«oltc niehr fach ganz Europa hin und zurück durchkreuzt, umsich, wenn sie in Petersburg weilte, auf eine Stunde, einenMoment, dem grausamen Genuß des Anblicks eines Box-kampfes in London, einer Eruption auf der Place de laNoquette hinzugeben.(Fortsetzung folgt.)Die flecienmus/)Von Wilhelm B ö l s ch e.Die Fledermäuse sind Spezialisten in ihrem EmpfindungZlebcn,aber ausgespart nach der Seite, die bei den übrigen Säugern dienebensächlichste ist. Die Fledermaus legt gar kein Gewicht auf das,was ihren Kollegen in der Lust, den Vogel, und ihren Rivalen inder Dunkelheit, die Katze, so stark gemacht hat: die Lichtwellen.Gerade ihre beweglichsten, intelligentesten Arten verschmähen eSdurchaus, die spärlichsten Lichtrest« ihres Tämmerungsbcrcichs mitriesigen Katzen- oder Eulcnaugen aufzufangen, sie begnügen sich mitwirklichen, winzigsten Mäuse- ja fast Maulwurfsäugelchcn. Auch diechemischen Reize der Luftbeimischungcn, die die Nase kitzeln und inderen Erfassen das Säugetier sonst fast überall an der Spitze mar-schiert, sind ihnen ebenfalls recht sehr Nebensache. Sie sind wederAethertiere, noch feine Riecher des Erdgeruchs. Aber ihreSpezialität, die Spezialität echter Luftkinder, ist die bloß bewegte.irgendwie mechanisch behandelte Lust selber. Spezialisten diesesLuftdrucks sind sie.Bei schwimmenden Tieren spielte der Druck des Wassers aufdie Körperwände eine grosse Rolle, besondere feine Sinnesorganeder Haut empfanden und maßen ihn, Organe die nachher bei demLandtier zum Haar geworden sind. Dieses Haar bekam dann durch-weg andere Zwecke, nur an einzelnen Stellen hielt es sich noch als„Tasthaar", wie in den Schnurrhaaren des Katzengesichts. Imübrigen ersetzten es die aus dem Lande so viel wichtigeren grossenSinne und es ersetzten es die allgemeine Intelligenz und Beweglich-keit. Die Fledermaus ist nun das einzige Säugetier, das sich nocheinmal wieder dem Urzustände nähert. Statt des Wasserdrucks mißtsie allerdings den Luftdruck, den Luftwiderstand, die Luftbewegung.Aber sie mißt sie wieder sozusagen mit ihrer ganzen Körpcroberflächc.Stärker als bei irgendeinem anderen Säugetier find an ver-schiedencn Stellen dieses Körpers, also nicht bloss um den Mund,die Haare selbst zu Tasthaarcn geworden, deren Haarwurzel je einbesonderer Nervenfaden ringförmig umfasst. Wo aber das Haarfehlt, da trit» die nackte Haut selber wieder als berufene Tastflächemit raffiniertester Nerviatur in Kraft. Und deutlich sieht manjetzt sogar die Tendenz, oas immerhin noch verhornte, spröde Haarzu ersetzen durch möglichst viel solcher direkt fühlenden, direkt vonder Luft gekitzelten Nacktheit. Hier ist der Punkt, der die Flcder-mäuse auf den Punkt gebracht hat. sich wieder zu„entkleiden". DieFlughaut ist bei allen Arten zum grossen Teil schon ganz nackt gc-worden; es ist das der äußerliche Zug, der unsere Flatterer denmeisten Menschen so widerwärtig macht. Ein tropische Art von denSundainseln, die Chciromelesfledermaus, hat aber kurzen Prozeßgemacht und auch den Körperpelz radikal geopfert bis zu einerNacktheit, die den Menschen noch übertrifft. Immerhin hieß dasaber ein wirkliches Opfer bringen, das bei Tieren kühler Zonenoder Nächte und auch sonst in mehrfachem Sinne einen Verlustfür ein Säugetier bedeutete, den doch wohl eine einzelne Sinnes-leistung nicht allgemein aufwog. So sehen wir eine grosse AnzahlJlatterer etwas ganz besonderes als Vermittelung wagen.Sie wahren zwar ihren Leibespelz, schaffen aber künstlicheNacktslächcn mit feinstem Nacktfühlen der Haut durch ungeheuer-liche besondere Auswüchse, wie sie sonst kein Säugetier kennt. DieHaut, die sich ihnen schon zwischen den Spinnenfingcrn schier insUngemessenc als Flughaut ausgereckt hat, sproßt ihnen auch noch') Wir entnehmen dieses Kapitel, aus dem wir ausRaumgründen leider den entwickelungsgcschichtlichen Teil fort-lassen mußten, mit gütiger Erlaubnis des Verfassers dessen ebenerschienenem„Tierbuch"(Verlag von Georg Bondi, Berlin). DerPreis des 312 Seiten starken, mit Tafeln geschmückten, gut aus-gestatteten Buches ist ein wirklich und hoffentlich auch wirksam Volks-tümlicher: 2,ö0 M. Bölsche will in dieser aus mehrere Bände be-rechneten„volkstümlichen Naturgeschichte" ein« Art Hülfsbuch für dieBesucher unserer zoologischen Gärten geben, das„die äusseren Bilderzu einem inneren Erlebnis einheitlich verknüpft". Der vorliegendeerste Band, der einzeln käuflich ist und auch so ein geschlossenesGanzes bildet, umfasst die niederen und mittleren Gruppen derSäugetiere: die Ursäugcr und Schnabeltiere, die Beuteltiere, dieSchuppentiere, die Insektenfresser, die Fledermäuse, die Pelz-flatterer, die amerilanischen Zahnarmen(Faultier Gürteltiere usw.)'und die niedrigsten und altertümlichsten Huftiere, die Klippschliefer.Ausser einer Fülle neuen Wissensstoffes wird hier lebendigste An-schauung, plastische Schilderung und der grosse Zusammenhang derEntwickelungsgeschichte geboten, kurzum Wissenschast. die Literaturgeworden. Es kann sein, daß die eine oder andere Hypothese wissen-fchaftlich überholt werden wird oder bereits ist. Das ist unvermeid-lieh und hat im Vergleich zu d-.n grossen und bleibenden Verdienstenvon Büchern dieser Art, die dem Leben dienen, nichts zu bedeuten.auf der Nase und am Ohr in kolossalen freien Platten oder Dütenvor und erzeugt hier zu den auch schon sehr fein fühlenden Flug-segeln noch ganze Garnituren besonderer Fühlsegel, vergleichbarden Papierdrachen, die der Meteorologe zu Studien über die Luft-Verhältnisse aussteigen läßt.Das tollste Ding find dabei die Nasenblüten. Es ist, als wüchsewirklich eine grosse verwickelte Orchideenblüte mit doppeltemunterem Lippenlappen und einem hohen spitzen Sporn nach obenauf der Nase vieler Fledermäuse. Der Vergleich mit der Orchideeist dabei ein sehr anständiger. Eigentlich ist es ein ziemlich wider-wärtiges Gekringel aus schmieriger Faltenhaut, ganz un-proportioniert dem Gesicht aufgeklebt wie eine schmutzige, angc-schmolzcnc, fettende Wachsnasc im Karneval. In allerlei sinn-reichen Namen wie..Blattschnauze",„Klappnase",„Ziernase", amschönsten in„Hufeijcnnase" haben die Zoologen diese hängendenBlumengärten der Fledcrmausnase systematisch zu verwerten ver-sucht. Etwas weniger grotesk find die Tastsegel über der Ohr-ösfnung. Man tut ihnen nur auch durchaus unrechh, wenn mansie als einfache, etwas gross geratene Ohrmuscheln bezeichnet. InWahrheit sind eS ebenfalls besondere Hautsegel mit allerlei Hülfs-falten, Zipfeln und Gegendcckeln, von denen man bloss sagen kann,daß sie wohl auch als Ohrmuscheln dienen. DaS Gehör steht imRufe, selbst sein zu sein, wofür der ausserordentlich hohe, unseremMcnschcnohr fast nicht mehr deutlich fassbare eigene Schrei unsererFledermäuse als Beweis angeführt zu werden pflegt; es liegt nahc�daß es sich um ein besonders angepaßtes„Mückenohr" für über-feine Geräusche, wie das Summen und Schwirren fliegender In-selten, handelt, während derberer Schall vielleicht sehr wenigWirkung tut oder gar durch die raffinierten Ohrklappen negativabgefangen und absichtlich abgelenkt wird. Schliesslich gehören dieSchallwellen ja auch zu den Lustbewcgungcn und das Ohr wird daebenfalls seine Rolle spielen als Registrator, obwohl der Bau derGehörknöchelchen sich als solcher nicht eben über die Stufe des In»sektenfressers erhebt. Keinesfalls aber sind die äusseren, muschcl-artigen Ohrgebilde in der Form, wie sie sich bei vielen Jleder-mäuscn ausgestaltet finden, nur sei eS Schutz- oder Hülfsorganedes eigentlichen� in der Tiefe des Jnnenohrcs fitzenden Gehör-organö selbst. Auch sie sind unmittelbare Fühlsegel. Es ist, alskehre die Verinnerlichung und Trennung der Sinne hier wiederzu den Anfängen zurück, wo die ganze Haut der ältesten Tiere«challschwankuNgen der Luft unmittelbar als Druck fühlte, das„Hören" also selbst noch eine reine Tastempfindung war. Sokönnen denn auch diese Segel gar nicht gross genug sein: bei unsererOhrenfledermaus erreichen sie die volle Länge des Körpers, so daßman ein Tier hat, das„halb Ohr" wäre. Indem„Ohr" an„Ohr"bei entsprechender Breite rührt, wird gelegentlich eine förmlicheFühlkrone um den ganzen Kopf geschaffen. Dieser Kopf abererreicht mit der Kombination all dieser Dinge den Gipfel seinerAbsonderlichkeit. DaS Wörtchen häßlich paht zuletzt nicht mehr.Die Natur scheint hier Witze zu machen im Stile von Rabelais.Und doch dienen all diese Extravaganzen nur einem einzigen Sinn.einem äusserst praktischen.Blende die Fledermaus, die dir diese Fratze entgegenstreckt.verstopfe ihr die eigentliche Gehöröffnung mit Wachs und laß sie ineinem verwickelten Korridor, der mehrfach in scharfer Ecke abbiegt,herum flattern: sie biegt stets genau uni die Ecke, ohne anzulaufen;ziehe feine Fäden obendrein noch von Wand zu Wand: sie gaukeltdarüber weg, darunterher, geht rechts und links vorbei, das allesim schnellsten Fluge, der ihr gegeben ist, ohne irgendeinen Zu-sammenstoss. So hat eS Spallanzani schon im 18. Jahrhundertbeobachtet, und selbst in der Laienwelt hielt sich seitdem der Ruhmseiner geblendeten Märtyrer. Sic müssen einen„sechsten Sinn"Kaden, diese Fledermäuse, hieß es davon. Aber dieser vielumfabeltssechste Sinn ist nichts anderes als eben der aufs feinste ausgebildeteTastsinn dieser Fühlhärchen und Nacktslächcn selbst, der in der Tatso stark ist, daß er die Ecke oder das Seil des möglichen Anstoßeslängst fühlt, eye er wirklich dagegen stößt: er fühlt nämlich denstärkeren Druck der Luft, die sich vor dem nahenden festen Gegen-stand zusamnicnprcsst, und tastet sich so schon in dieser„Luftenge"genau so vorbei, wie wenn eS der im Wege ragende Gegenstandselber wäre, womit natürlich ein wirtliches Anstoßen ganz un-möglich gemacht wird. Was sich aber hier von dem rohen Experi-ment gewaltsam noch bewährt, das ist draußen ein unersetzlichesLebenSmoment des unruhigen Flattercrs. Mit diesem Entlang»tasten am stärkeren oder geringeren Lustdruck ist es ihm vergönnt,so wild und tollkühn hin und her zu schießen, jetzt im Zickzack umDach und Schornstein, daß man jeden Moment meint, es müsse einsKarambolage geben, die das schwache Geistchen in Grund undBode» schlüge, jetzt jäh fort aus der freien Luft mitten hinein inskrause Geäst des Obstbaumes, wo eS hundertmal mehr labyrin»thisches Gespinstwerk zu meiden gilt als in des Forscher S�künstlicherFadenkammer, und das alles bei stundenlangem Spiel, beiJnsektcnjagd, Liebeshaschen, jäher Flucht, immer und immerwieder ohne einen wirklichen, ernsthafteren Zusammenstoß.Allerlei Lehrreiches gibt dieser Tastflug der Fledermaus nochzu denken, wenn man ihm eine Weile zusieht. Man merkt ihm ge»rade in seiner Eigenart noch deutlich an, wo er einst zuerst er»worden worden ist: im Lichten Walde, im Felsgestein, vor Höhlen-eingängen, von Versteck zu Versteck. Nock heute ist die Fledermaus»ur ein zaghafter Pionier in die ganz freie Luft hinaus. Sieliebt Deckung, gaukelt gern um Gegenstände, kurz sie treibt sich da