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wenigftens zum Teil zu seinem Rechte fäme. In Norwegen  , Finn­ land  , Dänemark  , Frankreich   usw. besikt man bereits Schulen, in denen z. B. die Knaben, während man sie mit Tischler-, Schlosser, Drechsler, Buchbinder- und anderen Arbeiten beschäftigt, gleich­zeitig an der Hand dieser praktischen Arbeiten in den Wissen­schaften unterrichtet; in anderen Schulen erhalten die Mädchen ihre wiffenschaftliche Ausbildung und Unterweisung in harmoni scher Verbindung mit praktischen Hausarbeiten. So werden z. B. in Bärmland in Schweden   um nur ein einziges Beispiel anzu­führen die Schülerinnen unterrichtet in häuslicher Oekonomie, Zubereitung der Speisen, Servieren, Baden, Einkaufen, Haus­haltungsbuchführung, Nahrungsmittelchemie, Gartenbau, Nähen, Musterzeichnen, Weben, Glanzplätten u. a., außerdem und zwar eng verbunden mit jenen Fächern in Schwedisch, Französisch, Bibellehre, Schönschreiben, Rechnen, Buchführung, Kindererziehung, Gesundheitslehre und Gesang. In ganz ähnlicher Weise könnten unsere Mädchenschulen ausgebaut werden; für das Erzgebirge   ließe sich dabei neben dem Arbeitskreise der Kochschule der der Klöppel­schule ganz vorzüglich in den Lehrplan mit eingliedern und zu einem einheitlichen Ganzen verbinden. Aus einer bloßen Schule der Fingerfertigteit, einer Dreffuranstalt im Interesse des Aus­beutertums würde dann eine wahre, von hohen Gefichtspunkten ge­leitete und von hohen Jdealen getragene Erziehungsschule werden. In Amerika   ist man eifrig am Werke, das gesamte öffentliche Erziehungswesen zu reformieren und auf der Grundlage der Selbsttätigkeit neu aufzubauen; in Deutschland   hat man für die Sprößlinge der Bourgeoisie in den Landerziehungsheimen Insti­tute geschaffen, die in beinahe idealer Weise die Arbeit als Basis und Mittel der Erziehung benutzen und damit einen bedeutsamen Schritt auf dem Wege zu jenem Ziele darstellen, das eingangs mit den Namen Marg, Civen, Goethe, Pestalozzi   gekennzeichnet wurde. Für die Kinder des Volkes bemüht man sich in Preußen- Deutschland  um feine Verbesserung und Vervollkommnung der Erziehung. Sie lernen ABC, Moses   und die Propheten, bekommen Deutschland  über alles eingedrillt und friechen freiwillig in das Joch der Knechtschaft und Ausbeutung, das ihnen die Kapitalistentlasse vor­hält. Und Bülow nennt das: In der Welt voran!

Kleines feuilleton.

Er hatte keine Feinde. Der mächtige spanische Minister lag im Sterben. In den Zeitungsredaktionen hatte man bereits angeordnet, die morgige Nummer mit dem Trauerrand erscheinen zu lassen. Die Nekrologe waren zusammengestellt, gesezt und standen bereit. In ihnen wurde von dem unerseßlichen Verlust Spaniens  ", von der rettenden Energie" und der unerschütterlichen Festigkeit" dessen gesprochen, der bestimmt war, in wenigen Stunden selig" zu sein, dem während der ganzen Zeit seiner unumschränkten und unüberwachten Herrschaft die unwandelbare Gunst der schönen und barmherzigen, frommen und zartfühlenden Königin gehört hatte. Der mächtige Minister, das Schwert Spaniens  ", wie ihn der Publizist genannt hatte, der bei Hofe zugelassen worden und in Anbetracht seiner Verdienste um das Vaterland eine Leibrente erhalten hatte, der mächtige Minister lag im Sterben

In dem großen, luxuriös ausgestatteten Schlafgemach herrschte Halbbunkel. Die schweren Vorhänge waren herabgelassen. Nur Durch einen von ihnen fiel ein dünnes Bündel Sonnenstrahlen, blizend wie Gold und froh wie die Jugend, auf das an der gegen­überliegenden Wand hängende Bild.

Das war ein Morgen am Meer". An das felsige, von der aufgehenden Sonne beschienene Geftade stieß eine Fischerbarke. Auf dem Bord saßen gedankenvoll, eng umschlungen ein Mann und ein Weib und schauten in die endlose, vom flüchtigen Morgennebel entschleierte Ferne. Eine leichte Brise fräufelte kaum merkbar das Meer und wiegte das halb niedergeholte Segel.

Zum Kopfende des Lagers beugte sich der alte Pater, dessen Gesicht einer mottenzerfressenen Fuchsschnauze ähnelte, nieber, und flüsterte dem Sterbenden Worte des Trostes zu.

Mein Sohn, es ist Zeit, an das Heil der Seele zu denken, Zeit, alles Jrdische, alle ergernisse und Freuden des kurzen Erbenlebens zu vergessen, Zeit, sich mit allen seinen Feinden aus­zuföhnen und ihnen ihre Schulden zu vergeben, die wissentlichen wie die unwissentlichen..

Der Sterbende antwortete nicht, die schwergewordenen, erdfarbenen Lider unmerklich hebend, schien er sich mit den um­schleierten Augen in das sonnenbestrahlte Bild zu vertiefen, als fähe er es zum erstenmal.

Der Geistliche fing den Blick auf.

Sieh, mein Sohn," sagte er, wieviel Frieden und Nuhe selbst dies Bild irdischer, vergänglicher Natur atmet Um wieviel Herrlicher, wieviel wohltuender, ja erhabener aber ist der ewige Friede der Seele, den wir erwerben, wenn wir uns mit unseren Feinden, mit allen, die uns je gekränkt haben, aussöhnen?"

" Von welchen Feinden sprechen Sie?" fragte der Minister kaum hörbar, aber dennoch hastig und schroff, das Gesicht plöhlich dem Pater zuwendend.

Der Geistliche zuckte zusammen.

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Ich habe feine Feinde," fügte der Minister noch schroffer hinzu:" Nirgends!"

Und er blickte von neuem auf das Bild.

" Mein Sohn," stammelte der Pater, als er den Schreck einigermaßen verwunden hatte, wir alle sind fündig, ein jeder von uns, selbst der Tugendhafteste, selbst der Beste hat Feinde." Der Minister machte eine unruhige Bewegung, seine Hände faßten und knüllten krampfhaft die Decke und das Geficht wiederum dem Geistlichen zuwendend, war er sichtlich bemüht, etwas zu sagen. Der Pater beugte sich herab, die letzten Worte des Sterbenden zu vernehmen. Ich habe keine Feinde feinen einzigen," hauchte das Schwert Spaniens  "." Wohl habe ich welche gehabt... viele aber alle habe ich hängen lassen

fein

Und ein schwaches, triumphierendes Lächeln breitete sich über plöglich starres Gesicht.

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Der Pater betete hastig und berwirrt für den Entschlafenen... ( Von K. N. W oinow. Deutsch von W. P. Larsen.) Ein Besuch auf Philä. Pierre Loti   veröffentlicht im Figaro die fesselnde Schilderung eines Besuches auf der Nilinsel Philä, deren Heiligtümer durch die Erhöhung des Nildammes bei Assuan  zum großen Teil bereits unter Wasser gesetzt worden sind und bielleicht von den Fluten bald ganz verschlungen sein werden. Chelal ist der Name des Dorfes am Ufer des Nils, wo man in die Barke steigt, um nach Philä zu fahren. O Schreden! In­mitten der düfter grandiosen ägyptischen Landschaft blizen cleftrische Lampen. Chelal hat einen Bahnhof, hat eine Fabrik mit riesigem Schornstein, der raucht, und ein Dußend niedriger Spelunken, in denen Spirituosen verlauft werden und ohne die augenscheinlich die europäische   Zivilisation keinem Lande ge­schenkt" werden kann. Man steigt in ein Boot, das mit kleinen englischen Fähnchen geschmückt ist wie bei einer Ruderregatta auf der Themse   und unter dem eintönig schweren Gesang der nubischen  Ruderer tauchen die Riemen gleichmäßig in die Flut. Es dunkelt schon, aber man sieht noch, denn der starr in Kupferbraun glühende Himmel strahlt eine talte Helle aus. Wir sind mitten in einer großen tragischen Dekoration, auf einem See, umgeben von einer Art mächtigen Amphietheaters, das die Berge der Wüste von allen Seiten abschließen. Auf dem Grunde dieses mächtigen granitenen Zirkus hat sich einst der Nil dahingeschlängelt, überall neue Jufeln bildend, deren junges Palmengrün mit den hohen Felsenmassen fontrastierte, die sich wie eine schroffe Mauer ringsherum erhoben. Heute ist dank der Stauung", die die Engländer erzeugt haben, das Waffer gestiegen und gestiegen, bis es ein fleines Meer ge bildet hat, das den Lauf des Flusses zerstörte und die heiligen Inseln gefräßig zu verschlingen begann. Das Heiligtum der Jfis, das seit Jahrtausenden dort thronte auf dem Gipfel eines Hügels, von Tempeln, Säulenhallen und Statuen umgeben, ragt noch zur Hälfte heraus aus der öden Wasserfläche, aber es steht allein und wird bald auch überschwemmt sein. Gespenstisch hebt es sich empor in dem beginnenden Dunkel der Nacht wie eine einsame Klippe im Meer. Die Tinten eines ägyptischen Sonnenunterganges im Winter erfüllen die Luft mit einem letzten metallischen Glanz; wie ein gewaltiger eherner Schild lastet die bronzene Himmels­wölbung auf der dunkelnden Erde; ein eisiger Wind läßt uns mit seinen haftigen Stößen erschauern. Begleitet vom Singen der Ruderer gelangen wir mühselig über diesen künstlichen See, den ein englisches Stauwert gleichsam in der Luft hält, unsichtbar in der Ferne, aber geahnt und aufregend über diesen tempel schänderischen See, möchte man sagen, da er in seinen Wogen zahlreiche unschäzbare Denkmäler begräbt: Tempel ägyptischer Götter, Kirchen der ersten chriftlichen Jahrhunderte, Stelen, In­fchriften und heilige Symbole. Wir nähern uns dem, was einst die heilige Insel war. Die Kronen einzelner Palmenbäume, deren lange Stämme heut unter Wasser stehen und langsam hinfaulen, lassen die einst so liebliche Stätte ahnen, die nun zerstört und vers schwunden ist. Bevor wir zum Heiligtum der Jfis gelangen, be rühren wir die Wartehalle" von Philä, jenen entzückenden Bau, der so berühmt geworden ist wie die Sphing und die Pyramiden. Einst erhob er sich auf einem Fundament von hohen Felsen und die Dattelbäume umgrünten ihn lieblich. Heute ist der Unterbau dieses Tempelchens nicht mehr zu sehen; einsam heben sich die Säulen aus dem Wasser und man möchte das Ganze für eine phantastische Scheinkonstruktion halten, entstanden aus irgendeiner föniglichen Laune. Wir fahren hinein mit unserem Boot; ein feltsamer Hafen ist's, der sich da auftut in seiner antiken Pracht, ein Hafen voll unsäglicher Melancholie, besonders in dieser blaz­talten Stunde der letzten Abenddämmerung, und in diesem eisigen Windhauch, den uns unbarmherzig die nahen Wüsten senden. Aber wie verehrungswürdig ist er auch so noch, dieser kleine Tempel von Philä. Mitten in der Verwirrung seines Unterganges, um­wittert von dem nahenden Ende. Seine Säulen, auftauchend wie aus dem Nichts, scheinen biegsamer und zarter, reden ihre laub­geschmückten Kapitäle noch höher empor, wahrlich ein Tempel der Träume, von dem man fühlt, daß er wie eine luftige Spiegelung der Phantasie verschwinden wird in diesen Wassern. Von der Wartehalle" fahren wir zwischen Massen Palmenbäumen hin zu dem Heiligtum der Jfis, auf denselben Wege, den in alter Zeit die Bilger zu Fuß beschritten und der fich noch heute aus der Wasser. öde machtvoll heraushebt, von Säulenhallen und Statuen ein gefaßt. Den Weg hat der See verschlungen und wir werden ihn