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brauche von Dissonanzen, in der Vorliebe für elementare Harmonien und in dem vorwiegenden Gebrauche von Gangtonstufen ohne viel fleine Halbtonstufen, ohne das sogenannte„ Chroma". Dazu gehört nun auch eine Einförmigkeit, zumal in den Arien, die aber gerade von einer solchen ursprünglichen Melodienkraft find daß man leicht ohne Ermüdung bis zum Schlusse des langen Werkes aushält.
Schule durch die Behörde. Es standen eben noch Lehrer im Amte, I die Welt des Unglüds, des Zweifels, der Zerrissenheit usw. ber. die vom Sturmjahre her die Ideale der Demokratie mit der Forde- missen. Musikalisch spiegelt sich dies wider in dem geringen Ge rung nach Befreiung der Schule vom kirchlichen Regiment lebendig erhalten hatten. Einer dieser Kämpen ist Andreas Krafft. Sei 28 Jahren steht er im Ami; und genau so lang ist er sich stets der verantwortungsreichen ßflicht und Aufgabe eines wahrhaften Jugendbildners und Volkserzichers bewußt geblieben. Die Schüler lernten was Tüchtiges bei ihm: er war immer bestrebt, ihne Wissenschaft zu geben. die sie fürs Leben brauchen konnten. Kraff hat über der Pflicht aber auch nicht des Rechts vergessen, das der Schule gegenüber der Kirche gefeßmäßig verbrieft ist. Da nun ein Mann, der es so ernst nimmt, der nicht rückwärts sondern vorwärts schaut, weder heuchelt noch scharenzelt, bom Ortsgeistlichen, zumal, wenn dieser dein Lehrer wie der Schule als Aufsichtsbehörde vorgesetzt ist, arglistig auf den„ Kieker" genommen wird, erhellt ohne weiteres. Konflikte können da nicht ausbleiben. Es kriselt auch bereits. Ein Kollege flüchtet sich nach Amerika , um niederträchtigen Berfolgungen zu entgehen. Auc an Krafft wird man kommen. Der Pfarrer ist ihm schon lang aufsässig, schürt die Verleumdung im geheimen, ärgert den Lehrer und intigriert. Krafft hält es für ungwed mäßig, sich zu verteidigen, notwendig und ersprießlich allein crachtet er's, sich in einer Eingabe vor der Regierung zu rechtfertigen. Der Pfarrer jedoch pariert den Schlag. Der Bischof selbst tommt, um die Krafft unterstellte Schule zu prüfen". Natürlich kann für den Lehrer das Resultat diese Bisitation nur vernichtend sein. Er soll das Protokoll darüber unterfchreiben. Täte er das, so würde er sich dem Pfarrer auf Gnade und Ungnade übergeben. Tut er's aber nicht, dann verliert er sein Amt. Krafft fämpft lange mit fich. Die Frau lamentiert; Familienrücksichten und Gewissenspflicht halten sich schroff die Wage. Und Krafft verweigert die Unterschrist! Flugs wird er abgefekt! Noch ist er ja nicht verlassen. Er hat seine star! Anhängerschaft unter den Ortsinsassen und bei den Kollegen. Sie erwarten jetzt, daß er sich an ihre Spike stelle. Zwischen den Parteigängern des Pfarrers und denen Kraffts fommt es zu einem Krawall mit Dreschflegeln und Steinwürfen. Strafft bleibt feft Er hat erkannt, daß die Befreiungssache der Schule fein Dorf ftreit und keine Lehrer, sondern eine Voltssache ist. Die tann aber nicht von heute auf morgne gelöst werden. Aufklärung, Bildung von unten herauf muß die Parole für Schule und Lehrerschaf sein. Das ist der Kampf, den beide um ihre Zukunft auszufechter haben. Diese Zukunft wird mit dem Tage losbrechen, an welchem die Schule vom Kirchenregiment befreit ist. Holzamers Drama ist mehr als Otto Ernsts Flachsmann". Es wirft weite Berspet. tiben; es erhebt die Schulfrage zu einer sozialen Frage; es Streut tiefwühlende Gedankenfaat. Der Dichter stellt Menschen hin. Und wenn ihm im technischen Aufbau des Ganzen nod Schwächen unterlaufen, wenn auch manches nicht glüdlich motivier: au sein scheint: er verstand es jedenfalls, schlagfertige Dis. tuffionen zu führen, Sonflitte au schürzen, stark dramatisch bewegte Situationen zu geben und überhaupt das Interesse bis zum Schluff in hoher Spannung zu erhalten. Dem Stüde wurde eine geradezu glänzende Darstellung auteil und es ließ sich hier wieder einmal sehen, was wirkliche Bühnenkunft ist und was das Schauspielensemble des Deutschen Theaters zu leisten vermag! e. k.
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Mufil.
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Wir werden noch etwas wie eine Haydn - Renaissance be fommen. Ist er doch der einzige von allen ersten Musikmeistern, die noch immer durch keine Gesamtausgabe allgemein zugänglic gemacht worden sind! Erst jest ist eine solche in Angriff genommen worden; und sie wird beträchtlich erschwert durch die breite Produttivität des Meisters und durch die frühere Sorglosigkeit gegenüber musikalischen Urkunden. Dazu kommt noch, daß wir in Haydn heute nicht mehr den heuptsächlichen Schöpfer der großen Musikepoche vom Ende des 18. Jahrhunderts sehen; die damalige Mannheimer Kapelle, voran J. Stamiz, hat weit mehr vorweg. genommen, als man bisher dachte. Doch gilt dies hauptsächlich nur für den Bereich der Sonate und Symphonie, zumal in ihrem formalen Aufbau. Das Orchester, an dessen Behandlung durch unsere Meister wir ein so foftbares Gut besiben, hat seine eigent liche Ausdrudskraft eben durch Haydn bekommen. Um so störender ist es demnach, wenn bei einer Aufführung gerade das Orchester nicht mächtig genug ertönt. Diese Klage ist aber beinahe das einzige, was wir gegen die Aufführung durch den Berliner Boltschor auf dem Herzen haben. Mag daran immerbin die ungünstige Aufstellung der Bläfer in einer Rische mit Schuld sein: die Hauptsache ist doch, daß unserem Voltschore die Buziehung eines weit umfangreicheren Orchesters und reichere Gelegenheiten des Zusammenprobens gewährt werden sollten. Aus eigener Straft hat allerdings der den Chor enthaltende Verein mehr als alles getan, was von ihm erwartet werden könnte; und mit Recht weift fein Dirigent, Dr. E. Zander, auch auf dasjenige bin, was feinen Mitgliedern an musikalischen Vorteilen geboten. wird. Fürwahr: das glücklichere Vorbild der Dresdener Volks- Sing akademie mahnt energisch die dazu geeigneten Berliner Kreise, dem Volkschore durch zahlreichen Beitritt eine immer steigende Förderung von Kunst und von Kunftbildung zu ermöglichen. Im übrigen bleibt für den Kritiker solcher Abende wenig zu sagen übrig. Daß von den Soliften der Tenor Rudolf Jäger durch besonderen Glanz und Darstellungsreichtum seiner Stimme wirkte; daß Marie Seyff- Raymahr mit ihrer kleineren Stimme fich daneben vortrefflich hielt; und daß von dem Baß Friedrich Blaschte gleiches zu sagen ist, nur mit der Warnung fich nicht zu übernehmen: das ist wohl alles, was noch an Einzelritit über die insgesamt so gelungene Leistung gesagt werden fann.
Humoristisches.
Dernburgs Mitbringsel. Was ich euch bringe von der Meise, Eindrüde find das vorzugsweise. Na erftens Kaffee: schon faul faut! Er tommt nicht fort in jener Zone; Es fagt das deutsche Leckermaul Bon solchem Kaffee: Nicht die Bohne! Baumwolle, Kautschut. Hanf: na ja; Die Sorte ist' ne mittelgute; Und Waffer ist zu wenig da, Da hülft uns keine Wünschelrute.
Jedoch für Bahnbau:- Jdeal!
Prägt euch das ein, ihr Volksvertreter, Denn es gedeiht ganz koloffal
SZ.
Begründung. Banfier: Glauben Sie wirklich, Herr Oberst, daß das Automobil in einem Feldzuge von Ruben sein wird? Oberst z. D.: Natürlich im Kriege verwendbar.
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alles was Menschen vernichtet ist ( Lustige Blätter".)
Als für Dienstag und Mittwoch der Berliner Voltschor das Oratorium„ Die Schöpfung " von Joseph Haydn an gefündigt hatte, mochte wohl mancher an alten Bopf und an die Weltfremdheit denken, an welche der unglückliche Name Oratorium" erinnert. Nur war es gar nicht erst nötig, auf den glänzenden Erfolg zu warten, den wir Dienstags bei der ersten von den zwei Aufführungen mit Freuden feststellen konnten. Seit jenes Meisterwerk in den Jahren 1798 und 1799 zum ersten Mal aufgeführt worden, steht es nicht nur als ein einzigartiges klassisches Wer! da, sondern hat auch einen großen Teil des Lebens unserer ge mischten Chöre in seinem Gefolge gehabt. Wir sprechen bon „ Klassisch" und verstehen darunter die Eigenschaft einer Leistung, sich über Zeit und Ort als ein Vorbild für alle Zeiten und Orte zu erheben. Wer heute, nachdem nicht nur eine lange, fonder auch eine überaus mannigfaltige Periode der Musikgeschichte ver. gangen ist, das Werk hört, wird wohl den bestimmten Eindruc haben, daß es heute und nach Jahrhunderten ebenso zuen Herzei spricht, wie es seinerzeit gesprochen hat. Noch mehr: Neberaus biel von dem, was seither über Haydn hinaus geschaffen worden ist, liegt dort schon angedeutet oder selbst ausgeführt vor. Modernste Interessen finden sich in der Einleitung befriedigt, die das Chao so überzeugend schildert und nicht minder in der Kunst des Meisters, die Instrumente selbständig reden zu lassen, einschließlid der erst in neuerer Zeit häufigeren Verwendung von drei stat bloß zwei Flöten zur Schilderung des paradiesischen Eheglüdes. Und was die sogenannte zoologische. Arie" oder" Lierarie" sowi andere Stellen der Naturschilderung an musikalischer Malerei bringen, wird heute vielleicht mit einem weit größeren Aufwand bon Mitteln faum wieder erreicht. Allerdings fehlte dem Vater Haydn " bei all seiner einzigartigen Größe doch etwas. Er hatte persönlich, troß aller recht trüben Erfahrungen, ein so optimistijd zufriedenes Gemüt, daß wir in seinen Werken schließlich doch Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.- Drud u. Verlag: Vorwärts Bucheruderei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Cerlin SW.
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Notizen.
Ein Robert Blum - Denkmal befindet sich, wie der Frankf. 8tg." geschrieben wird, als einziges in seiner Art irgendwo in dem fleinen Nest Betterweil in Oberhessen. Dort hatte Blum vor seiner Abreise nach Wien unter freiem Himmel eine Wolksverfammlung abgehalten, der viele Tausende beiwohnten. Als der fühne Voltsredner bald darauf auf der Brigittenau bei Wien für die Freiheit starb, errichteten ihm die dankbaren Better weiler zum ewigen Gedächtnis an seine legte Rede, die er in Deutschland hielt, ein Denkmal, das sie seithe in piätvoller Weise pflegten.
- Der nächste Internationale Zuberkulose. fongreß, der 1908 in Washington tagen soll, wird ein sehr. inhalireiches Programm besigen. Die Versammlung wird vom 21. September bis zum 12. Oftober abgehalten.