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Ich bin aber ein Revolutionär und hasse alle Re­formen..." Der Doktor legte behutsam Jegors Hand auf seine Knie, stand auf, zupfte sich nachdenklich den Bart und begann mit dem Finger die geschwollenen Stellen im Gesicht des Kranken zu befühlen. Die Mutter fannte den Doktor gut, er war einer der nächsten Freunde Nikolais und hieß Iwan Danilowitsch. Sie trat zu Jegor. Der streckte ihr die Zunge aus. Der Doktor wandte sich um:

Ah, Nikolowna!... grüße Sie... Setzen Sie sich! Was haben Sie in der Hand?"

,, Wohl Schriften?"

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Er darf nicht lesen!" sagte der kleine Doktor. Er will mich zum Idioten machen!" klagte Jegor. Schweig!" rief Iwan Danilowitsch und machte sich in einem kleinen Buch Notizen.

Kurze, schwere Seufzer rangen sich mit feuchtem Krächzen aus Jegors Brust; sein Gesicht war mit feinen Schweißperlen bededt; er hob langsam die schweren, ungehorsamen Hände und wischte mit der Handfläche die Stirn. Die seltsam un­beweglichen, geschwollenen Baden entstellten sein breites, gutes Geficht; alle Züge verschwanden unter der Todesmaske, und nur die tief in die Höhlen gesunkenen Augen blickten lächelnd drein.

" He, Wissenschaftler! Ich bin müde... darf ich mich hinlegen?..." fragte er.

,, Nein!" sagte der Arzt kurz.

,, Na, ich lege mich hin, wenn Du fortgehst..." ,, Nilowna, Sie erlauben ihm das nicht! Legen Sie die Kissen zurecht und sprechen Sie, bitte, nicht mit ihm, das schadet ihm..

Die Mutter nickte. Der Arzt ging mit schnellen, kleinen Schritten fort. Jegor warf den Kopf zurück, schloß die Augen und blieb unbeweglich; nur seine Finger rührten sich leise. Von den weißen Wänden des kleinen Zimmers schwebte trockene Kälte und blasser, trüber Kummer herab. In das große Fenster blickten krause Lindenwipfel; in den dunklen, staubigen Blättern glänzten helle, gelbe Flecken, Spuren der falten Berührung des nahenden Herbstes. ( Fortsetzung folgt.)

...

( Nachdrud verboten.)

Die Einheitlichkeit des Weltalls.

Die Einheitlichkeit des Weltalls, Neue Erklärung der Sonnen­flede, Meteore, Kometen und anderen Weltkörper, sowie der Ent­stehung und Entwickelung der Erde " von Julius Wilms. Unter diejem pompösen Titel läuft in unserer Redaktion ein Heft ein, deffen figer Ideengang etwa folgender ist: Die Sonnenflede( die wir oftmals schon mit geschüßtem Auge wahrnehmen) find Teile der in die Sonne gestürzten, sonnennahen Planeten, die wir wegen ihrer Sonnennähe nur nicht sehen. Die Sonne gibt wieder andere Körper in der Form von Kometen von sich, die sich von ihr ent­fernen und dann in der großen Ferne uns als Nebelflecke er­scheinen. Diese Nebelflecke verdichten sich zu Firsternen, und diese stellen nichts anderes dar als sehr entfernte Planeten, die sich der Sonne wieder nähern, nachdem sie ihre größte Entfernung" erreicht haben. Die Monde werden sich in gleicher oder ähnlicher Weise entwickeln." Sie nähern sich ihren Planeten immer mehr und stürzen auf sie herab. Auch auf die Erde sind schon mehrere frühere Monde herabgestürzt. Schließlich werden auch die Planeten wieder in der Sonne enden, in die sie hineinstürzen.

Diesem jinngemäßen Auszug aus den 40 Seiten der Wilms­schen Schrift steht das Brandmal des Blödsinns an der Etirn. Das schlimmste an ihr ist, daß sie Halbwahres mit ganz Falschem flüssig und gefällig mischt, so daß der Laie nicht immer erkennt, wo das eine anfängt und das andere aufhört. Unsere Leser seien deshalb nachdrücklich vor diesem Unsinn gewarnt. Wir beabsichtigen nicht, Wilms Elaborat seinem Wunsche gemäß zu besprechen, weil es weiter nichts darstellt als einen Unfug, der mit der Buch­druckerei getrieben wurde; es gibt uns aber Gelegenheit, im Zu­sammenhange auf etliche Darstellungen des in der Ueberschrift bezeichneten Stoffes, wohl das interessanteste aus der ganzen Himmelskunde, hinzuweisen.

Zuerst sei ein Bürhelchen erwähnt, das wir als ein Muster Hinstellen können. Es ist das schon in zweiter Auflage erschienene Bändchen Der Bau des Weltalls" von Prof. Scheiner, erschienen in der Teubnerschen Sammlung Aus Natur und Geistesweit".( Preis 1,25 M.) Auch da wird gewissermaßen die Einheitlichkeit des Weltalls dargelegt, allerdings in anderem Sinne als Wilms meint. Professor Scheiner beschränkt sich nämlich auf das, was wissenschaftlich belegt werden kann, und schaltet alles aus, worüber ausschließlich Vermutungen gemacht werden können. Das

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ist der einzig richtige Weg, den volkstümliche Darstellungen gehen dürfen, wenn sie nicht den Stempel des Feuilletonhaften, des Romanhaften tragen sollen wie etwa die Bücher von Jules Verne oder von Kurd Laßwik, die keiner als populär- wissenschaftliche Echeiner geht mit wissenschaftlichem Ernste vor. Er besitzt nicht Werke ansieht, sondern als vergnüglichen Unterhaltungsstoff. die glänzende und poetische Sprache, die wir von den Büchern Dr. M. W. Meyers her kennen, fesselt aber doch durch seine interessierende und eindringliche Darstellungsweise. Er beginnt, sich in dem kleinen Werkchen mit der Stellung der Erde im Weltall zu beschäftigen; sodann folgt von diesem verhältnismäßig sicheren Sonne, der Fixsterne und der Nebelfleden. Der Spektralanalyse Standpunkte aus die Betrachtung des gestirnten Himmels, der ist ein besonderes Kapitel gewidmet, in welchem es Scheiner ge= lungen ist, eine der besten Darstellungen dieses für die populäre Erörterung sehr schwierigen Gebietes zu geben. Anhangsweise folgen sodann für fortgeschrittenere Leser die wichtigsten Zahlen­angaben über die Himmelsförper und eine Ergänzung zum Kapitel über die Spektralanalyse.

den Bau des Weltalls als das Wilmssche Pamphlet. Dabei wird Natürlich gelangt Scheiner zu ganz anderen Ergebnissen über die Sonne zu einem der vielen Millionen Firsterne degradiert, die uns das Teleskop am nächtlichen Himmel zeigt. Nach den wahrscheinlichsten durch den jetzigen Stand der Wissenschaft ge­stüßten Annahmen gehört die Sonne mit ihrem ganzen Anhang zu dem System der Milchstraße , einer Sterneninsel im endlosen Weltall, wie es deren noch mehrere gibt. Wir haben Grund zu bermuten, daß das Sonnensystem, das ebenso wie die anderen digiterne eine fortschreitende Bewegung im Raume befißt, unge­fähr in der Mitte des Milchstraßensystems steht. Das letztere be­steht aus einer Anhäufung von Sternen, die etwa linsenförmig zu denken ist und einen Durchmesser von ungefähr 44 000 Licht­jahren befißt.( Ein Lichtjahr ist die Strecke, welche das Licht in einem Jahre zurückgelegt, d. f. nach einer früheren Darlegung in diesen Spalten rund Billionen Kilometer.) Der Andro medanebel, den schon unser bewaffnetes Auge in flaren Nächten als einen schwachen Lichtschimmer wahrnimmt, ist als ein dem ähnlicher Größe anzusehen. Es wird von uns nach Wahrscheinlich Milchstraßensystem gleichwertiges Sternsystem von wahrscheinlich feitsschätzungen ½ Millionen Lichtjahre entfernt sein. Eine weitere derartige Eterneninsel im Weltenraume ist der Spiralnebel in den Jagdhunden, dessen Entfernung von uns auf 6% Millionen Licht­jahre zu schäßen ist( rund 6200 Trillionen Kilometer= 62 mit 20 Mullen). Diese Zahlen können um das Mehrfache ihres Be­trages unrichtig sein, fie ändern jedoch an der Sache selbst nichts, auch an den aus ihnen abgeleiteten Schlüssen und Anschauungen nicht, da die Größenordnung immer noch dieselbe bleibt. Eine praktische Anschauung vermitteln uns diese Zahlen natürlich nicht, da wir nur in menschlichen Maßstäben zu denken gewohnt sind. Sie bieten uns aber ein logisch zu rechtfertigendes Hülfsmittel, um in unserer wissenschaftlichen Erkenntnis auf realem Boden fort­zuschreiten.

Während das Scheinersche Heftchen darauf zugeschnitten ist, in erster Linie eine Darstellung des Baues des Weltalls zu geben, finden wir in den neueren populär- wissenschaftlichen Werken diese Frage mehr als Krönung des Cystems der Himmelstunde be handelt. In eigener Weise stellt Dr. M. M. Meyer dieses Thema dar. Er ist einer unserer glänzendsten populär- wissenschaft­lichen Darsteller; sein Stil ist blendend und seine Auseinander­jebungen, jelbst folche schwieriger Natur, außerordentlich flüssig und fesselnd. In seinen zahlreichen Werken finden sich zwei aus­führlichere Tarstellungen, die unser Thema berühren, das Schluß­tapitel seines Buches Die Königin des Tages und ihr Reich" und die letzten Kapitel aus der großen gemeinverständlichen Himmelskunde" Das Weltgebäude", die mit vielem und berech tigten Erfolge in die Welt gegangen ist. Besonders wertvoll ist, daß Meyer in diesem Werke jeine Darstellung in einigen Gebieten von bedeutenden Spezialforschern hat ergänzen und durchsehen lassen. Das Kapitel über die Schwerkraft 3. B., das wesentliche Bedeutung für unser Thema beansprucht, hat Prof. Geeliger in München einer prüfenden Durchsicht unterzogen, der auf diesem Gebiete der hervorragendste lebende Forscher ist. Das Jllustrations material dieses Werkes steht dank der Beziehungen Meyers, der Mitbegründer und Direktor der Berliner Urania war, zu den her­torragendsten Sternwarten und Instituten einzig da. Leider ist das Buch bei seinem großen Umfange etwas teuer( geb. 16 M.), namentlich für unsere Reser. Es sei daher den Vereins- und Ge­wertschaftsbibliotheken die Anschaffung empfohlen, um ihre Ange­hörigen in den Genuß der Lektüre dieses vorzüglichen Werkes zu sehen. Das gleiche gilt von den anderen beiden Werken, die in diesen Zusammenhange erwähnt wurden, nämlich Prof. Kleins Handbuch der allgemeinen Himmelsbeschrei bung" und Newcomb Engelmanns" Populäre Astronomie". Der Wert des Kleinschen Buches liegt in der ungemein reichhaltigen Materialsammlung, die für den Dilettanten und selbst den Astronomen von unschäzbarem Werte ist. Schlußkapitel behandelt Die Milchstraße und den Bau der Welt", das ebenfalls sehr lesenswert ist.

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Der vor einem Jahre erschienenen dritten Auflage des leht­genannten Werkes von Newcomb- Engelmann, die von Prof. Vogel, dem Direktor des königlichen Astrophysikalischen Observatoriums in Potsdam , mit bekannten Fachgelehrten herausgegeben wurde, sahen felbst die Wissenschaftler mit Spannung entgegen. Dies Werk ist