sich später einmal Gelegenheit, von der Ausgestaliung der Brut-pflege, ihrem Liebcsleben und manchen anderen Eigentümlichkeitenzu sprechen.Welche große Rolle der Altweibersommer im Volksglauben derfrüheren Zeiten spielte, das zeigen am besten die zahlreichenNamen, welche ihm in allen Ländern und Gegenden beigelegtwurden: Sommerflug, fliegender Sommer, Mariengarn, Herbst-faden, Graswcbe, Mädchensommer oder Flugsommer sind nureinige wenige der geläufigsten Bezeichnungen des deutschen Volks-mundes. Fast unzählig sind auch die Mythen und Sagen, welchesich an sein Erscheinen knüpfen. Während die christliche Zeit dasMariengarn mit Gott und der heiligen Jungfrau in Verbindungbrachte, glaubten die heidnischen Germanen, daß kunstfertige Licht-elben aus der Gefolgschaft von Freya und Frigg zu nächtlicherStunde die silbernen Fäden des Herbstes fertigten,Kleines Feuilleton.Musik.„Madame Butterfl y". Exotisches hat in der Kunstwohl immer Aussicht auf günstige Wirkung, gegenüber den unsgeläufigen komplizierten Verhältnissen findet oder vermutet mandort primitivere. Namentlich denken wir uns jene ferneren Völkermit einfacheren, elementareren und darum auch mächtigeren, groß-zügigeren Gefühlen und Leidenschaften und Affekten. So hat sichdenn auch Japan schon seit längerem dazu hergeben müssen, dieTheaterkassen zu füllen. Bei diesem Volke kommt noch jenes Zier-liche hinzu, das den darstellenden Künstlern Gelegenheit zur Ent-faltung von Grazie mit sehr vielen Stichen ins Komische gibt.In diese kunsthistorische Linie der„Japonerien" gehört auchdie Oper hinein, die wir letzten Freitag im Königl. Opernhausezu sehen bekamen. Der ursprüngliche Titel ist„MadameButterfly", und er wurde auch diesmal beibehalten anstelleder allerdings gräßlichen Uebersetzung„Die kleine Frau Schmctter-ling".— Der Text wird als„Tragödie einer. Japanerin" be-zeichnet und stammt von zwei bewährten italienischen Textdichtern,L. I l l»c a und G. G i a c o s a, die wiederum„n a ch" zwei anderengearbeitet haben.Die Inhaltsangabe wird uns gleich zeigen, daß es sich wenigerum ein Drama, als um ein Stimmungsbild handelt: In Nagasaki,und zwar zu unserer Zeit, heiratet ein amerikanischer Marine-leutnant jene kleine Japanerin, deren Spitzname eben„Schmettcr-ling" ist. Die Szene, wie sie vor ihm ankommt, mit ihren Diene-rinnen und Verwandten, ist recht gut angelegt(und auch musikalischreich verwertet� Dann kommt ein Onkel Boiize und verflucht siewegen des Abfalles vom alten Glauben; die't-ippe zieht sich vonihr zurück, und sie bleibt mit ihrem jungen Mann in glühenderFreude allein. Er reist heim und will zurückkehren„in dem holdenMonat, wo leis' im Neste Jungrotkehlchen zwitschern". Schon drei-mal ist dieser„holde Monat" vorübergegangen, aber noch immerwartet unser„Schmetterling". Wieder hört sie ein Schiff konimen,und sie macht Löcher in die Papiertürc ihres Zimmers, drei Löcher,damit sie und ihr Kindchen und die Dienerin hinausspähcn können.Die ganze Nacht steht sie dort. Der Morgen bringt wirklich denErsehnten, aber mit einer neuen Gattin. Da nimmt sie das Messer,das schon ihr Vater vom Kaiser zum Bauchaufschlitzen bekommenhat, und scheidet aus dem Leben. Das Textbuch schreibt vor,daß sie ihr Kind vorher hinausschickt. Auf unserer Bühne bekamenwir eine ganz gemeine Theaterszene: sie verbindet dem Kinde dieAugen und gibt ihm ein kleines Sternenbanner in die Hand,damit das Kind dieses Fähnchen solange schwenkt, bis die Muttertot ist....Die Musik hat GiacomoPuccini komponiert. Wir kennendiesen Komponisten.(geb. 1858) am günstigsten aus seinem Haupt-werke„Die Boheme". Ebenso wie die auch uns bekannt gewordenenOpern„Manon Lescaut" und„Tosca" steht„Madame Butterfly"hinter dem erstgenannten zurück. Allein es ist eine ehrliche Musikim besten Sinne des Wortes, und wir freuen uns, die erste deutscheAufführung erlebt zu haben, nachdem die italienische zu Mailand1M4 herausgekommen war.Der Komponist ist sympathischer als der hoffähig gewordeneLeoncavallo, und er hat bei dieser Aufführung auch keine höfischeHinaufsteigerung bekommen. Seine Musik zeichnet sich hier vorallem durch feine Charakterisierung aus. Doch trifft diese /Hör-wiegend nur die weichen und schwülen Gefühle, das sonnige Glück,die verhaltene Stimmung, das japanische Trippeln und dergleichen.Die Musik zerfällt nicht in sogenannte„Nummern", enthältaber sehr viel Melodiöses und wenig eigentlich Nezitativisches, dasjedoch dann auch wirklich Eindruck macht. Ein häufiges Abwärts-gehen der Tonfolgen trägt zum Ausdrucke der verhaltenen Stim-mung gut bei. Das Trägische wird im Anfang nur durch kleineUnterbrechungen der sonst fast oppcrettenhaft heiteren Musik an-gedeutet. Von da an geht es in einer Steigerung vorwärts, dieallein schon künstlerisch viel bedeutet und noch dadurch gehobenwird, daß sie sich so gut wie niemals auf etwas Derbes ein-läßt. Dazu nun eine wirklich geschmackvolle Verwendung derKlangfarben des Orchesters, die ergänzt sind durch zwei Harfenlowie durch Glockenspiel und Klavier. Namentlich die vorsichtigeAuswahl, mit welcher d« Komponist Gruppen von Klangfarbenverwertet, bis er erst in gewaltigeren Momenten mit der vollenbunten Glut kommt, zumal an triumphierenden Stellen von Mutter»glück, ist aller Ehren wert.Mit dem vielberufenen„Mikado" braucht man diese Leistunggar nicht erst zu vergleichen. Vielleicht hätte die Regie noch vor-sichtiger im Vermeiden des Operettenhaften sein können. Imübrigen leistet auch sie Geschmackvolles. Hinter unserem Theater-Vorhang geht ein japanisch bemalter Vorhang nach den Seitenauseinander, und es zeigt sich dadurch, wie leicht und schön sichdas plumpe Auf- und Abrollen des Vorhanges vermeiden läßt. Derletzte Teil des Stückes spielt in einem japanischen Zimmer, dasin gut zutreffender Weise als eine größere Mittelbühne her-gerichtet ist.Bei solcher Ausstattung ist ein Mißerfolg bereits unwahrschein-lich. Tatsächlich wurde denn auch die Neuheit zwar nicht mitstürmischem, aber mit starkem Erfolg aufgenommen, der allerdingsden Darstellern erst recht gelten wollte. Nach unserem Gefühlegab der Baryton H o f f m a n n in der Rolle des vermittelndenFreundes jenes losen Gatten mindestens gesanglich die besteLeistung des Abends. Schauspielerisch war das Beste wohldie Darstellung der Titelrolle durch Fräulein Farrar: sie machtediese wahrlich nicht naturalistische Figur durchaus glaubhaft, undihre ein wenig harte Stimme wurde gut charakteristisch verwertet.Mit einem etwas weicheren und wärmeren Ton gab FräuleinRothauser die Dienerin des„Schmetterlings". Unser neuerTenor Herr Maclennan erfreut durch einen der kräftigstenTenors— mehr wuchtig als zart. Auch Herrn Gricswoldlernten wir in der Baßrolle des Bonzen neu und günstig kennen.Aus der bewährten Garde sei die wohlgearbeitete Leistung vonHerrn L i e b a n hervorgehoben.— Daß unser treffliches Orchestersich unter der Direktion von Leo Blech wieder gut bewährte,hedarf wohl keines Verweilens. se.Schubert und L or h i n g.„Mitten im Schimmer de?spiegelnden Wellen Gleitet, wie Schwäne, der schwankende Kahn."Die Zuhörer des Schubert-Abends, den der BerlinerVolks-Chor im Mozartsaale gab, konnten nicht nur sich ander Vertonung dieser Verse freuen, sondern auch an ihnen selbstetwas wie eine Charakteristik der beiden Komponisten haben» dieuns gerade in den letzten Tagen besonders beschäftigten. In derTat erweckt uns die Musik der beiden einen solchen Eindruck deswohligen Dahingleitcus über spiegelnde Wellen. Wir klettern danicht über die steilsten Bergeszacken; wir bleiben in der Ebene.aber in einer, die voller Schönheiten ist. Allerdings gibt es damanche ermüdende Breite; und ein Lortzing erhebt sich da oft genugzur höchsten dramatischen Größe, verlangt aber doch auch manchmaleine Zufriedenheit mit gewöhnlichem Singsang und traditionellenWendungen.Unser Lo r tz i n g- T h e'a t e r hat in diesem Sommer böse Stun»den gehabt. Nun ersteht es wieder aus seinew finanziellen Schutt;und Direktor Max Garrison sorgt nicht nur für irdischenErfolg, sondern auch für künstlerische Höhe. Besonders bezeichnendist dafür dies, daß er sich u. a. zweier Sänger versichert hat, derenWesen beträchtlich über allem Komödiantenniveau steht. Wirmeinen den Tenor W. v. Haxthausen und den BarytonDr. R. Pröll; der erstcre früher am Tcheater des Westens, derletztere bisher an der„Komischen Oper" tätig, an der sich seinKönnen allzuwenig entfalten konnte. Schon diese beiden Künstlermachten die U n d i n e, mit welcher Oper das Lortzing-Thcate»am vergangenen Sonnabend wicdereröffnet wurde, genußreich.Es ist von einem eigenen Reiz, zu sehen, wie Herr Pröll denWasscrfürst Kühleborn so darstellt, daß die vielen Seiten diesesGliedes der Geistcrwelt zur Geltung kommen: der elegante Geist,der Bonvivant des Nixenreiches, der Freund eines irdischen Zechers,und vor allem der gefühlstiefe und klug � besorgte VaterUndincns. Daß bei dieser Kombination dem Künstler noch einpaar Spuren von Pathos des Theaters bleiben, oder daß die höherenTöne auf schwierigen Vokalen nicht so mächtig herauskommen wiedie übrigen Töne, mit denen er gleichsam als der übermächtigeGeisterfürst die irdische Welt in Grund und Boden singt: derleikritische Gedanken zeugen viel eher für als gegen den Künstler. Inder Titelrolle war Fräulein W. N e ß l e r für eine Kollegin rascheingesprungen: wir freuten Uns, wenigstens eine sehr gute Sängerinkennen zu lernen.Schönen Gesang gab es auch an dem Schubert-Abcnd. BeiFräulein Bremer, einem dunkel gefärbten Mezzosopran, sitzendie Töne so gut und fest, daß dadurch allein schon der Eindruckeiner das Publikum packenden Wärme erzeugt wird. In ähnlicherWeise erfreute uns der Baryton N e u m a n n;»nd auch FräuleinBisch off hat sich bereits ein gutes Stück der Gcsangstcchnikangeeignet. Ganz besonders verdienstlich aber war es, daß derLeiter des Berliner Volks-Chores uns mit einem der bedeutendstenChorwerke Schuberts bekannt gemacht hat. Er hatte auch sehr recht,darauf hinzuweisen, daß„Mirjams Siegesgesang", kaum ein Jahrvor dem Tode des Komponisten erstanden, keineswegs ein Still-stehen der Kraft seines Schöpfers verrät. Hat doch Schubert kurzvor seinem Lebensende beabsichtigt, noch weitere Studien in derKompositionstechnik zu machen! Und dazu liegen ja seine Ver»dienstc gar nicht einmal nur in der Schaffung und bedeutendstenVertretung des deutschen Sololiedes(woran selbst seine noch reckt