Der Komponist ist längst anerkannt als der wofjl beste Klavier­spieler unserer Zeit und hat sich allmählich als Komponist einen ehrenvollen Namen zumal bei den anspruchsvolleren Fachleuten geschaffen. Wir kennen seine Kompositionen bereits als hoch- achtbare Feinstücke, mehr epischer und lyrischer als dramatischer Art. Auch diesmal kommt man aus der Bewunderung des vielen echten Goldes in seinem Werke nicht heraus. Nur ist das Gold manchmal zu recht dünnen Fäd:n ausgezogen, die Gesamtarbeit mehr Filigran als massiv, und das ganze Werk mehr eine An- einanderreihung von köstlichen kleinen Schmuckstücken, als ein ein- heitliches großes Gebäude. Selbst die Verkettung der Schmuckstücke ist nicht immer gut geschlossen: der Komponist wirst uns häufig durch scharf geschnittene Ilcbcrgänge aus dem Einen ins Andere. den deklamatorischen Ausdruck beherrscht er in einer meisterhaften Weise, vom trockensten Rezitativ an bis zum farbenreichsten Ton- gefüge, von zartester Stimmung lzumal im Hochland) bis zum er- regtesten Aufschrei. Den geschlosseneren Formen weicht er so gut wie ganz aus: fast immer ist es ganz eigentlich dialogische Arbeit, was er schafft kaum hie und da ein Anlauf zu einem Duett, und nichts weniger als eigentliche Chöre. Auch die Steigerung in großen Linien ist nicht seine Sache. Wo es aber gilt, die feinsten Gefühle leise anzudeuten, wie in dem so ganz effcktlosen Schlüsse des ersten Aktes mit dem glücklich einschlafenden Pedro, dort kann der Musikfreund nur m it lebhafter Dankbarkeit zu einem Künstler emporsehen, der im übrigen der Dramatischen Kunst schließlich doch so kindlich naiv gegenübersteht, wie sein Pedro dem Weibe. Das Werk hatte anfangs drei Akte und ist jetzt auf ein Vor- spiel und zwei Akte verkürzt, aber doch immer noch voll von er- zählenden und gefühlsmalenden Breiten. Das war es freilich nicht allein, was den äußeren Erfolg bei der Berliner   Erstaufführung zu einem etwas gezwungenen machte. Diese Eigentümlichkeit merkte man namentlich nach dem künstlerisch so hochstehenden ersten Aktschluß. Gegen Ende, wo der Autor so recht die Geister oder Ungeister einerCavalleria Rusticana  " beschwört, und wo auf der Bühne die Wütenden nur so herumfliegen, da wurde das Publikum enthusiasmiert genug. Die Aufführung hielt sich diesmal etwas freier als sonst von den gröblichsten Naturalismen derKomischen Oper". Dazu kamen eine vorzügliche Einstudierung sowie eine Reihe von guten Gesangsleistungen, die wir am besten ohne Unter- schcidung der individuellen Nuancen achtungsvoll quittieren, sz. Technisches. Der elektrische Dirigent. DaS elektrische Licht hat heute längst eine vielseitige Verwendung gefunden. Es gibt wohl ckeine moderne Fabrik, kein größeres Geschäftshaus, welches nicht durch Glühlampen oder Bogenlampen beleuchtet wird. Auch die Theaterbeleuchtung hat in dieser Beziehung große Fortschritte gemacht. Der Zuschauerraum eines jeden neu eingerichteten Theaters wird durch Glühbirnen erleuchtet: um auf der Bühne die nötigen Beleuchtungseffekte zu erzielen, ordnet man vorn, seitwärts und oberhalb der Bühne reihenweise Glühlampen in verschiedenen Farben an. Eine Kuriosität ist es wohl aber, daß auch der Dirigent mit elektrischen Apparaten gewissermaßen arbeiten kann. Bekanntlich hat in Opern oft der Chor hinter der Bühne zu singen, man denke nur an Wagner-Opern, den Pilgerchor im Tannhäuser  ", den Brautchor imLohengrin  " usw. Damit die künstlerische Aufgabe voll gelöst werden kann, muß der Chor genau den Takt innehalten, wie das Orchester vor der Bühne, obwohl für das Chorpersonal der Dirigent unsichtbar ist. Da hat nun die Elektrotechnik ein sehr einfaches Mittel der Verständigung zwischen Dirigent und Chorpersonal gefunden. Hinter der Bühne werden größere viereckige Laternen auf- gestellt, deren vorderste dem Beschauer zugekehrte Glasplatten aus 4 Feldern bestehen. Diese 4 Felder sind mit weithin sichtbaren Nummern 1 4 beschrieben und hängt hinter jedem Feld in einem geschlossenen Kasten eine Glühlampe. In der Nähe des Dirigenten liegt nun auf dem Pult eines Musikers eine kleine Holzleiste (Tableau) mit 4 Tasten, ähnlich den Tasten einer Klaviatur. Jede der 4 Glühlampen ist im elektrischen Stromkreis mit je einer Taste derart verbunden, daß, wenn auf eine Taste gedrückt wird, die ent- sprechende Lampe aufblitzt und die Zahl auf dem Laternenglas für einen Moment aufleuchtet. Zur Kontrolle steht neben der Klaviatur ein kleines elektrisches Pendel eingeschaltet, welches in dem gleichen Temp» mitpendelt, wie der Strom jedes Mal durch ein Aufdrücken auf die Taste geschlossen wird. Angenommen, es wirdTannhäuser  " gespielt. Im ersten Akt haben die Pilger hinter der Bühne den Pilgerchor anzustimmen, über die Bühne zu schreiten und auf der anderen Seite wieder abzutreten. Die Choristen stehen nun hinter e�ner Kulisse und blicken erwartungsvoll auf die Laterne. Mit einem Male blitzt eine Lampe auf zum Zeichen, daß gleich der Gesang einzusetzen hat, dann erhellt sich noch einmal Nummer 4 und jetzt mit dem Aufblitzen von Nummer 1 fängt leise der Chor zu intonieren an. Der regelmäßige Wechsel der Nummern gibt den Takt, bis die Sänger den Taktstock des Dirigenten selbst sehen können. Ernst und feierlich schreitet der Zug über die Bühne, die herrlichen Akkorde der Wagnermusik durchfluten den weiten Raum und der Zuschauer, der sich ganz dem gebotenen Kunstgenuß hingibt, ahnt glücklicherweise nicht, mit welchen doch recht nüchternen Mitteln dies alles erzielt wird. Humoristisches. Humor des Auslande». Dankbarkeit. Ein Leutnant eines in Afrika   stationierten Regiments war auf der Jagd. Er hatte keine Furcht, zögerte aber doch aus gewissen Gründen, die große, sich ihm nähernde Löwin zu schießen. Näher und immer näher kam sie und hinkte. Der gut- mutige Soldat zog den Dorn, den er in ihrem Fuße sah, heraus, und sie hinkte dankbar fort. Und der Soldat vergaß den Vorfall. Nicht aber die Löwin. Sie kehrte in der folgenden Nacht zurück und fraß jeden Offizier auf, der im Range höher stand, als der Leutnant, so daß dieser infolge ihrer praktischen Dankbarkeit zum Obersten avancierte. l»P i ck me u p'.) Sie:Glauben Sie, daß das Haarfärben schädlich für den Verstand ist?" Er:Wer sich das Haar färbt, hat überhaupt keinen Verstand, der beschädigt werden könnte." (Jllustrated Bit?".) Notizen. Im Neuen Schauspielhause wurde am Mittwoch zum ersten Male Hebbels kraftgenialisches DramaJudith" auf- geführt. Der Prozeß der Geschlechter, der schon in diesem ersten kühnen und kraftvollen Wurfe mit tiefbohrcnder Psychologie durchgeführt wird, kam durch Gertrud A r.n o l d(Judith) und HanS S i e b e r t(Holofernes) zur Darstellung. Da am Sonntag vor den Mitgliedern der Freien VolksbühneJudith" wiederholt wird, er- sparen wir uns die ausführliche Besprechung bis dahin. Deutsches Theater  . Die für Freitag angesetzte Auf- führung von ShakespearesWas ihr wollt" ist auf Donnerstag, den 17. d. M. verschoben worden. Das w a h r e G e s i ch t", das neue Drama von Max Halbe  , das in polnischer Zeit in Danzig   spielt, erlebte seine Ur- aufführung im Hamburger   Deutschen   Schauspielhause. Ein voller künstlerischer Erfolg, der dem gehetzten Dichter zu wünschen wäre, scheint es wieder nicht gewesen zu sein. Freiligrath   soll in seinem Heimatlande in Soest   ein Denkmal errichtet werden, das man zu seinem lOOjährigen Geburts­tage zu enthüllen hofft. Ei« biologischer Unterricht foll nach einem Erlasse des preußischen Kultusministers in den oberen Klassen der höheren Lehranstalten eingeführt werden. Die Prnfungsvorschriften für die Lehramtskandidaten werden dementsprechend geändert. Wenn der Unter- richt im Sinne des Prof. Reinke gehalten sein wird und dessen mystische Zweckgedanken einschmuggelt, ist der kleine Fortschritt ziveifel- los zu begrüßen. Aber gleichzeitig ist die Mehrung und Vertiefung des naturwissenschaftlichen Unterrichts für die Vollsschule mit Nachdruck zu verlangen. Indes ist von der Erfüllung dieser Forderung nichts zu sehen. Die Klassen- Pädagogik kann zwar den höheren Schülern eine bessere naturwissenschaftliche Bildung nicht mehr versagen, aber für das übrige Volk sollen Bibel und Gesangbuch immer noch die Welt- anschauung liefern. Der Schöpfungsmythus der Bibel paßt auch besser zu den Geschichtslegenden, die in der Volksschule eingetrichtert werden. Wer hat das erste Dampfschiff gebaut? In Nr. 186 derU. B.  " war des doppelten Jubiläums gedacht worden, das in diesem Jahre das Dampsschiff feiert. Indes ist der Ruhm Pap ins, der vor 20V Jahren zuyr erstenmal mit einem Dampfboot gefahren sein soll, nicht unbestritten. Speziol- forscher wie Gerland nehmen an, daß es nur ein mit der Hand getriebenes Ruderrad gewesen sei, mit dem Papin experimentiert habe und berufen sich auf einen Brief Papins an Leibniz vom 13. März 1704, in dem hiervon die Rede ist, ob Papin allerdings nach 1704 nicht doch die Dampfkraft benutzt habe, ist damit freilich nicht unbedingt bewiesen. Bei den Ver- suchen des Spaniers G a r a y, der im 16. Jahrhundert bereits ein Schiff mit Dampstraft bewegt haben sollte, handelte es sich dagegen wohl zweifellos pur um Schaufelräder, die mit der Hand gedreht wurden. Die Macht des Gesanges. Der Bremer   Lehrer- Gesangverein hat in Paris   deutsche Lieder gesungen. Ueber den Eindruck, den er bannt auf französische   Hörer gemacht hat, berichtet ein Bremer   Blatt: Wir lächeln vielleicht daheim, weim auf irgend einer kleinen Festlichkeit in einer pathetischen Festrede das Wort von der Macht des deutschen Liedes unser Ohr trifft, das im nächsten Augenblick ein fades Liedertafellied Lügen straft. Aber hier hat es die Herzen im Grunde erschüttert: und man sucht nicht lange nach Gründen, wenn man sieht, wie Männern, die sonst hart und stark im Leben stehen, große blanke Tränen in die Augen treten: und wenn man sieht, wie französische   Offiziere ich weiß in diesem Augenblick keine größere Niedertracht, als noch das Wort vom Erbfeinde in unserem Sprachschatz zu führen, wie diese Männer, die mit Bewußtsein eine Jahrtausende alte Kultur ver­walten und darauf stolz sind, ihrer Anerkennung spontanen Ausdruck geben, weil das deutsche Lied sie gepackt hat. Verantwortl. Redakteur: Hans Weber. Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VcrlagsanstaltPaulSinger SiCo.. Berlin   LlV.