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Att hinein überhaupt nichts zu spüren. Allerhand lose Genre­szenen werden zum Erfaz herangezogen. So kommt z. B. Groß­mutter Nissen plötzlich auf den Einfall, ihren unerschütterlich ge­treuen Verehrer zum Kartenspiel zu animieren, um ihm auf diese Weise ein paar Goldstücke zuzuschanzen. Dreimal fragt sie nach feinen Erinnerungen, um ungestörter mogeln zu fönnen, dreimal erzählt er lang und breit davon, bis er den Trick bemerkt. Man fönnte glauben, der Autor habe symbolisch die Langsamkeit des Postfutschen- Zeitalters einem zum Bewußtsein bringen wollen. Hätten Mar Pohl und Nuscha- Bube hier nicht so viel von ihrer feinsten Kunst hinzugegeben, die Geduldsprobe hätte ge­fährlich werden fönnen. Freilich macht die sich hier anschließende Aussprache der beiden Alten durch einen Ton aufrichtiger Herzlich­keit, der in den Worten selbst, nicht nur in ihrer schauspielerischen Wiedergabe lag, dann manches wieder gut.

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Aehnlich wechselnde Eindrücke kehren überall im Stüde wieder; man ärgert sich über Längen, Trivialitäten, hohle Bühnencoups und wird bei einzelnen Wendungen, in denen eine ernstere Absicht, eine gewisse Wärme des Gefühls aufleuchtet, wieder schwankend, ob man in seiner üblen Laune nicht zu weit gegangen. Vor allem die Auseinandersehung zwischen Bater und Sohn im dritten Art nimmt einen höheren Flug. Wie der alte Nissen in der Stunde, wo er das Signal zum Losschlagen erwartet, vor Jens sein Herz öffnet und den Jungen, den er so lange als Abtrünnigen gehaßt, in seine Arme schließt, das hätte in einem bündiger motivierten, flarer aufgebauten Zusammenhange sogar von starter Wirkung sein können. Hier bildet diese Szene nur den Uebergang zu einem lärmenden Husarenstreiche. Bei der Nachricht, daß einer von Riffens Leuten, ein junger Bursch, als Spion erschossen werden soll, stellt Jens sich selber an die Spitze der Rebellen, befreit den Ge­fangenen und rettet, da der Aufstand doch verloren, alle Welt, den Water einbegriffen, auf einen Dampfer, der nach Deutschland fährt. Großmutter spricht den Epilog dazu. Die Aufführung war ausgezeichnet. Frau Nuscha- Buhe und Herr Pohl wurden schon erwähnt. Ebenbürtig reihte sich ihnen Straußnede fräftiger Niffen und Vollmers bis ins einzelnfte durchgearbeiteter Bro­feffor Carlsen an. Der jugendliche Held und Friedensredner Jens fand in Herrn Staegemann einen sehr temperamentvollen Vertreter. Ziemlich starker Applaus rief den Verfasser des öfteren vor den Vorhang.

Mufit.

dt.

Bwei belehrend- volkstümliche Abende führten uns am Sonntag nacheinander in den Westen und in den Osten. Dort gab der Raiser Friedrich Festsaal( des gleichnamigen Gym­nasiums) am Savignyplay, hier der Deutsche Hof in der Lucauerstraße den räumlichen Rahmen. Dort war der Verein zur Förderung der Kunst, hier der Gesangverein Ber. Liner Liederkranz der Veranstalter. Dort galt es, den ,, Vierten volkstümlichen Kunstabend in Charlottenburg 1907/08" mit einem Richard Wagner - Abend, hier einen dem deutschen Lied gewidmeten Gesellschaftsabend" zu begehen. Soweit wir in der Weite des Auseinander und in der Gile des Racheinander je einen Teil jedes Konzertes hören konnten, läßt fich daraus im ganzen eine Empfehlung für den Besuch künftiger Abende von solcher Art ableiten.

Im einzelnen machte uns namentlich das deutsche Lied Freude. Der Chormeister des Liederkranz", Dr. Mag Burkhardt, hielt einen eingehenden, etwas gar langen Vortrag mit Erläuterungen am Klavier und mit jeweils sofort daran angeschlossenen Gesangs­vorträgen von Frau Marietta Wernher. Die Sängerin befibt eine dunkle, seelenvolle Stimme, der nur noch etwas mehr Festigkeit zu wünschen ist, und die der Vielseitigkeit des Dar­gebotenen auch vielseitig gerecht wurde. Der Vortragende, geschickt und lebhaft in der Rede, doch etwas unruhig im Klavierspiel, sprach diesmal lediglich vom Kunstliede der neueren Zeit. In zwei Teilen bekamen wir erst dessen Entstehung und Vollendung ( Schubert), sodann die Romantik und die Liederkomposition der Gegenwart zu hören.

Gerlach vertretenen gesprochenen Lied und von anderem, was den Krankheiten der Zeit" entspricht, erfreuen wir uns des Neuen, das die Lieder von Cornelius durch ihren psychologischen Prozeß" darbieten, und werden dann mit Brahms zu Vorbildern der Klas­fifer und des Volksliedes( z. B. bei Begleitung der Soloftimmen in Terzen oder Gegten) zurückgeführt. Der Vortragende dürfte jedoch Brahms um so mehr überschätzt haben, als er zwei gerade für das Lied Bedeutendere, Franz und Ritter, ganz überging. Schließlich foll es Weingartner sein, der mit seinem Neubeleben ilter Formen des Rofofo und anderer Schichten noch am ehesten die dem Liede verloren gegangene Vielseitigkeit wieder zu ges winnen suche.

Derfelbe Vortragende hatte ben Wagner - Abend bes Gonne tages mit einem einleitenden Vortrag eröffnet. Die Konstruierung Richard Wagners aus der Romantit heraus sowie die nähere Auf­zeigung des Neuen im Holländer"." Tannhäuser " und Lohen­ grin " war eine günstige Vorbereitung auf die Klavier- und Ges sangsdarbietungen, die hier nicht in die Rede verwebt wurden, sondern ihr nachfolgten. Schon dies war eine weniger geschicte Anordnung. Auch sonst erschien uns das westliche Konzert von dem Ideal belehrender Volkstümlichkeit weiter entfernt als bas östliche. Wir müssen uns allerdings mit manchen Minderwertig feiten zufrieden geben, solange dem Jbeale nicht in einer biel schärferen und systematischeren Weise, die freilich zunächst Sache der öffentlichen Schulen sowie der Theater usw. sein würde, nach­gestrebt wird. Dazu gehören vor allem elementare, aber doch um fassende Einführungen in die Grundlagen der Musik, etwa im Sinne der Anläufe von Dr. Ernst Bander. Wie viele wohl unter jenen westlichen Zuhörern mögen sich bei Hinweisen auf Klang­farben, auf Tonfolgen usw. ein zutreffendes Bild davon gemacht wie viele mögen mehr als ein dunkles Rauschen davongetragen haben?!

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Indessen muß einsiiveilen mit den vorhandenen Tatsachen, nicht zuleht mit schönen Stücken" aus einem dramatischen Kom ponisten, der nichts weniger als Stüdwerk gibt, gerechnet und durch allgemeines Entgegenkommen einige Zufriedenheit erreicht werden.

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Humoristisches.

SZ.

Der gute und der böse Majestätsbeleidiger. Der Mann, der Steuern zahlen muß, Empfindet immerhin Verdruß

Und schimpft auf Gott , was ja noch geht, Doch leider auch auf Majestät.

Da naht fich ihm ein Engelsbild Und spricht: Dein König ist so mild, Er nimmt dein Wort in Güte auf Und hemmt des Strafgesetzes Lauf, Wer Steuern zahlt, auch wenn er schimpft, Dem ift das Gute eingeimpft. Monarchisch sein ist ziemlich schiver, Hat einer nichts zu essen mehr. Der Hunger hindert den Respekt, Daß man vor feinem Wort erschreckt. Ein solcher gilt dem Königsthron Für immer als verlor'ner Sohn; Sein schlechter Sinn bleibt stets erbitt, Schon deshalb, weil er nichts befigt; Er handelt bös und vorbedacht,

Weh' ihm, wenn er Spektakel macht!

- Qualifikation. Ich finde es begreiflich, daß man Juristen im höheren Postdienst verwendet. Ich verstehe am Ende noch, daß man ihnen die leitenden Stellen im Sanitätsdienst ein­räumt. Aber die richterliche Laufbahn sollte den Juristen unbedingt verschlossen sein.

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"

-Er macht sich. Wia geht's denn nacha Eahnam Herrn Sohn auf da Universität?" Guat, dös wollt' i moana! Früher, im Gymnasium, is er jed's Jahr amal fiz'n blieb'n, aber jezt, wo er Student is, fimmt er allweil ganz glatt von oan' Semester ins andere, scho fünfzehn Semefter lang."( Simpliciffimus".)

Notizen.

-Jm Lorging Theater gebt die Neueinstudiering ber 8auberflöte" am 20. b. M. in Szene. Eine Reneinstudierung des Trompeters von Sättingen" geht am 2. Weihnachts feiertag in Szene.

Die Anfänge reichen danach weiter zurüd als gewöhnlich an­genommen wird. Von Heinrich Albert in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts steigen wir zur ersten Blütezeit des deutschen Kunstliedes bei Adam Krieger um die Jahrhundertmitte an. Nach ihm tritt eine plöhliche Pause ein: die musikalischen Groß­meister Bach, Gluck und Haendel sowie die älteren Klassiker der Boefic kommen hier kaum in Betracht. Von den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts an erscheinen Liedersammlungen, zum Teil furioser Art, auch die Stile des Rokoko und des Zopfes aus der bildenden Kunst in der tönenden widerspiegelnd, ergänzt durch theoretische Bemühungen, die besonders zu absichtlichen Volkstüm­lichkeiten führten. Die Melodie entfaltet sich selbständiger, zum Teil durch eine Berliner Schule", zum Teil auch durch das" Sing ſpiel". Nach den klassischen Leistungen Mozarts und Schuberts erscheint die Romantit" mit all ihrem Zauber, hauptsächlich ver­treten durch Schumann. Nun aber folgt ein besonderer Gegensatz zu allem Bisherigen durch das Dramatische im Lied: namentlich war es Liszt , der die dramatische Schlagkraft" bis zum Miß­verstehen schlichter Liebtegte entfaltete. Neuerdings ist es be­sonders Reger, der so mit Kanonen auf Sperlingen" schießt, obe schon ihm auch Freundlicheres gelingt. Abgesehen von dem durch Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin . Drud u. Verlag: Borwärts Buchdruderei u.Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.

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In New York ist von deutschen Arbeitern eine,& rcie Wolfsbühne" nach dem Berliner Muster gegründet worden. Das Unternehmen fand in weiten Streisen der deutschen Bevölkerung Anflang. Jüngst wurde Mar Halbes Jugend" aufgeführt. Beigt sich in New York ein guter Erfolg, so wird man alsbald in anderen Städten, z. B. in Chicago , dasselbe versuchen. Der New Yorker Verein erhebt einen Mitgliedsbeitrag pro Monat von 50 Cents ( 2 M.), der zum Besuch einer Vorstellung berechtigt.

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Ein Logenfließer als Operntomponist wurde, wie die Franff. 8tg." berichtet, in diesen Tagen im Adriani- Theater zu Rom begrüßt. Es ist das Herr Cesare Morlacchi, der mit seiner einaltigen Oper Bretagna " debütierte und vielen Erfolg fand.