UmftUrzkv in der)Matisr.F,n Sommer, wenn die Vegetation in Feld und Wald in üppig-fier Entfaltung steht, dann lvird eine bestimmte Gruppe von Lebe-Wesen nur selten Beachtung finden, jetzt aber, wo Baum und Strauchsich ihres Laupschmuckes entledigt haben, da wird sich diese Gruppeauch dein Auge bemerkbar machen, welches nicht gerade danach sucht.Es sind die Flechten, eine der unscheinbarsten Pslanzenfamilie.Wie sehr werden diese so einfach gebauten Lebewesen, die nach vandielen Menschen als gar nicht lebende Geschöpfe betrachtet werden,derachtct; die Wissenschaft hingegen weiß ivahre Wunder von diesenkleinen, unscheinbaren Wesen zu berichten. Wir finden dieseFlechten teils als kleine braune, gelbe oder graue Flecken undKrusten an Felsen, Mauern, morschen Planken, Bretterzäunen usw.,teils begegnen sie uns als Lappen oder lang herabloallende Bartean den Bäumen.Am härtesten Stein vermögen sie zu vegetieren; sie vertragendie ärgste Sonnenglut, die grimmigste Kälte ohne ersichtlichen Nad�teil; kein Sturm, keine Ueberschivemmung, weder Trockenheit nochSchnee und Eis sind imstande, sie zu vertilgen. Hat die Sonnediese Lebewesen einmal zusammengetrocknet, so eriveckt der ersteRegentropfen sie wieder zu neuem Leben und freudig nehmen sieden Kampf ums Dasein wieder auf. Dem Felsen ihre kärglicheNahrung entziehend und unbekümmert um den sie umtobendenKampf der Natur schaffen sie die Grundbedingungen für eine neueFlora. Allen Anfechtungen der Naturgewalten weiß die kleineFlechte zu begegnen, und wenn sie ihr Dasein beschließt, dann hatsie für den„Umsturz" die wesentlichste Grundbedingung geschaffen:die erste Bresche ist geschlagen.Wenig Nahrung bedarf so eine am harten Stein anhaftendeFlechte nur, aber diese Nahrung wird zum Teil der Unterlage en:-zogen und so wird der Stein angegriffen, die erste, durch organischeSubstanz hervorgerufene Umwandlung geht am Felsen vor. Dieabgestorbenen Flechtenkörper hinterlaffen eine winzige Spur'vonHumus, und dieser bietet neuen Lebewesen einen willkommenenAngriffspunkt auf den Felsen. Da kommen zunächst die Moose,welche schon etwas mehr Anspruch an das Leben stellen als dieFlechten. Im Humus der abgestorbenen Flechten vermögen sie zukeimen und setzen dann das Zerstörungswerk ber Flechten fort.Auch die Moose sterben ab, dabei die Humussubstanz vergrößernd,nach und nach vermögen sodann Farne, Gräser, Steinbrechartenund andere Kinder der Gebirgsflora den Platz einzunehmen, dendie Flechte zuerst dem kahlen Felsen abtrotzte. So wird immermehr und mehr Humuserde angehäuft, daß sehr bald Zwergföhren,ja selbst Strüucher oder gar Laubbäume ihre Nahrung einer einst-mals vollständig kahlen Felsenstelle entnehmen können. Auf dieseWeise haben sich unsere Gebirge bewaldet, was allerdings nicht soschnell geschah als es zier erzählt ist, wozu es vielmehr nach Jahr-taufenden zählender Zeiträume bedurfte.So sehen wir hier die unscheinbare Flechte als einen ganz ge-wältige» Umstürzler auftreten, der aus kahlen, öden Erdstrichendie herrlichsten Waldungen vorbereiten hilft, wozu noch andereUmstände ihren Beistand geben. In den Reiseberichten unsererNaturforscher finden wir sehr oft Beispiele dieses gewaltsamenUmsturzes, wovon hier zweier gedacht werden soll.Humboldt fand auf den nackten Trachytfelsen, welche die Anden-kette durchbrechen, in erstaunlicher Höhe auf ringsum nackten Felsendie zarten, schwarzen und grünen Rosetten der sogenannten erd-beschreibenden Flechte(Ubi�ocarpon gcographicum), und die nämliche Flechte findet sich auch auf dem mit Ouarzadern durchzogenenGrämt, welcher das Nordkap bildet. Die kleine, unscheinbarePflanze greift den härtesten Stein, den glattesten Granit an, siesucht die Blöße des Felsens zu decken und die einstige Aufnahmevon Moosen, Farnen und anderen Pionieren der Pflanzenwelt vor-zubereiten. Noch andere Flechten gesellen sich zu ihr, verwesen undbilden so geeigneten Untergrund für etwas höher stehende Pflanzen.Kleine Häufchen von Onarzsand geben saftreichen Pflanzen ihreNahrung; aus den verwesenden Organismen bildet sich eine Humus-sqicht und dann nehmen kleine Wolfsmilcharten und Fettpflanzendie Stelle der Krhptogamen ein. Auf dem Gipfel des Pic du Midientdeckte Ramond auf einem sehr beschränkten Raum bl Arten vonFlechten, welche seit Jahrhunderten den Gipfel des Felsens vor-bereitet haben, so daß jetzt schon Blütenpflanzen auf ihm zu findenfind.Auch dort, wo sich durch irgend einen Umstand Neuland gebildetauf dem höhere Pflanzen nicht ohne weiteres zu leben ver-mögen, treten Flechten im Perein mit anderen niederen Pflanzenals Pioniere auf und bereiten den Boden vor für die Existenzhöherer Begetabilien. Das vermag unter Umständen sehr rafch zugeschehen. In der Näh« Eisenachs waren infolge heftiger Regen-güsie Erdrutschungen erfolgt, die an den steilen GebirgShängenRieselterrassen abgerutschten Bodens und tiefe Klüfte erzeugten,in denen das Gestein zptaze trat. Die Pioniere der Vegetation,Flechten und Moose, bekleideten recht schnell die nackten Hänge. Sicerzeugten genügend Humus, daß Gräser ihr Leben fristen konnten.Dem Bode» mangelte es noch an Feuchtigkeit, so daß einstweilennur Trockenpflanzen das Feld zu behaupten vermochten. Immertzichter wuchs die Vegetation heran und nach 12 Jahren war schonein undurchdringliches Gebüsch entstanden. Ein« Vegetation unter-drückte die andere, bis endlich die Buche den Boden annehmbar fand.Nach einigem Kampfe war sie die Alleinherrscherin; innerhalb derZeit eines MenschenalterS war auf kahlem, felsigen Boden ein stillerBuchenwald entstanden, dessen Existenz ohne die umstürzlerischeTätigkeit der niederen Pslanzcnorganismen unmöglich gewesenwäre.Weitere Beispiele der auf Umsturz zielenden Tätigkeit in derVegetation beobachten wir, wenn wir einen Steinbruch oder einendurch das Gebirge gespreizten Weg in Augenschein nehmen. Dasehen wir, daß der Felsen nur mit einer sehr dünnen Erdschichtbedeckt ist, zu der Flechten und Moose den ersten Beitrag lieferten.Diese dünve ErMchicht bietet natürlicherweise größeren und stär-kcren Pflanzen nicht den genügenden Halt, darum dringen diesedann mit ihren Wurzeln in das Gestein ein, dieses zerstörend undzersprengend. Auch auf altem Gemäuer, Burgruinen und der-gleichen finden wir häufig größere Bäume, wie Birken, Ulmen undandere; hier sehen sich die Pflanzen gleichfalls gezwungen, mit ihrenWurzeln in das Mauerwerk einzudringen, da von Erde nicht vieldie Rede sein kann.Welche Kraft den Wurzeln innewohnt, um festere Gegenständezu durchdringen, davon wird auch jeder Gartenbesitzer sich Beispieleverschaffen können. Leicht siedelt sich im Garten ein lästiges Un-kraut an, die Quecke, die mit ihren scharfen Wurzeln und AuS-läufern sehr oft durch harte Gegenstände, die mit dem Dünger odersonstwie in die Erde gelangen, hindurchdringen. Holz, Leder unddergleichen bietet diesen Zerstörern keinen Halt.Die in daS Gestein eindringenden Wurzeln scheiden verschiedeneSäuren aus, welche den Felsen chemisch angreifen und zersetzen»denn die Wurzel entnimmt auch dem Felsen Nährstofse. So wirdder Stein porös, wenn die Wurzeln absterben. Luft, Wasser undFrost vermögen in die Lücken einzudringen und einzuwirken. Dieseatmosphärischen Einflüsse im Verein mit den von den Wurzelnausgeübten physischen und chemischen Einwirkungen verwittern dasGestein immer mehr und mehr, cS wird stetig lockerer. Ein Sturz-regen, ein Lawinensturz oder eine ähnliche Naturkatastrophe hatdann leichtes Spiel, den gelockerten Fels ins Tal zu führen. Unddie Flechte, die die erste Ursache zu diesem Absturz bildete, nimmtunten im Tal auf den Schutt- und Geröllmassen ihre Tätigkeitwieder aus, um den Boden aufs neue für die Vegetation zu erobern»um auä rohem Erd- und Steingemenge Kulturboden erstehen zulassen.Eine lebhafte Unterstützung in der Bodenbearbeitung ersteht denniederen Organismen der Pflanzenwelt in der Wühlarbeitallerlei Tiere, darunter vornehmlich des Regenwurms.Durch die Röhrcngänge, welche der Regenwurm in großer Zahldurch den Erdboden zieht, vermag die Luft besser einzudringen, auchdem Wasser und dem Frost werden die Einwirkung erleichtert undso verwittert ein vom Regenwurm stark bewohnter Geröllhaufenschnell. Dazu kommt, daß die vom Regenwurm in die Gängehrneingezogenen Vegetatwnsüberreste, Blätter und dergleichen durchschnelle Verwesung die Humusbildung beschleunigen. Der Regenwurm läßt nicht wenig Erde durch seinen Körper passieren, die mitden Kotmassen zugleich auf die Oberfläche der Erde gelangt, woder Regen beides auswäscht und dem Erdboden wieder als neuePflanzennährstoffe einverleibt. So ist der unscheinbare Regenwurmein wesentliches Glied im Haushalt der Natur, der mit Recht An-lpruch auf die Bezeichnung des ersten Ackerers erheben kann. Nichtnur daß er den Boden emsig Pflügt, indem er unablässig die Erdeaus der Tiefe wieder zur Oberfläche führt, sondern auch für reich-liche Düngung sorgt er.Beim Absterben, Verwesen der Pflanzen ergibt sich als Zcr-setzungsprodukt Wasser und Kohlensäure; ist jedoch der Luftzutrittbeim Zersetzungsprozeß gehindert, so entstehen außer diesen Pro-dukten auch noch Kohlenwafferstosfe, während ein Teil der Planzen»reste als Kohle nachbleibt. So bildeten sich der Torf, die Braun-kohle und die Steinkohle. Ganze Wälder, ganze Vegetationsgebietegelangten durch irgend welche Vorkommnisse zu Fall, sie stürztenund wurden mit Wasser oder mit Erde bedeckt; ihre lleberrestedienen uns heute in der mannigfachsten Weise zur Erhaltungunseres Lebens.Auch der Kieselgur wäre hier zu gedenken, die nichts anderesist als lleberreste von Pflanzengebilden. Mikroskopisch kleine Algen.Diatomeen genannt, sind die Urheber. Die Vermehrung dieser Algegeschieht durch einfache Zweiteilung ungemein rasch; ihren Lieb-lingsaufenthalt bilden Seen und Sümpfe. Aus der Ostsee werdenjährlich Tausende von Knbikfuh zur Vermeidung des Berschlammensder Häfen ausgebaggert. In den Sümpfen geht die Vermehrungcftmals so schnell vor sich, daß die Rasendecke aufspringt und dieKieselgur, aus abgestorbenen Algen bestehend, zutage tritt. In dernorddeutschen Tiefebene befinden sich viele solcher Kieselgurlager.Der Untergrund von Berlin besteht zum nicht geringen Teil ausden Kicselschälchen abgestorbener Diatomeen.In kalkhaltigen Seen und Teichen, wo zahlreiche Pflanzen, wieAlgen, Wassermoose und andere, in großen Mengen gedeihen, welchedie Kohlensäure dem Wasser entziehen, scheidet sich der Kalk aus»er verliert durch den von den Pflanzen hervorgerufenen Prozeßseine Löslichkeit, sinkt zu Boden und bildet hier förmliche Lager.