Gähnen ausbricht, rief, eh' er noch ein Wort gefunden, schadenfroh vergnügtes Lachen hervor. In diesem Bilde des großen Katzen- 'ammers nach dem Abendrausche brausender Ovationen lag ein be° anderer Reiz poetischer Gerechtigkeit. In unaufhörlichen Lamen- tationen über die Dummheit deö Stückes, für welches er sein armes Hirn zermartern mußte, die Dummheit des Direktors, der es an- genommen, und die noch größere Eselei des Publikums, das nicht nur ihm, dem wirklich Großen, sondern zugleich der Impotenz des Dichters jubelnd huldigte, macht sich die übellaunige Birtuosenscele Luft. Die Verachtung des Mimen gegen die Zuschauer, von deren Gunst er abhängt, die Selbstverachtung, mit der ihn eine solche Sklaverei angeblich erfüllt dieser hochmütige Pessimismus, dem Rudolf Rittncr neulich, bevor er von der Bühne schied, in feinem DramaNarrenglcmz" pathetisch Ausdruck gab, erschien hier nach seiner wahren Wesenheit in scharf satirischer Beleuchtung. Lachend empfand man, wie sehr das Schimpfen des echten Komödianten über seinen Beruf auch wieder nur Betätigung des Komödianten- tricbeL ist, der, wenn das hart gescholtene Publikum im Augen- blicke fehlt, applausbedürftig, vor sich selbst in einer interesianten Rolle auftritt. Elegien wechseln mit gereizten Ausfällen gegen die Umgebung, bis der Einfall, dem verehrten Direktor durch Krank- Meldung einen Streich zu spielen, die aufgeregten Wogen des Ge- tnütc» zu harmonischem Frieden glättet. Jeder Zug in dem Ge- mälde Bas s ermanns frappierte. Daß alles in ein Element kindisch trotziger Impulsivität getaucht war, nahm der Persiflage die Bitterkeit. Die Handlung, die sich später anspinnt, ist unvergleichlich ärmer an gelungenen Einfällen als diese Schilderung des Zuständlichen. Die Tochter eines verstorbenen Freundes, eine streberische Range, mit guter Stimme und radikaler Jllusionslosigkeit ausgerüstet, läßt dem Virtuosen nicht Ruhe, bis er sie dem großspurigen Direktor als exotische Berühmtheit vorstellt. Aber der betrogene Bühnen- Herrscher ist noch lange nicht, wie der gemütvolle Mime hoffte, zu- gleich auch der Blamierte. Die Kleine hat einen Bombenersolg und der Chef darf sich wieder einmal seines alldurchdringenden Blickes, dem kein Talent verborgen bleibt, rühmen. Nach Wassermann interessierte in erster Reihe Herr Reicher durch die burleske Charakteristik des Direktors, die übrigens alle persönlichen Anspielungen vermied. Aus dem sonstigen Ensemble seien I r e n e T r i e s ch als gelbe Nachtigall, Else Lehmann , Ida Orloff und Herr Marr in der Figur des ewig schlaf- bedürftigen Dramaturgen noch besonders erwähnt. Nach dem zweiten Akte, dem schwächsten gehässigsten, meldete sich die Opposi- tion mit Zischen, am Schlüsse blieb der Beifall unbestritten. Brahm dankte für den abwesenden Autor. ckt. Physiologisches. Die Wissenschaft von der Haarfarbe ist noch immer ziemlich rückständig und das ist vielleicht der Grund, weshalb gerade mit Bezug aus die Haarpflege noch so viel unnütze oder gar gefährliche Quacksalberei ausgeübt wird. Wer von einem Ge- lehrten eine Aufklärung oder eine Abhülfe für ein frühzeitig er- grautes Haar erwartet, wird sich in seinem Zutrauen getäuscht sehen. Man sagt im allgemeinen, das Ergrauen sei ein Vorgang mangelhafter Ernährung der Haare, aber das ist doch nur eine Phrase. Selbstverständlich hat auch die Chemie versucht, dem Rätsel mit ihren Mitteln beizutommen, aber einen entscheidenden Erfolg hat auch sie bisher nicht errungen. Die Bildung von Farbstoffen in den Haaren wird nach der Ansicht einiger Forscher durch die Erzeugung einer Eisenvcrbindung hervorgerufen, die möglickcrweise ous dem roten Farbstoff des Blutes stammt, aber auch das kann kaum richtig sein. Von anderer Seite ist nämlich ermittelt worden, daß ein großer Gehalt an Eisen auf die Haarfarbe ohne Einfluß ist, und daß beispielsweise das tiefschwarze Negerhaar gar kein Eisen enthält. Ein Mitarbeiter desLancet", der den heutigen Stand der Chemie des Haares schildert, erwähnt unter besten Be- standteilcn ferner Schwefel, schwefelsaure Verbindungen und einen ziemlich großen Gehalt an Kieselsäure. Vielleicht baben im all- gemeinen dunkle Haare mehr Eisen als blonde, jedoch sind, von jener Ausnahme des NegerhaareS ganz abgesehen, nußbraune und rote Haare ebenso eisenhaltig wie schwarze. Es wäre indes möglich, daß der Unterschied auf einer höberen oder niedrigeren Verbindung des Eisen? mit Sauerstoff beruht, wie es auch ein schwarzes und ein rotes Eiscnoxyd gibt, von denen dieses gewöhnlich als Rost be- zeichnet wird und mehr Sauerstoff enthält. Wenn auch in diesen Vermutungen ein Stück Wahrheit stecken mag, so genügen sie doch durchaus nicht zur Ausklärung der Veränderungen, von denen die Haare bei Krankheiten und bei vorrückendem Alter befallen werden. Ganz rätselhaft sind die Fälle, in denen ein Ergrauen der Haare durch Störung des geistigen Gleichgewichts im Verlauf von einigen Stunden eintritt, noch wunderbarer berührt die tatsächlich be- obachtete Erscheinung, daß ein blondes Haar während eines An- falls von Geistesstörung völlig schwarz wird und nach der Wieder» Herstellung die Naturfarbe zurückgewinnt. Ethnologisches. Der blaue Gcburtsfleck der Eskimos. Die Kinder der Eskimos bringen einen blauen Flecken in der Größe eines Fünfmarlstücks mit zur Welt, der in der Haut der Krcuzgegend sitzt. Er breitet sich später oft über den ganzen Körper aus und mag wohl auch Ursache sein, daß die Hautfarbe der Eskimos dunkler als die unscrige ist. Bei manchen Kindern verschwindet er jedoch schon einige Monate nach der Geburt. Auch die Kinder der Japaner sollen einen ähnlichen Flecken haben, und eS ist auch die Vermutung aufgestellt worden, daß die ostasiatischen Völkerschaften von den Eskimos abstammen. Dr. Trebitsch hat auf einer Reife durch Grönland dem blauen Geburtsfleck gleichfalls Beachtung geschenkt und erklärt ihn imArchiv für Anthropologie" als ein atavistisches Rudiment, das auf eine Abstammung der Eskimos von einer schwarzen Rasse hindeute, zumal eS in Westgrönland Leute gibt, oie eine fast schlvarze Hautfarbe besitzen. Er untersuchte das eigen- artige Gebilde bei mehreren Kindern und Erwachsenen und fand es verschieden geformt, verschieden groß und an den Rändern der- waschen. Ein sieben Jahre alter Knabe, besten Bater ein echter Eskimo, besten Mutter aber mischrassig war, hatte einen blauen Fleck in der Form eines Schmetterlings, ebenso ein fast vierzig- jähriger Mann von reiner Rasse. Dr. Trebitsch gelangt zu dein Ergebnis, daß die Farbe des Flecks vom mattesten Blau bis zum tiefsten Schwarz wechselt, und daß er nicht als ein Kennzeichen [ik die Reinheit der Raste angesehen werden kann. Mikroskopische tntersuchungen waren nicht möglich, deshalb bleibt die Erscheinung noch unerklärt. Humoristisches. Die Hauptsache.(Aus dem Bericht eines Stations­vorstehers.) Dem Verunglückten, den ich wegen unbesiigten Betreten? der Gleise in lechS Mark Strafe nahm, wurden beide Beine abgefahren, so daß er nach einer Viertelstunde verstarb, ohne die Strafe bezahlt zu haben. Bescheiden. Richter: Angeklagter, der Herr Staatsanwalt hat gegen Sie zwei Jahre Gefängnis beantragt. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen? Angeklagter: Nein, ich bin schon zufrieden, wenn Sie nichts hinzufügen.(Lustige Blätter.") Vorsichtig. Bauer(der<n einem Museum in den Spucknapf spucken will, zum Aufseher):Kost' dös was?" Immer Geschäftsmann. Kaufmann(zu einem Be- kannten über seinen Sohn sprechend):Ich sag' Dir, der Junge ist großartig, wenn ich rechne, wa-Z ich aufgewendet habe, jo verzmst er sich mit vierunddreißig Prozent!" (..Meggendorfer-Blätter.") Rotize». -- Vortrage: U e b e r die Künstler derJugend" u'nb deSSimplicissimuS" spricht am Mttwoch. den 18. Dezember, abends S Uhr, im Bürgersaale de? Berliner Rat­hauses Fritz von Ost int, Redakieur derJugend". Der Vortrag wirb durch Licktbilder erläutert. Der Deutsche Monistenbund veranstaltet am 13. Dezember, abends 8'L Uhr. eine Fichtefeier im Blüthnrrsaal. Dr. M. Rieß hält die Festrede. Der Nobelpreis ist wieder einmal verteilt worden und hat wieder einmal bewiesen, daß diese hochberzige Stiftung eines weltfremden Idealisten ungefähr das überflüssigste in der Welt ist. Shaw hat ciinnal die armen Millionäre verspottet, die mit ibrem Gclde bei Lebzeiten und erst recht nach ihrem Tode nichts Nutz« bringende? anzufangen wifien. Seine ironischen Bemerkungen pasien aus den Nobelpreis, als ob er ihn speziell ins Auge gefaßt hätte. Alfo einige Leute haben wieder einen Hansen Geld bekommen, die eS gar nickt brauchen oder damit nichts für wahre Kulturintercsten Förderliches anzufangen wissen werden. Den FriedenSpreis'erhielten der PräsideM der üalienischen Friedensliga M o n e t a und der französische RecktSgclehrte Renault je zur Hälfte.(Der italienische Schwärmer und der französische Präsident deS Instituts für internationales Völkerrecht werden der internatioimlen Krieg«- bcreitschaft gewiß keinen Abbruch tun). Den Preis für Physik bekam der Cbicagoer Professor Mich elf on, den für Chemie der Münchener Profesior Buchner. der Entdecker der Zymase, den für Medizin der Pariser L a v e r a n, der Entdecker de? Btalariaerrcgers, und den für Literatm Kipling, britischer Imperialist und Dschungeldichter. Da die ganze Nobelpreiseinrichtung eine Chimäre ist, ist eS nutzlos zu fragen, ob es nicht Würdigere gab alS diese. DasVerl . Tagebl." battr den Versuch gemacht, durch eine internationale Umfrage festzustellen, wen einige Leute von Namen in Vorschlag bringen möchten. Anatole France lehnte die ganze Preisidee besonders für Dichter ab, nannte aber als würdigsten Empfänger des Friedenspreises Jaurös, da eine solche Auszeichnung des bedeutenden Sozialistensnhrers, i» dem der'internationale Sozialismus idealer Natur mir seinen Zielen de? ewigen Friedens und der Völkerverbrüderung beredten Ausdruck gefunden hat. der guten Sacke, für die er kämpft, von großem Nutzen werden könnte". Die bürgerlichen FriedcnSrhetoriker lehnte er ab, weit sie die Wurzel des UebelS, den kapitalistischen Staat, nicht bekämpfen. Auch Oclave Mirbeau erklärt sich für Jaurös, verspricht sich aber von der ganzen Sache nichts, da die immer reaktionären Akademien die Kandidaten vorzuschlagen haben. Einige befragte Italiener er- klärten sich für Tolstoi , ein anderer Italiener, der ein Spaßvogel zu sein scheint, für Bülow und Rouvier. Verantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSanstalt Paul Singer&Co.. Berlin SW,