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( Nachdrud verboten.)

In Norwegen .

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Einer in des anderen Armen liegend, vergossen beide| Frauentypen erscheinen uns ja auch wie Sagenwefen aus ferner Tränen, weinten lange, ohne ein einziges Wort. Zukunft. Namentlich bei Hamsun tritt dies hervor, diesem kon Dann warf der Weltere einen letzten Blick umher, der sequentesten Realisten und zugleich stärksten Boeten- ich sage: alle die Dinge seines Berufes hier umfaßte, ihnen in hoch im Pan" die Konsulstochter dem in einsamer Waldhütte, hauſenden hoch- Boeten, nicht Schriftsteller oder Dichter Norwegens . Wenn herziger Entsagung auf immer Lebewohl bot; und, zu Me Beutnant nächtlicher Weile in aller Harmlosigkeit Besuche abstattet gewandt, rief er aus: unge, umarme mich, fomm an mein oder die strenge Pfarrerstochter in den Mysterien" die die Herzl Die Brüder Zemganno find tot... es gibt fortan Braut eines in der Ferne Weilenden ist, lange nächtliche Spazier nur noch zwei arme Violinenfrazer, die ihr Instrument gänge im Walde mit dem in die Kleinstadt versprengten gesprächigen Spielen werden wie andere auch... mit dem Hintern auf Herrn Nagel unternimmt wie bizarr und außergewöhnlich er­dem Stubll" scheint uns Deutschen das! Aber man braucht hier zehn oder elf Uhr abends die Carl- Johans- Gade, die Hauptpromendoe Ar.stianias, au passieren, um nur zu sehen, wie zwölf, dreizehn-, fünfzehnjährige Backfischchen um diese Zeit und ohne Ges redel sich dort noch ergehen, muß die sichere und unbefangene Art ihres Auftretens beachten, muß wissen, daß hier in diesem Lande Mädchen und Knaben bis in die höheren Schulen hinauf Es ist eine Binsenweisheit, die man sich aber doch immer gemeinsamen Schulunterricht erhalten, muß die Wir wieder vor Augen halten soll: um den Dichter zu verstehen, muß kung dieser Einrichtung auch schon an anderen Orten 8. B. in man in seine Lande gehen. Wir Deutschen kennen nur Norwegens der Schweiz - beobachtet haben, um diese Sicherheit im Auftreten, Literatur und schaffen uns nach ihr eine Vorstellung von diesem diese Unbefangenheit im Verkehre mit Männern ganz zu verstehen Land und seinen Leuten. Stockmann, Steinhof, der Edelmensch und richtig zu deuten. Und dann muß man auch wissen, daß es Johannes Rosmer, der Apostel der fittlichen Forderungen Gregor hier landesüblich, nicht etwa vereinzelter Brauch, sondern in Werle, die Nora, Hedda Gabler und die Bärenjägerin Uffos allen Schichten der Bevölkerung allgemeine lebung ist, daß die find uns Volks- und Gesellschaftsrepräsentanten geworden, wie die jungen Leute, Mädchen und Jünglinge, am Sonnabendnachmittag Gestalten Björnsons und Hamsuns . Die geistige Szenerie, die auf den Schneeschuhen ins Gebirge eilen, spät nachts in irgendeiner Ibsen um diese Gestalten webt, erscheint uns als Abbild nor Bergwirtschaft einkehren, dort meistens in dem gleichen, dem ein­wegischer Art; gerade, weil er so viel Wahres uns zeigt und sobie! zigen, Raum gemeinsam und in Kleidern übernachten und früh Wahrheiten ausspricht, gilt er uns als Schilderer der norwegischen morgens hinausstürmen, um den ganzen Sonntag allein in der Eins Wirklichkeit. Aber erst hier im Lande, im Angesichte des nor- famkeit zu verbringen. Auch das ist hier etwas Alltägliches, daß wegischen Alltags, fieht man, wie er in der Wirklichkeit zwei, drei junge Mädchen ohne jede männliche Beglets wurzelnd und von der Wirklichkeit ausgehend Idealgestalten tung hinausziehen und einen ganzen Tag oder eine ganze Nacht und romantische Werte geschaffen hat. Man sieht: nur die Ursachen lang das Gebirge allein durchstreifen. Freilich betreibt auch die find Reales und seine Werke: Wünsche; seine Gestalten: Sehnsucht, weibliche Jugend vom vierten Lebensjahre an allerlei Sport, und Erträumtes. es ist zweifellos, daß diese körperlichen Uebungen auch den Gesamt­charakter beeinflussen, indem fie Mut und Kraft und Sicherheit geben. Weiß man dies alles, dann erscheinen fie einem alle weniger absonderlich und romantisch, diese Hilda Wangel, die als Touristin dem Baumeister Solneß ins Haus stürmt, Rebekka West, die mit dem alten Doktor im Gebirge haust, Elidda, die einsam als" Frau vom Meere" lebte, und die wanderlustige Gefährtin des Bären­jägers. So idealisiert fie auch sein mögen, hier rüden fie uns menschlich näher und man versteht auch, weshalb die Ibsenschen Frauengestalten, so ftilifiert fie auch erscheinen mögen, doch menschlich echt wirten: weil sie vom Tatsächlichen aus. geben, von den Entwickelungsteimen, die die heutige nors wegische Frau schon besitzt und die zu jener Vervollkommnung führen können.

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Man muß einen dieser grauen Spätherbsttage hier im Lande durchlebt haben; diese Tage, wo es erst spät- gegen zehn Uhr au grauen und so früh zu dämmern beginnt. Keine Helligkeit, tein Sonnenstrahl, ein fahles, monotones, schweres Grauen vom Morgen bis zum Abend, bom Entweichen des Dunkels bis zum Anbruch der Finsternis, grau, grau, trübe und bedrückend. Und wenn dann noch der Regen einsetzt und ein Berweilen im Freien unmöglich ist, und diese starten, gefunden Leute, deren Lebenskraft nach Ent­ladung drängt, an die Stube gebunden find, in die vier Wände gedrängt, dann versteht man, wie Oswald in den Gespenstern" zu Ben Worten fommt:" fein Sonnenstrahl vom Morgen bis abends, feine Seiterkeit und keine Lebensfreude... man wird schlecht hier draußen ohne Sonne " und versteht diese wilden Gelage des Kammerherrn Iwing, die den Gespenster"-Seher Ibsen zu feiner leidenschaftlichen Klage und Anklage gedrängt haben. Und berfteht auch, daß hier im ganzen Standinavien das über mäß'ge Trinken macht verrufen bei allen Völkern uns in Ost und West" sagt schon Hamlet und trinken, wie ein alter Schwede" ist sprüchwörtlich das Trinken eine nationale Gefahr und ein nationales Unglüd werden mußten. Die Irrenhäuser Norwegens bezeugen es und der Zusammenhang zwischen übermäßigem Alkoholgenuß und vielen Geistestrankheiten ist ja heute erwiesen. Vom Jahre 1901 bis 1905 ftieg die Bahl der internierten Geistes­franten wie folgt an: 2511, 2742, 2765, 2911, 3146.

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Bei diesen Verhältnissen ist es auch kein Wunder, daß die Antialkoholbewegung von Skandinavien ausging, daß fie hier in Norwegen mit einer Leidenschaftlichkeit einsette, die oft als " Terrorismus" bezeichnet wird. Aber sie hat Erfolge erzielt, die fehr wesentlich, fast verblüffend find. Der Gesamtkonsum an Bier ging von 402 159 hektoliter im Jahre 1894 auf 311 861 Setto­liter im Jahre 1905 zurüd, d. i. von 19,8 Liter per Kopf auf 13,70 Liter per Kopf; der Gesamtkonsum an 50pro3. Branntwein, der 7 629 000 Liter im Jahre 1899 ausmachte, fiel auf 6 072 000 Liter im Jahre 1905, d. i. bon 3,8 Liter auf 2,7 Liter per Kopf. *) Wer in der Antialkoholbewegung stand oder sich für sie intensiv intereffierte, wird ermessen, welche ungeheure Arbeit dieses Resultat beanspruchen mußte, welche leidenschaftliche und beharra liche Agitation hierzu nötig war. Die Abstinenten traten auch als eigene Partei bei den kommunalen Wahlen auf und haben z. B. drei Vertreter im Gemeinderat von Kristiania .

Aber diefer Drang nach Kraftentladung starker und gesunder Männer, die zu gewissen Jahreszeiten an die Stube gebunden sind, diefe grauen, sonnenlosen und heiterkeitsleeren Tage und jene Ursachen, deren Folgen sich in der Statistik so War ausdrüden, die find die Grundlage der norwegischen Anklage- Literatur, die sind der Stein am Boden, von dem aus Jbsen mit seinen Wünschen in die Höhe schnellt.

Und die norwegische Frau wie spiegelt fie fich in der Vorstellung der Deutschen nach den Gestalten in der nor wegischen Literatur wieder! Ich will gar nicht von Jbsens Frauen sprechen, die ersichtlich- Ausnahmswesen in Ausnahms fituationen find. Aber Björnsons und Hamsuns Mädchen- und

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So erklärt sich auch die Stellung, die die norwegische Frau im öffentlichen Leben ihres Landes inne hat. Man versteht, daß sie das Wahlrecht für die Gemeinde und das Storthing schon befißt, als Stadtverordnete und nun bald auch als Storthingsmitglied wirft. Man versteht dann auch etwas: daß es hier in Kristiania - eine höhere Schule für Jünglinge und Mädchen gibt, die von einer Direttorin geleitet wird, von Frau Ragna Nielsen. Aber freilich muß man wieder nach der Statistik greifen, um die Ursachen dieser Erscheinung voll au überblicken. Norwegen ist nämlich das männerärmste Land Europas ; im Jahre 1905 tamen 480 Männer auf je 1000 Einwohner( gegen 514 in Serbien und 492 in Deutschlands . Das Verhältnis dürfte sich im Laufe der Zeit noch mehr zuungunsten der Männer verschieben, denn es findet eine von Jahr zu Jahr steigende Auswanderung( haupt­fächlich nach den Vereinigten Staaten und nach Kanada ) statt. Die Zahl der nach überseeischen Ländern Auswandernden betrug im Jahre 1894 insgesamt 5642( davon 2926 Männer, d. i. 51/10 Proz.), im Jahre 1905 aber schon 21 059( davon 12 935 Männer, S. i. 61/10 Proz). Was aber noch wesentlicher ist: die Anteil­nahme von Männern im Alter von 15-29 Jahren( also der nächsten Generation eines Landes) betrug im Jahre 1895 nur 1748 Personen, im Jahre 1905 aber 9087 Berfonen; fie ist also von 30/100 Proz. der Gesamtemigration auf 43/10 Prog. gestiegen. Daß diese Erscheinung volkswirtschaftlich von großer Wirkung ist, ist klar, aber sie muß auch sozial rüdwirken, da sie die Zahl der Frauen, die nicht in die Ehe treten können( eben weil eine Männerunterbevölkerung vorhanden ist), vermehrt, und somit auch die Zahl der wirtschaftlich selbständigen Frauen. Daß diese den Kampf um ihre politische und soziale Gleichberechtigung energisch und beharrlich führen werden, ist bei den Charakter eigenschaften der norwegischen Frau aweifellos, und so steht Norwegen am Beginn einer inneren Entwickelung, auf welche die Frauen, auch als Wählerinnen, großen Einfluß ausüben werden und müssen.

Zweifellos steht die starke männliche Auswanderung mit der nur allmählichen Zunahme der Verkehrswege in Zusammenhang, die die völlige wirtschaftliche Ausnußung des Landes noch vers hindert. So start entwickelt der Küftenverkehr und die Schiffahrt *) Ueber die Konsumtion von Alkoholsurrogaten, Effenzen ist Norwegen steht mit Dänemark an der Spite aller euros ufto., die in einem so armen Lande wie Norwegen sehr beträchtlich päischen Staaten mit bezüglich des Tonnengehaltes seiner Flotte find, exiftieren feine statistischen Daten. im Berhältnisse zur Bevölkerung so abgeschlossen ist noch daz