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leicht ein fehr nettes erftes Abenteuer für ewig an den Hals| feelt, belebt und immer Neues hervorbringt. Salis und Bronefis hängen tönnte. Plöblich fällt ihm ein, daß der Junge nicht einmal( in Kellers Meisternovelle Romeo und Julia auf dem Dorfe) Geld genug bei sich hat, um Beiden ein Nachtmahl zu kaufen. Dann Buppentorfo ist erst ein Kind, das im Wagen spazierengefahren lacht er über sich selbst, daß er den jungen Leuten jezt Nahrungs- wird. Dann wird die Puppe zur Königin auf ihrem Distelthron. forgen zumuten konnte. Nun dient sie wieder als Zielscheibe für Salis' Schießversuche, dann als Fangball und endlich als Studienobjekt für den Forschertrieb der Kinder. Wie die Puppe dahin ist, bemächtigt sich die Phantasie des Puppenkopfes. Er dient erst als Topf für die dem Puppenbalg entströmende Kleie, dann als Käfig für eine große Brummfliege, gulegt wird er als Sarg in die Erde versenkt. Dieses Umdenken, Umschaffen, Umdichten der Wirklichkeit in Jllufionen ist es, was beim Spiel das größte Interesse erregt, das höchste Lustgefühl hervorruft.
Aber wenn jetzt ein neidisches Weibsbild stehen bleibt und die jungen Leute begafft, wird der faiserliche Rat wütend. Dann geht er, scheinbar ahnungslos, von der entgegengesetten Seite auf die Gafferin los, tritt ihr wie unversehens gröblich auf die Zehen, entschuldigt sich ganz ergebenft und lacht beglückt in sich hinein, wenn die blöde Gafferin ihre Aufmerksamkeit sogleich ihrer schwer verletzten gehe zuwendet. Den Gaffenjungen, die das Paar höhnend kopieren, fann er glüdlicherweise ein bißchen Zuderwert anbieten, das er immer im Ueberrod trägt. Mit ein paar Hellern bertreibt er sie ganz. Mannsleute, die mit infamem Lächeln an den Kindern vorbeigehen, stößt der kaiserliche Rat, wenn die Leute stehen bleiben und wenn das Lächeln gar zu eflig ist, unbarmherzig zur Seite, natürlich mit der allerhöflichsten Bitte um Verjeihung.
So geht der Vater hinter seinem Sohn und der, die zu feinem Sohn gehört. Ohne daß es irgend wer bemerkt, schafft er die Gaffer und Nerder und Laufejungen beiseite, vedrängt still und schüßend alle, die die Versunkenen weden könnten.
Das Hellgelb, das Grünblau, das Orangerot erlischt am Himmel. Es wird sehr dunkel.
Da biegt der kaiserliche Rat in eine lange, schlecht beleuchtete Gasse ein und geht sehr nachdenklich, ganz allein, den leeren Weg weiter.
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Darum spielt das Kind so gern mit der Fußbant, weil sie der Einbildungskraft so viele Anknüpfungspunkte bietet. Sie ist nicht bloß Wagen, Schiff, Kutscherbock, Kaufmannsladen, Pferdestall, fondern auch Bierkasten, Photographentasten oder Schild beim Kampfspiel, Darum spielt das Kind so gern mit dem Bautasten, weil die Möglichkeit, seinen Teilen verschiedene Formen und Zwede zu geben, fast ebenso unerschöpflich ist wie die findliche Phantasie. Darum stellt das Kind mechanische Spielsachen, bei denen es sich mit Aufziehen und Zuschauen begnügen muß, die teinen Wechsel gestatten, die feinen Händen, seinem Geiste, seiner Phantasie so wenig zu tun geben, gar bald wieder achtlos in die Ede oder es löst sie in ihre Teile auf. Daraus erklärt sich auch die unwiderstehliche Anziehungskraft, die das Wasser, der Sands haufen, der Lehm auf das Kind ausüben. Alle diese Dinge engen die Phantasie nicht ein, sondern lassen ihr den weitesten Spielraum, geben ihr Gelegenheit au mannigfaltigster Betätigung.
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Es gibt im Leben des Kindes teine einzige Betätigung, bei der alle wickelt und geübt werden,
Warum fpielen die Kinder fo gern? bitte eine Sträfte und Anlagen so vielseitig und so star!" ent
DBK
Um eine glatte Antwort wird wohl kaum jemand verlegen jem: fie spielen, weil es ihnen Vergnügen macht. Und damit ist so ziemlich das Richtige getroffen.
Was es aber ist, das diese Spielfreude und die Spielstimmung hervorruft, diese Frage ist schon schwieriger zu beantworten. Schon Herbert Spencer , Schiller, Fröbel, Lazarus haben sich damit beschäftigt. Auch in neuester Zeit hat die Wissenschaft sich wieder eingehend mit dem Spielproblem befaßt und jene Frage in annähernd erschöpfender Weise beantwortet. Konrad Lange ( Das Wesen der Kunst, Berlin 1901) begründet den Genuß am Spiel und an der Kunst mit der Lehre von der bewußten Selbsttäuschung als Ergänzung des Lebens. Karl Groos ( Die Spiele der Tiere, Jena 1896 Die Spiele der Menschen, Jena 1899) löst in einem grundlegenden Werte das Problem vom naturwissenschaftlichen, entwidelungsgeschichtlichen Standpunkte, vom menschlichen Trieb leben aus.
Die Herzenshingabe des Kindes ans Spiel erflärt fich aber auch aus einer anderen Tatsache: Das Kind hat auch deshalb einen so großen Genuß am Spiel, weil es schaffender Künstler und schauendes Publikum in einer Berson ist, weil es Sch a ffensfreude und Schaulust zu gleicher Zeit empfinden tann. Und wegen diefer starten Lust, wegen der gesteigerten Kraft und Lebensgefühle, die Sas Spiel begleiten, führt das Kind die Selbsttäuschung so gern, so oft als möglich, bewußt und vollkommen willkürlich herbei.
Endlich dient zur Beantwortung unserer Frage noch ein Drittes: Das Spiel beruht auf zwei treibenden Mächten und Willensquellen, die bei keinem anderen Tun, nicht einmal immer bei geistigem und fünstlerischem Schaffen, in so hohem Maße wirt fam find: auf Freiheit und Neigung. Weil sich beim Spiel alle Kräfte entfalten, weil das Kind sich ihrer bewußt wird, weil da durch alle Lebensgefühle heraufgeftimmt, gesteigert und gefördert werden, darum ist das Spiel eine der allerwichtigsten Lebensäußerungen im Kindesalter. Es ist der Wir wollen hier alle gelehrten Auseinanderseßunaen beiseite Ausdrud einer gefunden förperlichen und geistigen Entwidelung. laffen und die Frage von den Erfahrungen und Beobachtungen Strante und schwache Kinder verschmähen das Spiel, idiotische des täglichen Lebens aus zu beantworten fuchen. Peter Rosegger bleiben auf einer niedrigen Stufe des Spieles stehen; beim erzählt in einem seiner Bücher von den Spielsachen seiner Wald- tranten Kinde ist die erwachende Lust am Spiel nicht selten ein bauernbubentindheit( Allerhand Spielzeug). Sein Hauptspielzeug Zeichen erwachender Kraft, ein Zeichen der Genesung.
war lange Zeit das Papier. Er benutzte besonders die Einvidelung und die langen Bettel von den Arzneiflaschen, die der kränkliche Bater von der Botenfrau öfter aus der Stadtapotheke holen ließ. Leider ließ sich der fleine Beter von seinem Spieleifer so weit hinreißen, daß er nicht bloß das Steuerquittungsbüchel des Vaters gerschnitt, sondern auch das Gebetbuch der frommen Magd. Aus Sem Papier schnitt der Bub einmal die Weltstadt Paris aus und stellte die fertigen Häuser fein säuberlich auf den Tisch. Aber die Stadt mußte auch bevölfert werden. Da postierte er um das Stönigsschloß große Stachelbeeren, das waren die Soldaten. In den Gaffen aber wimmelte es von schönen Frauen roten Breißel beeren und Männern blauen Heidelbeeren Wie Peter lange genug damit gespielt hatte, ließ er über die abgöttische Stadt einen gewaltigen Sturmwind tommen. Er blies ihn mit vollen Backen so stars dahin, daß die Häuser zu Dubenden einstürzten. Nun wurde Paris neu aufgebaut. Endlich ließ Peter die Weltstadt durch eine Feuersbrunft elend zugrunde gehen.
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Er hat also nicht bloß mit seinen Häusern, Mauern und Schlössern gespielt, er hat sie auch geschaffen und wieder zugrunde gehen lassen. Das wäre auch mit der allerschönsten Stadt aus bem Spielwarenladen nicht möglich gewefen. Außerdem hätte es da bei weitem teine so prächtigen Häufer und Schlösser gegeben, als fie der Knabe mittels feiner Phantasie hinter den einfachen Spielsymbolen aus Bapier fah. Denn: An reicher Wirklichkeit verarmt und weltt die Phantafie"( Jean Paul ). Das Spiel mit so einfachen Rohmaterialien- Papier, Bappe, Hölzchen, Stäbchen, Zwirnrollen, Wäscheklammern, Korken, Schavedenschachteln, Lehm usw. ist außerordentlich anregend für das Kind. Zu dem Reiz des Spielens mit der fertigen Sache Tommt der ebenso große Reiz des hervorbringens, Schaffens, Gestaltens, lrfacheseins". Nicht bloß die Fertigkeit der Hand, der spekulative Berstand, die Anschauungskraft, der Formenund Farbenfinn werden dabei geübt und gebildet, sondern auch die Bhantasie hat den allerweitesten Spielraum zu schöpferischer Entfaltung.
Diese schöpferische Phantasie ist es, die das Kind aus der wirklichen Welt in eine viel schönere, erdichtete, erträumte verfebt; fie ist es, die alle Dinge abändert, umdeutet, umschafft, be
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Alles Spiel beruht auf mächtigen Trieben und Instink. ten. Schiller und andere Forscher nahmen einen ganz besona deren, den Spieltrieb an. Jebt wissen wir, daß bei der Entstehung und beim Vollzug des Spieles fast alle Triebe der Nach ahmungs-, Bewegungs-, Geselligkeits-, Kampf- und Selbsterhal tungstrieb, sogar der Hunger und die Liebe beteiligt sind. Das Spiel ist für die innere und äußere Entwickelung des Kindes fast ebenso wichtig wie Atmung und Ernährung, Ruhe und Bewegung. Am Spiele übt und entwidelt das junge Tier zuerst seine Glieder, feine Sinne und Instinkte, alle seine Kräfte, die es später, wenn es der Pflege und dem Schuße der Mutter entwachsen ist, im Kampfe ums Dasein braucht. Auch für das Kind ist das Spiel Lebensbedingung, Lebensinhalt, Lebenszwed; beim Erwachsenen tritt an seine Stelle die Arbeit.
Warum spielen die Kinder so gern? Die zusammenfassende Antwort lautet: Weil das Spiel ein fast ungehemmtes Sich ausleben der Kindesnatur ermöglicht: alle Kräfte, vor allem die schöpferische Phantasie können sich dabei so frei enta falten wie bei teiner einzigen anderen Betätigung; weil das Spiel deshalb von den stärksten Luftgefühlen begleitet ist, durch die alle anderen Lebensgefühle und Lebenskräfte heraufgeftimmt und gesteigert werden; weil das Spiel auf zwei der wirksamsten Willensquellen und Schaffensbedingungen beruht: auf Freiheit und Neigung; weil das Kind beim Spiele bewußt einem mächtigen inneren Drange, geheimnisvollen Trieben und Instinkten folgt.
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Ueber das Spiel herrschen noch allenthalben eine Menge von Vorurteilen; es gilt noch heute vielfach als Gegensatz zu Ernst", Lernen"," Arbeit". Aber das Spiel ist nicht bloß Zeitvertreib, Tändelei, Erholung, Genuß, es ist ein Schaffen, bei dem alle Sträfte des Leibes und der Seele lebendig werden. Noch heute begegnet man nicht selten der Meinung, tas Spiel fet etwas, was man wohl dem kleinen Kinde gewähren, dem größeren aber nach und nach abgewöhnen müsse. Das ist grundfalsch! Laßt die Kinder spielen, fobiel fie wollen, auch die größeren, so lange fie dabei ihre Pflichten in Haus und Schule nicht zu sehr vernach lässigen. Neben ihnen muß noch Raum genug fürs Spiel fein, und wo keine Zeit dofür vorhanden ist, muß sie geschaffen werden.