genommen; da muß man Vorsichtig sein.., Wir sollten noch etwas warten.. Ich entrinne meinem Schicksal doch nicht!" meinte Frau Wlassow. Sie sagen doch selbst, man wird nicht gefoltert?" Dabei lachte sie. Sophie klopfte mit den Fingern auf den Tisch und de- merkte: Es ist wichtig für uns, daß in der Verbreitung der Schriften keine Unterbrechung eintritt... Sie haben doch keine Angst vor der Reise. Nilowna?" fragte sie plötzlich. Tie Mutter fühlte sich gekränkt. Wann habe ich jemals Angst gehabt? Hab' es das erste Mal auch ohne Angst getan... und nun sollte ich Plötz- lich...".Sie brachte ihre Bemerkung nicht zu Ende und senkte den Kopf. Jedesmal, wenn man sie fragte, ob sie keine Furcht hätte, ob es ihr recht wäre, dieses oder jenes zu tun, hörte sie aus solchen Fragen eine Bitte heraus; es kam ihr vor, als wenn sich die Menschen ihr gegenüber anders benähmen als untereinander. Und wenn inhaltsreiche Tage kamen, beunruhigten sie sie anfangs durch ihren schnellen Verlauf und die übermäßige Erregung, aber bald gewöhnte sie sich an die Hast, und ihr Herz, das durch die stoßweisen Eindrücke angeregt war, dürstete nach Arbeit... Eine solche Stimmung erlebte sie an diesem Tage, und um so un- angenehmer war ihr die Frage Sophies. Sie fragen mich unnötig, ob ich Angst habe..." sagte sie seufzend.«Ich habe keinen Grund dazu... Mögen die sich ängstigen, die etwas besitzen... Aber ich was habe ich denn? Rur meinen Sohn... um den habe ich Angst ge- habt... habe mich seinetwegen auch vor der Folter ge- fürchtet... und auch meinetwegen... aber wenn es keine Folter gibt nun, was bleibt dann noch übrig?" Sie sind beleidigt!" rief Sophie. Nein... aber untereinander fragen Sie nicht, ob einer Nngst hat.. Nikolai nahm schnell seine Brille ab, setzte sie wieder auf und blickte unverwandt in das Gesicht der Schwester. Das unbehagliche Schweigen beunruhigte Frau Wlassow ; sie erhob sich schuldbewußt, wollte ihnen etwas sagen; Sophie aber berührte ihre Hand und bat leise: Verzeihen Sie mir... ich werde es nicht wieder tun!" Das brachte die Mutter zum Lachen, und einige Minuten darauf sprachen alle drei eifrig und einig über die Fahrt aufs Land. -XIV. In der Dämmerung schaukelte die Mutter in einer Postkutsche auf dem vom Herbstregen aufgeweichten Wege dahin. Ein feuchter Wind wehte, der Schmutz spritzte auf, und der Kutscher, der halb umgewandt auf dem Wagenrande saß, klagte nachdenklich mit näselnder Stimme: «Ich sage zu meinem Bruder: Nu, natürlich, laß uns teilen! Und wir fingen an zu teilen." Er schlug plötzlich das linke Pferd mit der Peitsche und rief wütend: Nno! Vorwärts, verdammtes Aas!...* Fette Herbstraben schritten besorgt über die kahlen Kecker; mit kaltem Pfeifen strich der Wind über sie hin. Die Raben boten den Windstößen die Seite, der Wind blies ihr Gefieder auf, warf sie um, dann gaben sie nach und flogen mit trägen Flügelschlägen an eine andere Stelle. Na, bei der Teilung hat er mich gehörig reingelegt... Ich sehe, da ist für mich nichts mehr zu machen.. sagte der Fuhrmann...... Die Mutter hörte seine Worte wie im Traum, in ihrem 'Herzen entstanden stumme Gedanken, ihr Gedächtnis baute eine lange Reihe von Ereignissen, die sie in den letzten Jahren erlebt, und indem sie diese überdachte, sah sie überall sich selbst. Früher hatte sich das Leben irgendwo in der Ferne abgespielt, niemand wußte, wer und was es. bestimmte; jetzt ober geschah vor ihren Augen vieles mit ihrer Hülfe. Und dieser Umstand rief in ihr ein verwickeltes Gefühl von Miß- trauen und Zufriedenheit. Ratlosigkeit und stiller Trauer hervor... Alles ringsum schwankte und bewegte sich langsam: aiy Himmel zogen graue Wolken, zu den Seiten des Weges tauchten nasse Bäume auf. die ihre kahlen Wipfel schaukelten, weiteten sich ringsum Felder, traten Hügel hervor, die zer- flössen, und der ganze trübe Tag eilte gleichsam«Lwos tzexnem, Notwendrgem entgegen. (Fortsetzung folgt.)

.<* flkachdruck PuDotcft) Die Sieben Feh läf er. Bon Johannes SB. Jensen. Autorisierte Ueberfetzung aus dem Dänischen von Mens Die jüngeren Burschen von Keldby trieben sich am NeujahrS. abend im Dorfe umher und schlugen nach altem Brauch Töpfe an den Haustüren entzwei: An mehreren Türen hatten sie sich schon einfangen und traktieren') lassen, so daß sie vielleicht schon etwas angeheitert waren, als sie auf den Gedanken verfielen, demOber, Hof" einen Besuch abzustatten. Mit den Leuten dieses LZauernhofeS jenseits des Sees hatte» sie schon lange ein Hühnchen zu pflücken. Als sie nämlich im ver. gangenen Jahr auf dem Oberhof gewesen waren, um Neujahrsul! zu treiben, da hatte man sie schändlich behandelt. Sie waren damals allerdings mit einem groben Spaß gekommen, denn gerade als die Oberhofleute in weichster Heiligenabendstimmung bei ihrem Abendbrot, der süßen Grütze, saßen, wurde die 5lüchentür auf» gerissen und hinein flog ein riesiger Färbekessel voll trockener Asche und landete mitten auf dem Tische, wo er zersprang und seinen Inhalt in jeden Winkel der Stube wirbelte. Vor Husten und Empörung konnten die Oberhoflcute erst gar nicht unterscheiden, sie tasteten sich in der Aschcnwolke ängstlich vorwärts, bis sie end- lich den Ausgang fanden, und da hatten sie wirklich gar kein Ver» langen, den Burschen aufzuwarten, sie mit Speise und Trank zu bewirten, sie bewaffneten sich vielmehr mit langen Peitschen, ein jeder nahm sich einen riesigen Dreschflegel dazu, und so setzten sie den Kerlen nach, die ja natürlich, so bald sie nur den Färbe» kessel in die Stube geschmissen hatten, eiligst davongerannt waren. Die Oberhofssöhne, die rascher zu Fuß waren, als die Burschen gedacht hatten, holten die Missetäter unten am See ein und be- drängten sie so hart, daß ihnen weiter nichts übrig blieb, als ein Stück ins Wasser hinauszuwaten. Nun waren die Burschen, die am NeujahrSabend auf alles Mögliche gefaßt sein mußten, alle in ihren langen ledernen Schaftstiefeln oder in Holzschuhstiefeln, und die Oberhofssöhne waren nur in ihren Strumpfsocken und Holz» Pantoffeln, so daß sie die Burschen im See nicht erreichen konnten. Aber wie es so in ihrer Natur lag, ließen sich die Oberhofssöhne schön Zeit und blieben ein paar geschlagene Stunden am Rande des See? stehen und richteten sich recht bequem für? Warten ein. Es tvar eine bitterkalte Nacht, beinahe Froftweter, fo daß die Knechte arg zu frieren begannen da draußen, wo ihncu das SLasser hoch an den Stiefelschächten hinauf stand. Die Oberhofssöhne, just als wollten sie sich ein wenig Zer» streuung schaffen und sich warm halten, verfielen auf die Idee, mit ihren Peitschen und Knüppeln auf die Oberfläche des Waffers zu schlagen und daß SLasser zu trüben, und da der Wind vom Lande herkam, spritzte das Wasser an den Knechten hinauf und durchnäßte sie. Darüber wurden sie wütend und fluchten; aber statt Mitleid mit ihnen zu haben, holten die Oberhofssöhne große Steine und Erdklumpen, die sie, so weit es ging, ins Wasser hinaus» warfen, und es dauerte nicht mehr lange, bis die armen, bis auf die Haut durchnäßten Burschen anfingen, sich zu beklagen. Die Oberhofssöhne hatten so schön Zeit und konnten leicht bleiben, wo sie waren. Da mußten die anderen sich schon bequemen, um Ver- gleich zu betteln; seit diesen Feiertagen wurden sie dafür überall zum Narren gehalten. Nun wollten sie sich aber rächen. In der ausgelassenen Stimmung, in der sich die Knechte befanden, faßte einer von ihnen einen schändlichen Plan, dessen Ausführung sie alle miteinander in Angriff nahmen. Sie hatten eine solche Freude dran, daß sie vor Vergnügen krumme Buckel machten wie die Katev. Aber um den Spaß zu verstehen, muß man etwas besser über den Oberhof und feine Leute Bescheid wissen. Der Oberhof war ein altes, altes Bauerngut, nördlich vom Keldby-Sce, das ganz einsam auf der Anhöhe lag. Auch in früheren Jahren hatte es etwa? abseits gelegen, als noch das alte Baucrndorf, das jetzt bis auf die Spuren der kleinen, eingefriedeten Grasanger, der Kraut» gartenraine mit den Hagedornbüschcn und dem alten verkrüppelten Blumengestrüpp fast verschwunden ist. sich weiter westwärts befand. Das heutige Keldby am östlichen Seeufer ist ein ganz neumodisches Dorf, da? sich, seit die neue Landstraße angelegt wurde, immer mehr und mehr entwickelte. Die Leute auf dem Oberhof aber wollten die Erde ihrer Väter nicht verlassen, sie blieben auf dem uralten Wohnplatz sitzen und führten die alten Bräuche weiter bis in eine Zeit, die sie nicht mehr verstand. Sie hatten ja immer für sich gewohnt und fühlten sich weder durch die Unruhe auf der neuen Landstraße, noch durch die vielen verstiegenen Ideen d«L modernen Keldby in Versuchung geführt. Der Obcrhofbauer war übrigens ein sehr wohlhabender Mann. Die Schläfrigkeit der Leute und die unbeschreibliche Langsamkeit auf dem Oberhof war fast sprichwörtlich geworden. Wo nur irgend Gelegenheit zum Schlafen sich finden ließ, wurde sicher geschlafen. Da diele Söhne und Töchter in der Familie waren, wurde kein Gesinde gehalten; sie brauchten daher auch nur auf sich selbst Rücksicht zu nehmen. TaS war ein ewiges Gähnen und schneckenhaftes Dahinschleichen. wenn etwas getan werden mußte. Unter der Mütze sah ihnen stets Bettstroh und gedrrflaum >) Die jütlänbischen Bauern geben bei dieser Gelegenheit Branntwein und Kuchen zum Besten..(Anw. d. lleberfttzer»),