„Wie Hai der Kommissar ihn geschlagen!... Ich standdicht dabei, ich Hab es gesehen... Alle Zähne sind ihm aus-gebröckelt... Er spuckt Blut und das ist ganz dick unddunkel I... Augen hat er gar nicht mehr, ja— a. Er istTeerbrenner... Der Wachtmeister liegt da bei uns...ganz betrunken und will immer noch Branntwein haben...Er sagt, da war eine ganze Bande... und dieser mit demBart, das war der Erste... Der Hetman, heißt das...Drei haben sie gefaßt, aber einer ist weggelaufen... Dannhaben sie auch noch einen Lehrer abgefaßt, ja— a!... Derist auch mit dabei... Sie glauben nicht an Gott und über-reden andere... daß sie alle Kirchen plündern... SolcheLeute sind dasl Aber unseren Bauern hat der Mann leidgetan: andere sagen— man müßte ihn tot machen I... Wirhaben so böse Bauern— o weh!..Die Mutter hörte der unzusammenhängenden, schnellenErzählung aufmerksam zu und bemühte sich, dadurch ihreUnruhe zu unterdrücken und das schmerzhafte, erwartungs-volle Gefühl zu zerstreuen. Das kleine Mädchen aber freutesich wahrscheinlich darüber, daß man sie anhörte und schwatzte-mit immer größerer Lebhaftigkeit, indem sie die Worte fastverschluckte, mit gedämpfter Stimme:„Papa sagt, das kommt alles daher, daß nichts wächst!Unser Land trägt schon zwei Jahre nicht, alle Leute sind ganzmatt... davon sind die Bauern so böse— o weh! Sieschreien in der Versammlung und hauen sich... Neulich alsbei Waßjukow wegen Steuern Sachen verkauft wurden, wiehat er da den Dorfältesten ins Gesicht gehauen.„Da hastDu meine Steuern," sagte er..."Vor der Tür ertönten schwere Schritte. Die Mutterstützte die Hände auf den Tisch und erhob sich....Der blauäugige Bauer trat ein und fragte, ohne dieMütze abzunehmen:„Wo ist das Gepäck?"Er hob den Koffer leicht auf, schüttelte ihn und sagte:„Ist leer!... Marjka, bring die Fremde nach meinerHütte."Und ging fort, ohne sich umzusehen.(Fortsetzung folgt.)(Nachdruck verboten.)Von Saloniki nack I�onftanrinopel.In einem stahlblauen Glänze liegt das Meer. Goldene Lichtertanzen auf seinem Spiegel. Ein leichter Wind hat eingesetzt.Seewärts weht er. Der kräuselt die Wasser zu feinen Wellchen,daß sie der Mole zutanzen und mit taktmäßigem Klatschen an dieSteindämme plätschern. Ein Wiegen und Schaukeln geht durchdie Barken und kleinen Schiffe. Die großen Segler aber undDampfer liegen ganz still. Ihnen können diese Wellen nichts an-haben, die in weißen Spritzern an ihrem braunen Gebälk empor-zuklimmen suchen.Vom Bord des Schiffes ein letzter Blick auf die Stadt. Inweitem Bogen baut sich das alte Thessalonich um seinen Hafen.Hinter Bejaskule, dem weißen Turm, grüßt die VillenstadtKalamaria, wo die Giaurs wohnen, die Leute aus Frankistan.Amphitheatralisch klettern die Häuser hügelan. Ucber brauneDächer und über die schlanken Minarets weißer Moscheen schautgrau und verwettcrt die Zitadelle. Sie wacht über dem Häuser-gewirr, in dessen Gassen und Gäßchen sich ein grelles Sonnen-leuchten schluiegt, und sie wacht über dem Meere, das hier Einlaßgewährt in das mazeSomfdie Land.Ein taktmäßiges Stamofcn durchzittert das Schiff, das ge-Wendet hat uno in langsamer Fahrt ae.S dem Hafen heraus-gleitct. Der Leuchtturm liegt h'uter uns. Kleiner und kleinerwerden die Häuser und die im Hafen verankerten Schiffe. Einesnach dem anderen verschwindet, lus jhließlich auch, als letztes, dieZitadelle hinter dem Horizont versinkt.Die Bucht von Saloniki ist verschwunden. Eine Landzungehat sich breit ins- Meer geschoben. Ihr gegenüber dehnt sich ödesSumpfland— das Deltagebict des Wardarstromes. Dann aberöffnet sich das Meer, das Agäische Meer, das in diesem Teile aufmanchen Karten auch die Bezeichnung eines Golfes von Salonikiführt. Gen Osten schiebt die Halbinsel Chalchidice die eine ihrerdrei Zacken: die Landzunge Kassandra. Gen Westen, dort wo dasTürkenrcich an das Land der Hellenen grenzt, ragt der alteGdtterberg Olymp. Und gen Süden funkelt in einem blauenStahlglanze das Meer.Kein Lüftchen bewegt hier draußen den Sommertag. Ineinem tiefen Blau wölbt sich der Himmel. Ein Lichtnebel dampftüber dem Wellenglitzern des Meeres. Ruhig gleitet das Schiff.Ein paar Möwen flattern landeinwärts am Horizont. WeißeSeael tauchen auf und verschwinden. Delphine tummeln sich inlustigen Sprüngen. Leise plätschern die Wogen. Mit hellenArmen tauchen sie aus der �dunkelblauen Flut empor und wieweißes Spitzengeriesel umschmiegen sie die braunen Planken, diesie gurgelnd durchschneiden.Wie ein Riese steht der Olymp. Schnee und Eis decken seinHaupt. Gletscher haben seinen zackigen Gipfel durchfurcht. Blei»graues Gewölk hüllt seine Schultern. Ein tiefer Einschnitt—das Tal Tempe— trennt ihn von dem ihm fast ebenbürtigenOssa, der Wewer gen Süden in den Pelion übergeht. Eine ge-waltige, himmelstarrende Mauer ragen die drei Berge. Ihrgelbliches Grau verschwimmt am Horizont. Und doch bleiben siesichtbar, stundenlang sichtbar: eine graue Wand, aufgebaut übereinem stahlblauen Meer und unter einem sonnengoldüberflirrtentiefblauen Himmel...Dann tauchen im Süden ein paar Inseln auf. Rote Kuppenmit spärlichem Graswuchs. Sie sind die nördlichsten Vorpostender Sporaden: Psatura, Giura, Palagonisi, Chiliodromia undPiperi. Segler kreuzen zwischen ihnen und weiße Wellenkämmeerzählen von einer Brandung an Klippen und Riffe. Im Nordenhat die Halbinsel Chalchidice ihre zweite Landzunge, Longos, insMeer geschoben. Zwischen Kap Patiuri und Kap Drepanon weitetsich nun tief und blau der Golf von Kassandra. Das Schiff gleitetan ihm vorüber. Der Golf von Hagion Oros tut sich auf, von dergleichnamigen Landzunge im Osten begrenzt, die auf ihrer süd-lichsten Spitze den Berg Athos trägt.(Gärten umgürten den Fuß dieses Felsenriesen. Ein dunklesGrün schimmert vom Land hinüber, wo der Süden alle seineWunder und Herrlichkeiten ausgeschüttet hat. Haineklettern den grauen Fels hinan. Dächer grüßen und Türmewinken. Um bröckelnde Mauern schlingen sich Ranken in wunder-lichem Geäder. Klöster haben sich auf den Hängen breitgemacht.Und oben auf dem Gipfel des Riesen ragt, halb von Wolken ver-hüllt, halb von der Sonne umgoldet, das Kloster der VerklärungChristi.Dieser Berg mit seinen Hainen und Häusern, Gärten undKlöstern ist der Sitz einer Mönchsrepublik, wie sie zurzeit wohleinzig in der Welt dasteht. 20 Klöster, 11 Skiten(Mönchsdörfer) �250 Zellen und 150 Einsiedeleien haben hier ihren Platz gefunden.Diese Institute gehören durchgehend der griechischen Kirche an;sie sollen insgesamt mehr denn 3000 Mönchen und LaienbrüdernAufenthalt bieten. Nichts Weibliches darf dieser heilige Bezirk be-verbergen: keine Frau, keine Stute, keine Kuh. keine Ziege, keine.Hündin, keine Henne. Wer sich in die Wohnstätten auf demBerge Athos zurückgezogen hat, muß abgeschlossen haben mit demLeben und den Rest seiner Tage in völliger Abgeschiedenheit ver-bringen.Und je tiefer die Sonne sinkt, desto höher wächst der Bergaus dem Meer hervor. Die Wolkenkrone, die die Strahlen desAbends übergolden, weicht nicht von seinem Haupt: so stander still und grau und starr im Osten, als das rote Vulkangesteinder Insel Lemnos näher und näher kam. So stand er noch immer,als die Pyramide des Phengari auf Samothrake matt aus demNorden herüberblinkte und als die Insel Jmbros breit und braunaus der schwarzblauen Flut herauswuchs.Dann kam die Nacht. Himmel und Wasser schienen einsgeworden. Wo ein Land ausstieg, da zeichnete es sich noch umeine Nuance tiefer von dem dunklen Hintergrunde ab. Bis dieSterne aufleuchteten und mit ihrem Goldgeflimmer den letztenmilchiggrauen Dunst des Abends fortwischten. Ruhig und klarstrahlten sie vom Himmel. Goldene Lichter tropften sie in dasdunkle Meer, welches dieses Leuchten gierig verschlang, daß auch inihm ein Glanz erzitterte von all den Sternenfunken, die auf seinenSpiegel gefallen...Und das Schiff fand seinen Weg durch Nacht und Sternen-blinken, bis der Morgen kam. Mit goldrotcn Flügeln hatte densich hinter den Uferbergen Kleinasiens erhoben und war über dieDardanellen hinübergeflogen zum Hellespont und zum Festlandeder Balkanhalbinsel. Die Dardanellen hatte unser Schiff schonso ziemlich durchmessen, als der junge Tag kam. Schlösser undForts grüßten wohl noch von beiden Seiten, aber schon warGalipoli auf der europäischen und Lapsaki an der asiatischen Seitean uns vorübergeglitten. Das Kap Kara Burun wies bereitsauf das Marmarameer hinaus.Die Türken auf dem Schiffe wurden lebendig. Hatten siebisher die Reise mit Schlaf, Essen und Träumen ausgefüllt, sobeginnt jetzt ein allgemeines Packen. Die Teppiche und Deckenwerden zusammengerollt, das Eßgeschirr wird verstaut. DieFrauen ziehen den Schleier tiefer über das Gesicht und die Kinderwerden mit Wasser, Kamm und Bürste einer, gründlichen Reini»gung unterzogen.Es geht Stambul näher und näher. Die Insel Marmara, dieden Golf von Artaki vom eigentlichen Marmarameer abgrenzt,gleitet vorüber. Im schmalen Meeresarm zwischen Asien undEuropa stampft das Schiff. Blau und goldübersonnt liegt wiederdas Meer. Im Norden wie im Süden verschwimmen die Küstenim Lichtnebel. Segler kreuzen unseren Weg. Dampfer kommenund gehen. Dann treten die Ufer näher und näher aneinander.Ein felsiges Jnselchen, Katolimni, reckt sich im Süden aus demWasser, und über die asiatischen Uferberge hebt grau und ge»bieterisch der bithynische Olymp sein schneegekröntes Haupt.