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den schwarzen Baumwipfeln glänzten die Sterne und ließen die Himmelsweite unendlich tief erscheinen.
Ludmilla faßte die Mutter bei der Hand und lehnte schweigend den Kopf gegen ihre Schulter. Der Doktor beugte den Kopf tief herab und wischte mit dem Taschentuch sein Pincenez. In der Stille vor dem Fenster atmete müde der Abendlärm der Stadt; Kälte wehte ins Gesicht und bewegte das Haar auf dem Kopfe. Ludmilla zitterte, und über ihre Wangen flossen Tränen... Im Korridor des Krankenhauses ertönten unterdrückte, dumpfe, erschreckte Laute, hastiges Scharren von Füßen, mattes Stöhnen trauriges Flüstern. Die drei standen unbeweglich am Fenster, blidten in die Dunkelheit und schwiegen.
Die Mutter fühlte sich überflüssig, machte behutsam ihre Hand frei, verbeugte sich gegen Jegor und trat zur Tür. „ Gehen Sie fort?" fragte der Doktor leise, ohne sie anzublicken. sa."
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Als ich mit dem Herzoge von Koburg- Gotha, seinen fürftlichen Begleitern und der übrigen Reisegesellschaft das zweite Mal durch das Tal von Mensa zog, machte uns einer der Abessinier Bäumen saßen. Ich erwähne dies ausdrücklich, weil die Baviane auf einige Mantelpaviane aufmerksam, die auf ziemlich hohen gewöhnlich nur im Notfalle Bäume ersteigen. Selbstverständlich wurde sofort auf die entdeckten Schelme Jagd gemacht, obgleich ich davon abriet, weil ich richtig vermutete, daß die Hauptmenge auf der anderen Seite des Berges sizen würde. Beim Umgehen einer Talbiegung sahen wir denn auch eine der größten Herden, die uns überhaupt vorgekommen, langsam an den Bergwänden dahinschreiten. Ihnen wurde jetzt eine wahre Schlacht geliefert. Mehr als zwanzig Schüsse fielen von uns, mehrere der Baviane wurden getötet, viele verwundet und die ganze Herde nach und nach auf den Kamm des Berges getrieben. Anfänglich schossen wir vom Talgrunde aus, bald aber suchten wir an der gegenüberliegenden Wand geschüßtere Standorte; denn die von uns durch unsere Schüsse ebenso erschreckten wie erzürnten Tiere griffen jeden Stein auf, den sie auf ihrem Wege liegen sahen, und rollten ihn in die Tiefe hinab. Der Büchsenspanner des Herzogs versicherte, Steine unter dem Arme einen Baum erstiegen und von dort aus seine Bürde nach uns zu in die Tiefe hinabgeschleudert habe. Mehrere der Rollsteine flogen uns im Anfange so nahe an den Köpfen vorbei, daß wir das Lebensgefährliche unserer Stellung augenblicklich einsahen und förmlich flüchteten, um bessere Bläße zu gewinnen. Während des Gefechtes blieb die Talsohle für unsere nachkommende Karawane vollständig gesperrt; denn die Hama dryaden( Mantelpaviane) rollten Steine von mehr als Kopfgröße zur Tiefe hernieder.
Auf der Straße dachte sie an Ludmilla und ihr fielen ein großes Männchen gesehen zu haben, das mit einem gewaltigen deren spärliche Tränen ein:
Sie fann nicht einmal weinen..."
Die letzten Worte Jegors riefen einen Seufzer bei ihr hervor. Als sie langsam auf der Straße dahinschritt, dachte fie an seine lebhaften Augen, seine Späße, seine Erzählungen aus dem Leben.
,, Einem guten Menschen wird das Leben schwer, der Tod leicht... Wie werde ich wohl sterben?..
Dann stellte sie sich Ludmilla und den Doktor in dem weißen, allzu hellen Zimmer am Fenster und die toten Augen Jegors hinter ihnen vor; wehes Mitleid mit den Menschen ergriff fie, fie atmete schwer und ging schneller, ein unflares Gefühl trieb sie vorwärts.
" Ich muß schneller!..." dachte fie, dem traurigen, aber lebhaften Drang nachgebend, der sie im Innern sanft anstieß. ( Fortsetzung folgt.)
( Nachdruck verboten.)
Da gewiß schon der Mensch in der grauesten Vorzeit mit Eteinen geschleudert hat, so scheint es dem einfachen Manne als etwas ganz Selbstverständliches, daß auch Tiere das gleiche tun. Er legt sich gar nicht die Frage vor, ob denn ein Tier hierzu überhaupt imftande ist. So schwören noch heute manche Gemsenjäger darauf, daß die verfolgte Gemse, um den Jäger abzuschrecken, Eteine gegen ihn schleudert. Erst kürzlich las ich in einer unserer vornehmsten Jagdzeitungen den Bericht über eine Gemsjagd, worin von dem Werfen der Gemsen auf ihre Verfolger berichtet wurde, als wenn es die selbstverständlichste Sache von der Welt träre. Fest steht ja unzweifelhaft die Tatsache, daß auf den Jäger Steine und Felsblöcke geschleudert werden, während er die Gemse verfolgt. Die Frage ist nur die, ob diese Gegenstände sich zufällig gelöst haben, während das Tier flüchtete, oder ob sie absichtlich von dem Vierfüßler geschleudert worden sind. Nimmt man das letztere an, so müßte das Tier während der Flucht absichtlich Steine oder lockere Stellen aufsuchen und nun so laufen, daß sie mit den Hinterfüßen getroffen werden. Hierzu gehört doch ein ziemlich starfer Glaube.
Im übrigen ist die Vorstellung, daß die Tiere gegen ihre Verfolger Gegenstände schleudern, uralt, weil sie eben dem natürlichen Menschen so nahe liegt. Vom Strauße berichtet es schon Diodorus Siculus und bemerkt, daß die ihn verfolgenden Reiter oft schwer getroffen werden. In Wirklichkeit werden die Sandballen und ähnliche Gegenstände, die der flüchtende Vogel unabsichtlich hinter sich schleudert, zu diesem Glauben den Anlaß gegeben haben. Vom Stachelschweine lesen wir bei Oppian , daß fie die allergefährlichsten Tiere seien. Werden sie verfolgt, so nehmen sie mit Windesschnelle Reißaus, aber sie kämpfen im Fliehen, denn sie schießen ihre tödlichen Stacheln gerade hinter fich gegen den Feind. Ser Jäger darf also keinen Hund gegen fie loslassen, sondern muß sie mit List fangen.
Wir wissen ganz bestimmt, daß das Stachelschwein gar nicht daran denkt, feine Stacheln fortzufchleudern, ja daß es hierzu gar nicht fähig ist. Auch hier kann der Grund nur darin liegen, daß Hunde beim Angriffe auf diesen harmlosen Gesellen sich Etacheln eingezogen und dadurch bei dem Jäger den Glauben erweckten, der Stachelträger hätte eine seiner Waffen auf seinen Verfolger abgeschossen.
Der Glaube ist also ura.t und sehr naheliegend. In Wirklichkeit kommt bei der Frage, ob Tiere werfen können, wohl nur der Affe in Betracht. Hier ist nun eine interessante Meinungsverschiedenheit zwischen Brehm und Pechuel- Loesche zu beobachten, mit der wir uns etwas näher beschäftigen wollen. Brehm schildert nämlich folgendes Erlebnis:
Hiergegen macht Professor Pechuel- Loesche folgendes geltend: Es wird erzählt, sagt er, daß die Affen sich mit abgebrochenen eften wehren, und es wird ziemlich allgemein angenommen, daß fie Steine, Früchte, Holzstücke und andere Gegenstände von oben herab auf ihre Gegner schleudern. Dieser Glaube entspringt wohl durchweg ungenauen Beobachtungen. Seine Anhänger und Verbreiter jahen vielleicht doch nur, was sie nach den mannigfaltigen Berichten vorausseßten, nicht, was wirklich geschah. Baumaffen brechen im übermütigen Spiele dürres Geäst ab, indem sie darauf springen, wippen und daran rütteln, aber sie werfen nicht damit nach einem etwa unten Stehenden, ebensowenig wie mit Früchten oder anderen Gegenständen, die sie vielleicht in den Händen halten und natürlich fallen lassen, wenn sie erschreckt werden und fliehen. Auch Paviane, davon ich besonders die Tschakmas zu hunderten recht oft und sorgfältig beobachten konnte, denken nicht daran, von ihren Felsenfißen mit Steinen nach Verfolgern zu werfen. Von den Stellen, wo sie sich gerade befinden, rollen und fallen zwar Felsbrocken herab, aber nur zufällig und auch dann, wenn kein Feind in Sicht ist. Denn die kräftigen Tiere wenden eifrig loses Gestein um, weil darunter allerlei Getier haust, dem sie nachstellen. Auch bei ihrem Umherklettern und lustigen Spielen, bei ihrer Flucht bringen sie- wie der Mensch, der an Berghalden herumsteigt- manche Felstrümmer aus dem Gleichgewicht, lösen die Geröllanhäufungen, die dann zu Tal prafseln; ferner ber ursachen sie dies aus reinem Mutwillen, so wie Baumaffen einen brüchigen dürren Zacken loswippen.
Bechuel- Loesche hält es demnach für gänzlich ausgeschlossen, daß Paviane werfen, überhaupt steht er den Erzählungen sehr ffeptisch gegenüber, daß Affen Gegenstände auf ihre Verfolger schleudern. So ganz aus der Luft dürften diese Berichte nicht ge= griffen sein, denn in Zoologischen Gärten habe ich wiederholt gesehen, daß Affen sich an ihren Beleidigern dadurch rächen, daß sie nach diesem mit dem ersten besten Gegenstande warfen. Im Berliner Zoologischen Garten befindet sich z. B. ein starker Magot, " Peter" genannt, der jedem Besucher, der ihn nedt, ohne weiteres mit einer Handvoll Sand begrüßt. Das ist dem Publikum so befannt, daß viele ihn nur deswegen neden, um zu sehen, wie er ärgerlich eine Handvoll Sand nimmt und sie gegen den Urheber seines Zorns schleudert. Darwin erzählt von einem Pavian einen ähnlichen Fall. Am Kap der guten Hoffnung hatte ein Offizier einen Pavian häufig genedt. Als ihn eines Sonntags das Tier zur Parade gehen jah, goß es Wasser in ein Loch und rührte rasch einen dicken Erdbrei zusammen, mit dem es den vorübergehenden Offizier geschickt bespritzte. Noch lange nachher triumphierte und freute sich der Pavian, wenn er sein Opfer sah. Ebenso hat auch Darwin gesehen, daß der Schimpanse den erst= besten Gegenstand, den er bei der Hand hat, nach einer Person wirft, die ihn beleidigt hat.
Ganz ausführlich spricht sich auch Direttor Schmidt über das Werfen der Affen bei den Schilderungen eines Orang- Utans aus. Diesem Affen wurde ein großer Spiegel in den Käfig gebracht, in dem der Orang- Utan zu seinem Erstaunen einen Genossen erblickte. Hier heißt es in dem Berichte folgendermaßen: Furchtsam trat er den Rückweg an, bald aber hatte er sich überzeugt, daß eine Gefahr nicht vorhanden sei, und er setzte sich nun vor den Spiegel hin, um sein Gegenüber zu betrachten. Daß dieses sich ebenfalls ruhig verhielt, machte ihn dreist, und bald wagte er, den vermeintlichen Feind, den er noch vor wenigen Minuten sehr gefürchtet hatte, herauszufordern. Dies geschah aber keineswegs in der tierischen Weise, wie bei anderen Affen, die in diesem Falle rückende Bewegungen machen, schreien und dergleichen, sondern er