—< fangmsmauei fcüon... Wenn Sie aber gefragt tverden, was sie dort tun�" Tie Mutter erwiderte froh und zuversichtlich: vSch werde schon eine Antwort finden!" „Vergessen Sie nicht, daß die Gefängnisausseher Sie kennen I" sagte Sascha.„Und wenn die sie dort sehen... „Sie werden mich nicht sehen!" gab die Mutter zurück. In ihrer Brust flammte schmerzhaft hell die Hoffnung auf, die die ganze Zeit über unmerklich geschwehlt hatte und belebte sie.... „Vielleicht wird er... doch.. dachte sie, sich schnell ankleidend. Eine Stunde später befand sich die Mutter auf dem Felde hinter dem Gefängnis. Scharfer Wind flog um sie herum, blähte ihr Kleid ans, schlug auf den gefrorenen Boden. schüttelte den baufälligen Zaun, an dem sie vorüberging und stürzte sich mit einem Schwung über die nicht sehr hohe Ge- fängnismauer. An der Mauer brach er sich, warf dann Ge- schrei vom Hofe in die Höhe, zerstreute es in der Luft und trug es himmelan. Dort liefen geschwinde Wolken und er- öffneten kleine Durchblicke auf die blaue Höhe. Hinter der Mutter lag. die Stadt, vor ihr der Kirchhof Und rechts in einer Entfernung von zehn Faden, das Gefängnis. Beim Kirchhof ließ ein Soldat sein Pferd an der Longe laufen, ein anderer, der neben ihn« stand, stampfte mit den Füßen laut auf die Erde, pfiff und lachte... Sonst war niemand beim Gefängnis. Einem unerklärlichen Instinkt nachgebend, schritt die Mutter direkt auf die Soldaten zu, ging nahe heran und rief: „Leute! Habt Ihr nicht gesehen, ist hier nicht eine Ziege vorbei gelaufen?" Einer von ihnen antwortete: „Wir haben nichts gesehen...." Sic ging langsam weiter zum Zaun und schielte dabei nach rechts und rückwärts. Plötzlich fühlte sie, daß ihre Füße zitterten und schwer wurden, als wären sie an dem Boden angefroren. Hinter der Gefängnisecke kani schnell, wie die Laternenanzünder immer gehen, ein stämmiger Mensch mit einer kleinen Leiter auf der Schulter hervor. Die Mutter blickte schnell auf die Soldaten. Sie trampelten auf derselben Stelle, und das Pferd lief um sie herum. Dann blickte sie nach dem Menschen nnt der Leiter. Er hatte sie schon gegen die Wand gelehnt und stieg langsam hinauf... Von oben schwenkte er die Hand in den Hof, stieg schnell wieder her- unter und verschwand uin die Ecke. Das Herz der Mutter schlug geschwind, die Sekunden verstrichen langsam... Vor der dunklen Gefängnismauer waren die Stufen der Leiter infolge der Schmutzflecken und des abfallenden Putzes, der die Ziegelsteine bloslegte, kaum sichtbar. Plötzlich erschien über der Mauer Michailos schwarzer Kopf. Sein ganzer Körper wuchs in die Höhe, wälzte sich über die Mauer, glitt an ihr herunter... Ein anderer Kopf, in zotttgcr Mütze folgte ihm. etwas Großes und Schwarzes rollte auf die Erde und verschwand schnell um die Ecke. Michails richtete sich auf, blickte um sich und schüttelte den Kopf..., (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten) Sin Vareler, der rauben muß» Von Roda Roda In den Baumästcn flimmern frische Blattsprossen, und neu- gierig aus dem gelbgrünen Rasen lugen rosiggesäumte Maßliebchen. Die Spatzen frohlockten, die Spatzen und die Zigeuner. Der Frühling zieht ein. Die Sonne strahlt durch die farbigen Fenster der Basilika auf den Chorstuhl, das goldgestickte Meßgewand des Abtes funkelt. Es est ein altes, müdes Gesicht, das sie beleuchtet. Die Nase scharf, der Mund verkniffen. Vor dem Abte kniet sein Liebling, Dimitar, der jüngste Mönch. Seine Augen irren erregt unter den gesenkten Lidern. Bedrückt und erregt ist auch seine Stimme. „Ich bekenne, daß ich gesündigt habe— mit Sinnen, Worten und Werken. Ich wollte durch fromme Gedanken genesen und niemand beichten als Gott allein, wie es unser wahrhaftiger Glaube verlangt.— Ich erttags nicht länger." Die flüsternde Stimme verstummt, der wirre Lockenkopf beugt pch noch tiefer..... „Auf mir lastet ein unermeßliches Vergehen. Helft mir die Glut ertöil-n,'■.....— ir selber.— gibt keine Buße für die entheiligten Meßopfer, für mein gebrochenes Gelübde und für meine Falschheit. Habt Erbarmen mit mir. erlöst michl" Ter Alte sitzt zusammengesunken, die Hände gefaltet, die starren Augen auf den Sünder gerichtet.——< Endlich die be» klommene Frage: „Bereust Du?* Da hebt Dimitar stumm das Haupt. Zum ersten Mal blickt er auf— in diesem festen Blick ist aber keine Reue. Der Alte steht aus. AIS er weg will, hascht Dimitar nach seiner Kutte. „Komm am Abend in meine Zelle!" sagt der Alte und beugt sich über ihn. Einen Augenblick ist's, als wollte er ihn küssen. Der Mönch schleicht in die Kapelle und kauert sich nieder. Dort bleibt er unbeweglich, stundenlang und sinnt. Ein und der andre Bruder geht an ihm vorüber und wagt nicht, ihn zu stören. Er betet nicht, er fühlt nichts. Er hat gehofft, daß mit der Beichte auch der Schmerz von ihm genommen sein würde— und der Schmerz ward nicht von ihm genommen. Plötzlich schrickt er auf. Man wird ihn von ihr trennen. Ihn von dem Erdcnfleckchen verbannen, wo sie atmet. Seine Fäuste ballen sich. Er weiß, daß er sich wehren wird. Nur sterben will er nicht, denn mit ihm stürbe sein herrliches, sein heimliches Glück. Gott , warum hat ihn seine Mutter vor die Klostertürc gelegt und verlassen? Warum hat sie ihn nicht im Walde hungrigen Raben ausgesetzt? Warum war er Mönch geworden? Es gibt ja so viel'fachendes Glück in der Welt, zwei zärtliche Arme, die sich um seinen Hals schlingen, rote Lippen, die ihn küssen, Augen, die brennende Tränen weinen, weil er ein Mönch ist. Die Schatten kriechen auf leisen Geistersohlen aus ihren Winkeln und hüllen langsam alles in ihre Tücher. Zuerst die zierlichen Kapitäle der Säulen, die vergoldeten Gitter der Bilder» wand— den heiligen Nikola. Zuletzt den einsamen Mönch. Finster überall, nur die roten Ampelflammen glimmen. Dimitar ist's, als müßte er aufschreien. Er preßt die Lippen zusammen und drückt sie gegen seine Hände. Wenn er alles er- wägt... wie leicht könnte ihm ein entsetzlicher Fluch einfallen statt eines Gebetes. Da legt sich eine Hand auf seine Schulter. Bruder Pcro steht bor. ihm. „Ter Abt ruft Dich!" sagt er gedämpft, und als sie in die Halle hinaustraten:„Bist Du krank, Dimitar?" Der Jüngere schüttelte den Kopf und geht den Flur entlang. Das Tor am Ende der Halle ist weit offen. Da bleibt er stehen. Die Luft ist feucht und kühl. Irgendwo brennt es, der West- Himmel glüht unter einem Flammenkusse. Im Dorfe bellen die Hunde. Aus der ersten Tür de? oberen Ganges schimmert Licht. Die Tür öffnet sich, ehe Dimitar noch vor ihr steht. Der Abt drückt sie hinter ihm ins Schloß. Eine Sekunde lang, sehen sich die beiden stumm an. Dann wendet sich der Abt ab. „Setze Dich, Dimitar," sagte er.„Nein, nicht dort— mir recht nahe, damit ich Dich sehen kann." Es ist /ein großes Zimmer. An der Längsseite ein schmale? Bett mit weißer Decke, daneben der Schrank, eine Truhe und die eiserne Klosterkasse. Zwischen den Fenstern ein beinernes Kruzifix und ein Betfchemel, das ewige Licht darüber. „Ich hätte es nicht gedacht..." sagt endlich der Abt. »Verdammt mich nicht!" ..Ich— Dich verdammen!" Der Alte lacht. Und dann so ruhig, als erzählte er einem kranken Kinde ein Märchen aus längstvergangencn Zeiten— ein Märchen, so erfreulich, wie es aus diesem strengen Munde noch niemand vernommen hat: ...... Es war einmal ein junger Bruder, der war gut und gottcsfürchtig. Er diente mit ganzer Seele. Sieh, da ging er einmal in die Felder. Es war im Juni.... Draußen, wo die Heide anfängt, stand ein Mädchen, ein halbes Kind— er kannte sie wohl. Eines Hirten Tochter. Er blieb stehen, sprach so die alltäglichen Worte zu ihr und sah ihr zu, wie sie Wasser aus dem Brunnen schöpfte. Sie hatte schwarzes, zerzaustes Haar� und lodernde Augen. Sie sprach keck mit ihm und blickte ihn offen an und lachte ihn aus. Als er heimging, dachte er viel über sie nach. Tagsdarauf stand er im Klosterhofe und verdonnerte die, die da lau find im Erfüllen der Gebote. Sein Blick glitt suchend über die Schar und— fand sie. Er wußte nicht, wie ihm geschah. Die Predigt wurde mild, er sprach nicht mehr von ewigen und weltlichen Strafen, er sprach nur noch vom göttlichen Erbarmen. Am Abend lehnte er an seinem Fenster und sann. Aus dem Wirtshause klangen abgerissene Töne eines Dudelsacks mit viel- stimmigem Gesang vermischt und dem Stampfen des Reigens. Er vergaß sein Nachtgebct und horchte, bis beim ersten Frühschimmer die Musik verklang. Er kannte sich selbst nicht mehr. Abend für Abend wanderte er in die Felder, und immer fand er sie. Im Kloster feierte man Kirchwcihe. Da gab'S im Refektorium ein großes Mahl— das hielt ihn auf, weit über Mitternacht. Der Kopf war ihm wüst und schwer. Er ging leise zum Tor hinaus, den' no der Rosenhecke. Und gerade unter
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24 (12.10.1907) 199
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