführung des Dramas der russischen Schrift» stellerin LecharDer Eisgang", das am dortigen finnifchen Theater zur Darstellung gebracht werden sollte, von den finnischen Behörden verboten worden. Das Drama behandelt Vorgänge in Petersburg und Moskau während der Periode der Revolution; Heldin ist die Tochter eines Großindustriellen, die sich der revolutionären Partei angeschlossen hat. Das Verbot erfolgte, als das Publikum bereits im Theater versammelt war und der Vorhang sich eben heben sollte. Das reaktionäre Vorgehen der Behörden verurfachte in Helsingsors große Erregung. Einen Ferienkursus für Lehrer und Lehre- rinnen ohne Unterschied der Staats- und Vereinsangehörigkeit und der Konfession veranstaltet der Berliner Lehrervercin vom 30. September bis zum 12. Oktober an der Berliner Universität. Es werden Vorlesungen über Philosophie(Professor Dr. P. Menzer: Grundzüge der Aesthetik), Deutsche Spracbgeschichte(Professor Dr. M. Herrmann), Geschichte(Dr. G. Roloff), Kunst(Direktor Dr. P. Jessen), Aswonomie(Fr. Ristcnpart), Paläbotanik(Professor Dr. H. Potoniö), englische und französische Literatur(Universitäts­lektor F. S. Delmer bezw. Sprachlehrer E. Dauere) gehalten werden. Von Professor Dr. L. Plate wird ein praktischer Kursus im Mikro- skopieren und Präpariere» von Tieren veranstaltet werden. Alles nähere ist durch den Geschäftsführer der Ferienkurse, Lehrer Rebhuhn, Berlin . Hufelandsw. 23, zu erfahren. Eine deutsche ErzichungSauS st ellung wird seitens des Freiwilligen ErziehungsbeiratcS für schulentlassene Waisen in Berlin in den Ausstellungshallen am Zoologischen Garten vom 9. bis 24. November d. I. veranstaltet werden. DieSchüler tverk st ätten für Kleinplastik" zu Berlin haben sich im Laufe der letzten Jahre derartig weit über den ursprünglich vorgesehenen Rahmen hinaus entwickelt, daß der Name der Anstalt sich nicht mehr mit ihrem Programm deckt. Während bei der Gründung nur plastische Kunst gelehrt wurde, wird jetzt das gesamte Gebiet des Kunstgewerbes in das Bereich der Unterweisungen gezogen. Die Leitung hat daher beschlossen, vom 1. Oktober den nicht mehr ganz zutreffenden Namen zu ändern und die Anstalt, die dann auch räumlich um über daS Doppelte ver« größert sein wird, kurzSchule Reimann " zu nennen mit dem UntertitelAteliers und Werkstätten für Kleinkunst". Mit der Schule Reimann " wird dann auch eine ständige Ausstellung der- bunden fein, die für das Publikum kostenlos zugänlich ist. Verantwortl. Redakteur: HaoS Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSanstalt Paul Singer L-Co., Berlin S W.