begegnen: in irgend einem geschützten Bersteck verfallen auch sie in eine tiefe Ohnmacht, die st« aller Müh« des Nahrungssuchens gtait überhebt. Gleich dem begrabenen Fakir der indischen Sage zehren sie in dieser ganze» Zeit vom eigenen Körperfett, das sich auch bei ,hnen in dem schon erwähnten„Fetrbuckel" vorher angesammelt hat. Ihre Blutwärme stellt sich in dieser Lethargie fast wieder auf Außentemperatur ein. die Atmung hat fast aufgehört. daS Herzchen schlägt nur noch achtundzwanzigmal in der Minute. So geht daS auch hier lange, lange Monate, während draußen der Schneesturm tobt. Aber wenn nun die Hochzeit voran ging? Sie müßte Mutterfreuden bedeuten gerade für diese Zeit. Soll das Fleoermauskindlein geboren werden aus diesem todähnlichen Schlaf der Mutter heraus, soll sie ihm warme Milch bieten, während ihr eigenes Blut fast vor Frost stockt? Tas war vollkommen undenkbar. Aber auch die Schwanger- schaft, allem Brauch altertümlicher und kleiner Tiere entgegen. über die ganze Zeit ausgedehnt sich vorzustellen, hielt fast ebenso schwer; ist sie doch auch bei dem Plazentatier eine nur noch rafsi- nierter« Jnncnsäugung durch die Mutter, die ebensowenig auf diese Tage des Notpfennigs im Fettbuckel und des Atemverzichts bei dieser Mutter Pasten wollte. Es ließ sich denn auch ohne Mühe der direkte Nachweis erbringen, daß bei den Winterweibchen weder äußerlich saugende, noch inucrlich reisende Junge vorkamen, viel- mehr die Mutterzeit unbedingt in der wärmeren Jahreszeit liegt. Man bestimmte also, die Hochzeitszcit müsse auch hier, wie bei der großen Masse aller gordischen Tiere, nicht im Herbst, sondern im Frühling liegen. Aber oa gab es doch auch wieder seltsame Vc- obachtungcn. Sin Forscher fand eine Fledermaus, die unverkcnn- bar schon von der Hochzeit kam, bereits im kalten Januar. Man hatte bemerkt, daß nicht alle Fledermäuse in der kühlen Jahreszeit ganz durchschliefen. Ab und zu regten sie sich. Bald sollte eS an zufällig wärmeren Tage» geschehen; dann wieder sollte es um- gekehrt gerade eine Schutzmaßregel gegen zu weitgehende Blut- erstarruua sein, daß die Fledermaus jedesmal aufwachte und zu flattern begann, wenn ihre Bluttemperatur allzu lebensgefährlich mit der Außcnkälte sank. Sollte man annehmen, daß solche schwan- kcckdcn Moniente gerade schon zum Hochzeiten benutzt würden? Auch das klang wieder höchst unwahrscheinlich. Endlich, nach vieler Mühe, ist die Geschichte aufgeklärt worden,— aber so. daß cigent- lich all diele losen Möglichkeiten durch eine allerunwahrschcinlichstc Tatsache abgelöst wurden. lZortsetzuiig folgt.) Von den Hntlkörpern. Tie Lehre von den Jmmunitätserschcinungcn ist noch sehr jungen Datums. Wenn auch praktische Anwendungen von ihr schon seit längerer Zeit ge»nacht worden find, so doch nur auf Grund von Erfahrungstatsache!,, ohne daß man ihr eigentliches Wesen erkannt hat. Roch nicht 20 Jahre sind verstrichen, daß man zum erstenmal einen tieferen Einblick in dieses so rätselhafte Gebiet erlangt hat und doch sind seit dieser kurzen Spanne Zeit schon so beachtei,»werte und weittragend« Erfolge erzielt worden, dag man mit Recht noch viel für die Zukunft erwarten darf. Unter immun versteht man im allgemeinen die Eigeufchast eines lebenden Wesens, gegen gewisse Krankheiten, die durch unsere kleinsten Lebewesen, die Bakterien(Pflanzen niederster Ordnung) erzeugt werden, gefeit zu sein. Es lvar seit langem bekannt, daß gewisse Menschen in den Zeiten großer Epidemien, z. B. Pest- epidemien, trotzdem sie sich diel mit Kranken abgaben und stündlich sich einer Ansteckungsgefahr aussetzten, doch unversehrt blieben, während andere ebenso kräftig« Menschen bei der ersten Bcrübrung mit Kranken der Seuche erlagen; solche Menschen sind von Natur aus immun. Andererseits wissen wir z. B.. daß ansteckende Krankheiten, loie der Milzbrand, der die eine Tierart in so hohem Maße gefährdet, ein« andere, ihm im System der Tiere nahestehende Raffe überhaupt nicht schädigt, selbst wenn man das Gift in einer hundertfach tötlichen Dosis einspritzt. Hier ist eine ganze Tierart immun von Natur aus. Wodurch diese natürliche Immunität bedingt wird, kann viel- leicht ein Einblick in das Wesen der kirnftlichen Immunität erklären. Spritzt man von dem Gift, z. B. dem Tiphteritisgift, ein« Menge, die nicht töilich ist. einem Tiere ein, so wird das Tier er- kranken und allmählich gesunden. Nach Eintritt dieser Zeit kann man nun demselben Tiere ein« weit größere Menge des Giftes einfpritzen. ohne daß eS uicriiich geschädigt wird. Und so kann man zu größeren und immer größeren Gaden von Gift gelangen, d. h. man hat das Tier künstlich immun gegen in« betreffende Krankheit, gegen das Gift, gemacht. Untersucht man nun das Bfut eines solchen Tieres, so zeigt sich die merkwürdige Tatsache, daß cS einen neuen Körper enthält, der vorher nicht in ihm enthalten- war. und der sich nur durch die Einspritzungen des GisteS gebildet hat. Dieser Körper— Antikörper(Gegenkörpcr) genannt— hat überaus merkwürdige Eigenschaften. Denn spritzt man einem gesunden, nicht vorher immun gemachten Tter« etwas von diesem Blutserum des Tieres ein. das den Antikörper enthält, so findet sich, das nun auch dieses Tier, trotzdem es niemals mit dem Gift behandelt worden ist, gefeit, immun gegen das Gift ist. Denn eine sonst tätliche Dosis Gift oder selbst noch größere Mengen vermögen keinerlei Krankheit«der Tod zu verursachen. Diese Antikörper sind also von der höchsten Wirksamkett und Bedeutung, und Heilmittet. wie das Diphteritisheilserum, Tetenusheilserum, Tollwutheilserum. Tuberkulin, sind nichts weiter als solche durch allmähliche Im» munisierung von Tieren erhaltenen Antikörper. Sehr merkwürdig find auch noch folgende Tatsachen. Nicht immer sind es allein die kleinsten Lebewesen, welche solche furcht» baren Gifte hervorbringen, oft enthalten auch die Körpersäste einiger Tierarten für andere Tiere furchtbare Gifte, oft auci, finden wir, daß nicht die Bakterien allein, sondern der Boden, auf dem sie leben, sehr heftige Giftwirkungcn ausüben kann. Stellt man sich geeigneten Nährboden her, aus dem die Bakterien sich gut vermehren können, und läßt man dann unter Luftabschluß dio kleinen Pflanzen wachsen, so sieht man nach kürzerer oder längerer Zeit eine sehr reichliche Vermehrung. Trennt man nun die Bäk« terien von ihrem Nährboden und spritzt von letztcrem einem Tier etwas ein. so erkennt man, daß in ihm ein heftiges, äußerst töt» liches Gift enthalten sein muß. Diese Gifte, die durch die Lebens» tätigkeit der Bakterien erzeugt werden, sind auch imstande, Anti» körper zu bilden. Biel merkwürdiger aber ist hier noch die Tatsache, daß die Gabe Gift, die heute vielleicht tätlich ist, nach einigen Tagen gar keine oder nur noch geringe Wirkung ausübt. Danach verlieren diese Gifte ihre Gefährlichkeit mit der Zeit; auch das Sonnenlicht mindert die Heftigkeit herab, ebenso die Wörme. So müssen auch die Diphteritisheilsera immer vou Zeit zu Zeit ge- prüft werden, weil auch bei ihnen ihre Wirkungskrast mit der Zeit verloren gehen kann. Sehr interessant ist die Tatsache, daß in dem Blute des AaleS sich ein Körper findet, der in ganz geringer Menge eingespritzt, einen Hund im Augenblick tötet. Ucberhaupt kam» man sich erst eine Vorstelluilg von diesen sogenannten Toxinen machen, wenn man bedenkt, daß t Gramm eines solchen pflanzlichen Giftes hinreicht, um Millionen Meerschweinchen zu tüten. Wenn man nun bedenkt, daß SS Proz. von diesem Gramm noch ungiftige Stoffe(Eiweiß usw.) sind, so sieht man, was für ge- fährliche Substanzen man hier vor sich hat. Tas eigentümliche bei all diesen Körpern ist. daß sie imstande sind, im Blut Antitörpee zu erzeugen, daß man also durch allmähliche Steigerung zu Anfang nicht tätlicher Dosen vollkommene Immunität erzielen kann und daß dann das Blutserum solcher immunen Tiere auf andere über« tragen auch dort Jmmumtät erzeugt. Was diese Gifte und ihre Antikörper sind, weiß man noch nicht. Sie kommen immer nur in sehr geringen Mengen vor und lassen sich Überhaupt in reinem Zustande nicht darstellen. Eine Ber- wandschaft zu anderen Giften haben sie nicht und ihre chemisch« Zusammensetzung liegt ganz im Dunkeln. Die Wirkung von Gift und Antikörper hat man sich nach den neuesten Forschungen so vorzustellen, daß diese beiden sich gewissermaßen zu einer chemische» Verbindung zusamnicntun. Während man früher annehmen konnte, daß vielleicht der Antikörper das Toxin(Gift) zerstört, vernichtet, ist man heute davon abgekommen, denn es ist gelungen aus einer Verbindung Toxin— Äntikörper das Toxin wieder abzuspalten, woS für die oben angegebene Annahme spricht. kleines Feuilleton. Theater. Leffingtheater:»Die gelbe Nachtigall-, Bnr» leske in drei Akten von Hermann Bahr. (Buchverlag von S. Fischer/ Berlin .) Der erste Akt versetzte in die heiterste Komödienstimmung. Man merkte es am Klatschen, wie sehr die witzigen Spöttereien und die pikanten persönlichen Spitzen, deren Keckheit hier noch mehr nach ausgelassener Laune als feiildseiiger Gesinnung schmeckte, amüsiert hatten. Leider hielt der Fortgang nicht, was der Beginn versprochen. Der Humor ward dünner und eine pamphletistische Absicht machte sich mit bedauerlicher Schroffheit bemerkbar. DaS Aufgebot einer sechsköpfigen Dramaturgen- Star und eine Unzahl anderer Anspielungen ließ keine andere uslegung zu. als daß mit dem Direktor Jason, dem eine uuga» rische Kleinstädterin als gelbe Nachtigall aus Japan aufgebunden wird. Reinhardt, der jetzige Leiter de» Deutschen Theaters, der Herrn Bahr seinerzeit als Beirat der Regie engagierte, gemeint sei. Aber dann durfte die parodistisch« Verulkung von allerhand schnür- rigen Aeutzerlichteiten nicht in eine Verhöhnung der Persönlichkeit selbst, deren großzügiger Initiative die Bühne so viel fruchtbar« Anregungen verdankt, ausarten. Dann war es bitteres Unrecht, eine Satire, die sich gegen das ordinäre Spekulantentnm im Stande der Theaterdirektoren richtet, so zuzustutzen, als repräsentiere jener die Sünder. Und wäre er ein Spekulant, so ist er es jedenfalls in einer von der gewöhnlichen Manier so weit abliegenden Art. daß die künstlerischen Interesse» reichen Stutzen daraus gezogen haben. Durch Bahrs Erklärung in der Presse, sein Drama sei kein aas de- stimmte Individuen gemünztes Schlüsselstück und durch die Wid- mung des Stückes an Reinhardt wird der Eindruck berechneter, in verschiedenen Szenen direkt peinlicher Ranküne nicht aus der Welt geschafft. Die Genreszenen auS den Vormittagsstunden eines berühmten Schauspielers im ersten Aufzugs wirkte» in der genialen Dar- stellung Bossermanns ebenso übermütig komisch als verblüffend echt. Sein bloßes Erscheinen, wie er im seidenen Schlafrock mit einem Antlitz, in welchem majestätisch eine Welt von Aerger thront. aus dem-i-chlafzimmer tritt, verzweifelt seine Arme in die Luft wirst, die Zunge ausstreckt und in ein wimmernd demonstratives
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24 (12.12.1907) 241
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