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an den anderen Zagen, welche folgten. Ihr Gatte wollte in einem Gasthause Quartier nehmen und sie pflegen laffen, aber ste widersetzte sich dem mit einem stummen, gebieteri fchen Schütteln des Kopfes, während sie mit dem Nagel ihres Daumens ein großes Viered in das Holz der Wagen wand neben der Stelle zog, wo sie ihren Kopf auf das Kissen gelegt: den Umriß eines Fensterchens.

Von dieser Zeit an erfreuten sich die Augen der Kranken, die in ihrem Bett lag und in ihrem Bett mitwanderte, an dem Anblick der von dem Gefährt durchzogenen Gegenden, zu denen ihre Blicke durch die Fenster des Wagens hinaus­schweiften.

Schweigsam, stumm, hotte sie kein Wort für ihren armen, alten Gatten, der seine Tage am Fuße ihres Bettes zubrachte, auf einem alten, ehemaligen Reisekoffer eines römischen Prälaten sipend, der seine italienischen Bantomimen umschloß, und in dumpfe Traurigkeit versunken, die an Verstandes­schwäche streifte. Stepanida hatte auch für die übrigen fein Wort mehr, welche kaum noch von ihr erlangten, daß sie ihre Blicke auf einen Moment von ihrem Fensterchen abwandte und auf sie richtete Einzig die Gegenwart ihres Jüngst geborenen in den kurzen Zeiträumen, während welcher man Sen lebhaften, egoistischen Kleinen sich ruhig zu verhalten und still auf einer Fußbank zu sitzen bestimmen konnte, waren imstande, sie aus ihrem beständigen Hinbrüten zu erweden. Während der ganzen Zeit, daß er zugegen war, hielt die Mutter, auch ohne daß ihre Hände oder ihr Mund sich mit ihm beschäftigte, ihren Blick, eine verzehrende Flamme ihres Auges auf ihn geheftet.

( Fortsehung folgt.)

( Nachdrud verboten.)

Straßennetze in der Tierwelt.

Es gibt laum ein reizvolleres Studium als das, durch Ber­gleichung die Beziehungen zwischen Tier- und Pflanzenwelt und dem Gebiete der Geographie im weiteren Sinne aufzudeden und zu berfolgen. Oft ergeben sich dabei ganz überraschende, neue Ge­fichtspunkte, die wie mit Bligesschnelle das Dunkel erhellen und den Schlüssel zur Lösung von bedeutenden wissenschaftlichen Fragen abgeben. Wer fich 3. B. abs Zoologe die Aufgabe ftellen würde, die Beziehungen der Tierwelt zu den verschiedenen Ländern und zu den verschiedenen Zeitabschnitten eingehend zu ftudieren, würde nicht nur für seine eigene Wissenschaft, sondern auch für die geo­graphischen Disziplinen manche wertvollen Bausteine zur weiteren Festigung des geographischen Gebäudes liefern können. Wählen wir nur als Beispiel für unsere Behauptung die Verkehrswege, die fich die Tiere für ihre Wanderungen, die Menschen für Handel, Reise und die mannigfachsten anderen Bedürfnisse geschaffen haben, so werden wir sicher zu folgendem Schluß kommen: Die Tiere haben lange vor den Menschen Wege angelegt. Diese Wege find einfach, genau wie diejenigen, auf denen der primitivfte Mensch Zentralafritas oder Bolynesiens seine Jagd- und Fisch­züge unternimmt. Seine Wege find genau wie die der Tiere: Bfade oder Fährten, die die erste Entwidelungsstufe für den Berkehr bilden. Ja, viele Tiere sind reicher an Wegen als mandje primitiven Völker und Dorfgemeinden, und wenn auch diese Wege nur Fährten find, so ist das System doch bedeutend entwickelter als das jener Völker. Das gilt in erster Linie von den großen Herden, aber auch von manchen fleinen Tieren.

Solche Wege, die sehr deutlich erkennbar sind, haben beispiels­weise die in großen Herden auftretenden Auerochsen, die die Ber­störungswut der Menschen fast vollständig ausgerottet hat. Jahr hunderte hindurch sind sie zweimal im Jahre zu Millionen auf ihren Reisen vom Norden zum Süden und vom Süden zum Norden gewandert, und die Spuren, die sie zurüdgelaffen, find noch nicht berwischt worden. Sie gehen sämtlich in derselben Richtung, von Süden nach Norden laufend, als einfache, aber weit ausgedehnte Fährten, eine Art gigantischer Hafenfährte. Sie find hart und feft geftampft, das Gras, das auf ihnen wächst, ist furz, und alle führen in die Nachbarschaft von trinkbarem Waffer. Meist geht eine für zere Spur vom Wege ab zu einem Reservoir; beim Hin- und Burüdmarsch machten die Tiere einen Umweg, um zu trinken. Den­noch bilden diese Fährten keine großen und breiten Wege. Die Tiere marschierten in isolierten Parallelen, benachbarten Reihen, aber nicht in kompakten Massen; und so sind diese Pfade nebenein­ander und parallel entstanden, die noch heute von der Zahl der Massen Zeugnis ablegen, die ehemals in Freiheit auf dem Boden der neuen Welt umherirrten.

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nach der Jahreszeit. Aber die Herde passiert immer dieselben Wege und durchzieht die Flüsse immer an demselben Uebergang. Renntier ; es bewohnt das polare Amerika , wo es in mehreren In derselben Region lebt auf gleiche Weise das kanadische Arten vertreten ist. Das Renntier der unfruchtbaren Länder lebt zwischen den Inseln des arktischen Meeres, des Südteiles der Hnd­jons- Bai, ohne nach Westen den Fluß Madenzie zu überschreiten. Gegen Oktober findet eine große Wanderung gegen Süden statt. Das Renntier wandert zu den Wäldern. Der Schnee bededt die Erde, und diese bietet ihm keine Wahrung mehr; es eilt my die Wälder, um sich von den Flechten und Moosen der Bäume zu er nähren. Eine große Anzahl von Tieren vereinigt sich, und diese reisen als eine gewaltige Herde gemeinsam nach Süden. Diese Herde trägt in der Sprache jener Gegend einen französischen Ramen:" la foule". Während der ersten Tage der Wanderung fommen vereinzelte fleine Trupps, aber bald nachher nähert sich das Gros der Herde. Schritte werden aus der Ferne laut, und in­mitten der Jagd täuscht sich niemand über dieses Geräusch: la foule, la foule!" ruft man aus. Tage hindurch steigt la foule" hinab, eine unermeßliche Herde, die man an Zahl nicht einmal annähernd zu schäßen versucht. Der Marsch findet fast immer auf genau demselben Wege statt. Gehen wir nach Süden und erreichen Yellowstone- Park in der Rachbarschaft des Todestales, das der Geologe Weed vor einigen Jahren entdeckt hat. Das Tal ist angefüllt mit Kohlensäureaus­strömungen, und viele wilde Tiere sind ohnmächtig geworden und durch das Gas, dessen Eristenz nichts verrät, zugrunde gegangen. Nicht weit von Death- Gulch find Salzlagerungen, und jeder weiß, daß das Sala eine große Anziehungskraft auf die Pflanzenfresser ausübt. Gierig leden die Ziere an den Salzfelsen, wenn fie solche treffen, und wenn fie fie entdedt haben, so tehren sie häufig zu ihnen zurück. Auf diese Weise geschieht es, daß fich Salznieder­Tagen bald in einem Zentrum von Fährten befinden, die von allen Punkten des Horizonts fommen und dort münden. Der Jäger, der solche Spuren trifft, weiß, daß Wild dort gewesen ist, und nach den Spuren weiß er auch, welches Wild hier war; er weiß auch, daß Salz in der Nachbarschaft für die Jagd günstig ist. Und diese Spuren erleichtern ihm seine Reise, indem sie ihm Wege, fichere, hindernislose Wege bieten, denen das Pferd gern folgt, da diese Spuren immer eine gewisse Breite haben und ihm weniger Mühen und Beschwerden verursachen. Audabon hat seine Fährten beobachtet und beschrieben, als er das Bergschaf der Bereinigten Staaten studierte. Die Teile des Landes, die die Schafe zu ihrer Weide gewöhnlich aussuchen, sind die steinigften, unebensten und steilsten Höhen, die in den wilden Gegenden an der Kette des Felsengebirges existieren. Man kann fich vielleicht eine Vorstellung von dem Lande machen, wenn man fich Hunderte von Buderbroten in den verschiedensten Dimenfionen denkt, die unregelmäßig neben­einanderliegen, und jedes Brot für einen großen Hügel hält. Zwischen den Hügeln und in den Tälern blöken die Schafe, auf­und absteigend, und man begreift, wie schwer es ist, sich ihnen zu nähern und wie sicheren Fußes fie find. Sie beschreiten Pfade auf jenen unregelmäßigen Regeln, die 200 und 300 Meter Höhe haben und oft fich 450 Meter über die umgebende Prärie erheben, und auf jenen Pfaden laufen sie mit großer Schnelligkeit. Der Zu­schauer da unten kann nicht glauben, daß diese Fährten mehr als einige Zentimeter Breite haben; fie find indessen gewöhnlich 30 bis 45 Zentimeter breit. Auf diesen Wegen fühlen sich die Schafe vor den Angriffen der Wölfe ficher."

Immerhin find die bis jetzt geschilderten Fährten nur tempo­rär, insofern, als sie von den Tieren nur während eines Teiles des Jahres beschritten werden. Bermanente Wege dagegen hat eine andere Kategorie von Tieren, diejenigen, die eine Wohnung, ein Domizil haben, in das sie flüchten fönnen. Aber auch in dieser Beziehung muß man Vorbehalte machen.

Denn es gibt sehr intelligente Tiere, die sehr wohl die Gefahr tennen, die die Spuren bieten, indem sie den Beutetieren die Nähe von mehr oder weniger begehrenswerten Gerichten verraten. Das Erdeichhörnchen gräbt sich in den Boden sehr komplizierte Höhlen ein, trägt aber Sorge, die ausgewühlte Erde in eine gewiffe Distanz von seiner Höhle zu tragen, um jene Indiskreten auf eine falsche Fährte zu leiten, die natürlich eine Höhle unter dem frisch aufge worfenen Erdhaufen zu finden hoffen. Und wenn es nach Hause zurüdfehrt, geht es sprungweise vor und vermeidet sorgfältig die Schaffung einer Fährte, die den Eintritt zu seiner Wohnung ent­hüllt.

Die Bisamratte macht es ebenso. Eine nahe Verwandte des Bibers, unterscheidet sie fich von ihm durch ihre Intelligenz. Der Biber flieht den Menschen, die Bisamratte hat bemerkt, daß die Nachbarschaft des Menschen neben Unzuträglichkeiten gewiffe Vor­teile bietet: Der Hauptvorteil besteht darin, daß der Mensch eine große Anzahl von Tieren vernichtet, die die Ratte fürchtet. Aber fo weit geht sie in ihrer freundlichen Haltung gegen den Menschen nicht, daß sie die ererbte Klugheit vergißt. Die Bisamratte lebt immer zur Seite des Wassers; sie richtet sich ihre Wohnung am Ufer über dem Niveau des Wassers ein, und in diesem Waffer­Wie die Auerochsen haben auch andere pflanzenfressende Tiere milieu bringt sie beutesuchend ihr Leben zu. Andere Tiere würden sich Verkehrswege geschaffen. Das ist der Fall beim Bisamochsen. ganz einfach das Ufer herabsteigen, aber das paßt der Moschus­Dieses Tier, das früher auch im Norden Europas lebte, findet sich ratte nicht. Die Gefahren sind zu augenscheinlich, der Weg würde jekt nur noch in Grönland and im arktischen Amerika . Es lebt zu sehr sichtbar sein, und deshalb gräbt fie sich einen unterirdischen gewöhnlich in Herden unter der Führung alter, erfahrener, männ- Weg, einen Weg, der von ihrer Wohnung auf den Grund des licher Tiere; es reist von Norden nach Süden und umgekehrt, je Wassers führt. Nicht etwa in den Rand des Waffers, sondern auf