798 ..Schweig schon, Nataljal" erwiderte Sfisow streng. Die Mutter wandte sich zu dem Weib: eS war Frau Samoilow. Weiterhin sab ihr Gatte, ein kahler, ehrbarer Mensch mit breitem rotem Bart. Sein Gesicht war knochig. init zusammengekniffenen Augen blickte er gerade aus, und sein Bart zitterte. (Fortsetzung folgt.) VroKt uns eine neue Sis�eit? Der Sommer des Jahres 1907 war so ungewöhnlich kalt und unfreundlich, daß man es den Leuten nicht verdenken kann, wenn sie durch ihn völlig stutzig gemacht wurden und meinen, die Er» scheinung könne nur durch ganz veränderte Verhältnisse in unserem Sonnensystem erklärt werden. Wenn man diese Annahme macht, so ist der weitere Schlust eigentlich ganz konsequent, das; so durch» greifende Aenderungen sich nicht auf ganz kurze Zeiten beschränken, sondern daß sie sich für längere Weltpenoden geltend machen. ES erscheint also von diesem Gesichtspunkt aus nicht ungereimt, daß wir uns einer allgemeinen Kälteepoche nähern. Von Hause aus steht eine solche Annahme nicht im Widerspruch mit den Lehren der Wissenschaft. Es ist unwiderleglich bewiesen, daß vor Jahrtausenden auf der Erde eine viel größere Kälte herrschte, als heutzutage. Während jetzt nur im hohen Norden die Gletscher bis zur Meeres- oberfläche herunterreichen, war das damals in Gegenden der Fall, in denen gegenwärtig Pflanzen blühen, die eines sehr warmen Klimas zu ihrer Existenz bedürfen, z. B. im südlichen Frankreich . Es entsteht unter diesen Umständen die wichtige Frage, ob eine solche Eiszeit nur einmal oder höchstens einige Male im Laufe der EntWickelung der Erde eintreten konnte oder ob wir eS mit einem Vorgang zu tun haben, der sich periodisch wiederholt, wenn auch die einzelnen Perioden um viele Jahrtausende voneinander entfernt sind. Die Frage wird sich erst dann entscheiden lassen, wenn die Ursachen klargelegt sind, die die frühere Eiszeit herbeiführten, denn nur dann wird man sehen, ob diese Ursachen auch jetzt noch in Wirksamkeit find, oder ob es sich um Dinge handelt, die nur auf der damals jungen Erde vorkamen, jetzt aber durch die Weltent» Wickelung überwunden sind. Hierüber ist die Wissenschaft noch zu keinem endgültigen Resultat gelangt. Einzelne Forscher neigen der Ansicht zu, daß die Ursachen der Eiszeit sich nickit mehr wieder- holen können. Sie verweisen auf die Veränderlichkeit der Atmo- sphäre. Jetzt besteht diese aus etwa 20 Teilen Sauerstoff und 80 Teilen Stickstoff, wozu noch eine geringe Beimengung von Kohlensäure und außerdem nur ganz geringe Spuren von Gasen treten, die eben wegen ihres seltenen Vorkommens als Edelgase bezeichnet werden, nämlich Helium, Argon, Tenon. Im großen und ganzen sind diese Bestandteile durch allmähliche Mengung und durch Stürme und andere Luftbewegungen so gut gemischt, daß überall auf der Erde ziemlich das gleiche Mischungsverhältnis be- steht; seit man chemische Untersuchungen der Luft anstellen konnte, hat man keine Veränderung in der Zusammensetzung feststellen können. Aber die Zeit, seit man solche Untersuchungen vorzunehmen gelernt hat, ist noch so kurz, daß man aus ihr keinerlei Rückschluß auf längere Epochen machen darf, ja daß sie gegen die Jahrtausende, mit denen die Geschichte der Erdentwickelung rechnet, völlig ver- schwinden. Ursachen, die auf eine Veränderung der Atmosphäre hinwirken könnten, sind auch jetzt noch vorhanden, ja in gewissem Sinne jetzt vielleicht stärker als früher. So hat sich infolge der Einführung der Dampfmaschinen die Zahl der Oefen und Feuer- stellen in einem ungeheuren Maße vermehrt, und jeder Ofen sendet fortwährend neue Kohlensäure in die Luft hinaus. Diese verteilt sich in den ganzen Luftozean und wegen dieser starken Verteilung hat man bis jetzt noch keine Vermehrung der Kohlensäure konsta- tieren können, aber es ist gar nicht ausgeschlossen, daß eine solche im Laufe der Zeiten merklich wird. Hiervon ganz abgesehen, meinen einzelne Forscher, daß die zuerst entstandene Atmosphäre überhaupt noch keinen Sauerstoff enthalten hat, sondern daß dieser erst dadurch in die Luft gelangte, daß die Pflanzenwelt ihn aus- schied, zuerst in ganz geringen Mengen, dann mit der Zunahme der Vegetation auf der Erde in immer steigender Masse. Die Zu- sammensetzung der Luft ist aber durchaus nicht belanglos für den Wärmegehalt der Erde. Denn die Sonnenstrahlen, die unS ja unsere ganze Wärme bringen, müssen, bevor sie zur Oberfläche der Eroe gelangen, durch die Lust wandern, und dabei wird ein großer Teil der Wärme von den einzelnen Luftteilchcn festgehalten und verschluckt. Wir wissen nun, daß verschiedene Stoffe die Wärme, die durch jene dringt, auch in ganz verschiedenem Maße absor- bieren, und darauf beruht z. B. der Unterschied, den die verschie- denen Bekleidungsstoffe in bezug auf die Wärme darbieten. Seide läßt die Wärme, die unserem Körper entströmt und in die Luft entflieht, in viel geringerem Maße durch, als Leinewand, darum ist Seide ein sehr guter Wärmeschutz, sie hält, wie man sich ausdrückt, den Körper warm. So werden auch die verschiedenen Substanzen, die die Atmosphäre zusammensetzen, die Wärme in immer anderen Mengen verbrauchen und der Erde entziehen. Dazu kommt, daß ein großer Teil der Wärme, die nun wirklich zur Erde gelangt, nicht auf ihr verbleibt, sondern in den Wcltenraum zurückgeworfen wird. Auch diese reflektierte Wärme muß wieder durch die Luft> wandern und auch von ihr wird ein Teil durch die Atmosphäre dringen und in den Weltenraum gelangen, ein anderer Teil aber wird in der Lust festgehalten und kommt durch allmähliche Leitung der Erde wieder zugute; auch das Verhältnis dieser unS auf solche Weis« erhalten gebliebenen Wärme ändert sich mit der Zusammen- setzung der Luft. Nun sagen die vorher erwähnten Forscher, die Atmosphäre ändere sich in der Art, daß immer mehr Wärme auf die Erde kommt und imm»? mehr ihr verbleibt. Denn durch das bloße Aufprallen auf der Erdoberfläche wird die Natur der Wärme selbst so umgewandelt, daß sie nachher in ganz anderem Verhältnis von der Luft verschluckt wird als vorher. Durch das Zusammen- wirken aller dieser Umstände wird es erreicht, daß wir. je älter die Erde wird, um so mehr Wärme haben, daß also Eiszeiten nur in dem Jugcndstadium der Erde möglich waren, für die Zukunft aber ausgeschlossen sind. _ Andere Gelehrte aber neigen der Ansicht zu, daß nicht die Atmo- sphäre das wichtigste ist für den Wärmercichtum der Erde, sondern ihre Stellung zur Sonn«. Bei ihrer jährlichen Wanderung um die Sonne bewegt sich die Erde nicht immer mit der gleichen Geschwin- digkeit, sondern bald schneller, bald langsamer. Gegenwärtig ist daS VerljältniS nun so, daß in der Zeit, in der die Sonnenstrahlen die nördliche Erdbälfte senkrechter treffen, also diese Hälfte besser erwärmen, die Erde sich langsamer bewegt, so daß jetzt der Sommer unserer Halbkugel länger dauert als ihr Winter, und zwar um etwa neun Tage. Dieser Unterschied macht sich nun in der Weise geltend, daß sich die Wirkung im Laufe der Jahre anhäufte, daß also der nördliche Sommer uns immer mehr Wärme brachte, und daher rührt eS, sagen diese Naturforscher, daß es jetzt bei uns viel wärmer ist als zur Zeit, in der dieser Teil der Erde vereist und ver- glctschert war. Dieser Zustand, das ist sicher, wird aber nicht immer andauern. Der Frühlingspunkt und der Herbstpunkt und damit die Lage des Sommers und die des Winters ändern sich fortwäh- rend derart, daß immer nach 26 000 Jahren eine ganze Umwand- lung eingetreten ist; nach 26 000 Jahren werden unsere Sommer- und Winterverhältnisse genau ebenso sein wie jetzt. Bis dahin wird aber einmal ein Zeitpunkt gekommen sein, in dem auf der nördlichen Halbkugel der Winter um neun Tage länger ist als der Sommer, und umgekehrt auf der südlichen Hälfte der Erde, wo jetzt der Winter länger ist. später der Sommer länger sein wird. Durch die so veränderte Länge der Jahreszeiten, wird behauptet, könne recht wohl eine neue Eiszeit herbeigeführt werden, fteilich nicht für die ganze Erde, fondern derart, daß auf der einen Erd- Hälfte Kälte und Eis herrscht, auf der anderen aber eine große Hitze. Dieselben Forscher sagen, daß auch bei ftüheren Eisperioden nicht die ganze Eroe auf einmal und zur gleichen Zeit vergletschert war, sondern einmal die nördliche Erdhälste, das andere Mal die südliche, und daß dann die nicht vereiste viel wärmer war als jetzt. Für diese Annahme spricht die Tatsache, daß eS einmal eine Zeit gab, in der eS bei uns und weiter nach Norden so warm gewesen sein muß, wie jetzt in der Nähe de» Aequators . Das wird dadurch erwiesen, daß im nördlichen Sibirien und im hohen Norden Amerikas Ucberbleibsel von Tieren und von Pflanzen aufgefunden wurden, die ihrer ganzen Natur nach nur in einer heißen Zone leben können; dort muß es also tatsächlich ftüher sehr warm ge- Wesen sein. Die Geologie ist jetzt noch nicht soweit entwickelt, um entscheiden zu können, ob die Wärmeperiode des Nordens zeitlich zusammenfiel mit einer Eiszeit der südlichen Halbkugel und um- gekehrt die Eiszeit des Nordens mit der starken Erwärmung des Südens, oder ob es überall aus der Erde zu einer gewissen Zeit sehr warm war und wieder zu einer anderen Zeit uberall sehr kalt. Träfe eine Kälteepoche der einen Erdhälfte zusammen mit einer Wärmeepochc der anderen, so spräche das für die Richtigkeit der Annahme, daß mit der veränderten Sonnenstcllung abwechselnd hier- und dort nacheinander große Hitze und große Kälte besteht; wäre eS aber zu einer Zeit überall auf der Erde sehr warm gewesen, zu einer anderen Zeit überall sehr kalt, so ließe sich das verwerten für die Annahme, daß der ganze Wärmegehalt der Erde wesentlich von der veränderten Atmosphäre abhänge, es wäre dann also auch wahrscheinlich, daß eine Eiszeit nirgends wieder eintreten wird. Der Umstand, daß gegenwärtig weder im Norden noch im Süden Eis- oder Hitzeepoche besteht, könnte von denen, die den Nachdruck auf die veränderte Sonnenstellung legen, dadurch erklärt werden, das; wir uns jebt überall in einem Uebergangsstadium befinden, auf dem einen Teil der Erde im Hebergang von der Kälte zur Wärme, auf dem anderen im Uebergang von der Wärme zur Kälte. Danach würde also demnächst wieder auf einer Erdhälste übergroße Kälte herrschen, auf der anderen übergroße Hitze, beioes Zustände, die einer Kulturentwickelung feindlich wären, denn diese verlangt mittlere Temperaturen, wie wir uns jetzt ihrer erfreuen. Das demnächst" mutz aber immer im Sinne der langen Zeiträume auf. gefaßt werden, mit denen die Erdgeschichte rechnet, für absehbare Zeiten also haben die Menschen weder zu große Kälte oder Hitze zu fürchten. Immerhin aber wäre eS interessant, zu wissen, ob denn Eis- zeiten wiederkommen werden oder nicht. Die Wissenschaft läßt zur- zeit eine Entscheidung dieser Frage, eine Entscheidung zwischen den verschiedenen Ansichten der Naturforscher jetzt nicht zu. Aber ein Anzeichen gibt es, aus dem man wenigstens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schließen darf, was uns in der Zukunft naht. Tie Wandervögel oeS Norden? suchen mit großer Regelmäßigkeit Gegenden auf, in denen sie eine zu ihrem Leben genügende Wärme finden, daS heißt sie gehen im Winter nach dem Süden, im Sommer