zanten konnte. Er empfand einen gewissen Genuß, als er jah, daß seine Worte nicht mehr ins Leere fielen, und daß die Schwiegertochter gegen seine Ansprüche, wenn er schlechter Laune war, scharfen Protest erhob.
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die Angst, als der unheimliche Kerl es gepadt hatte! Wann war das? Vielleicht gegen fünf, als der Regen noch praffelte! Und nun wars lange nach zehn... fünf Stunden schon war das Luderchen in seinem dunklen Garg. Wie es geheult haben... wie es gesprungen sein mochte, une Bei dieser freudigen Genugtuung kam ihm aber plöglich zu entkommen! Aber der alte Maurer würde wohl gelacht haben, ein starkes Mißbehagen. Sein Sohn schien alle Familien- getichert... mit diesem entsetzlichen graufen Richern, das so untraditionen mit einem Male zu vergessen.
heimlich war. Und dann setzte sich Stein auf Stein; jeder neue schnitt dem Tiere ein Stüd Licht mehr ab; zulegt flaffte nur noch eine Handbreite Lücke, durch die der Tag sah, und ob das Luderchen nicht winselnd da hindurch geschaut hatte nach ihm, nach dem Herrn, wo er denn bliebe und ob er das zuließe? Bis dann ein letter Stein auch die Lüde schloß, und alles dunkel ward für immer.
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Er fing an, den See zu verachten, und suchte seinen Lebensunterhalt auf den Feldern zu verdienen, und als man im September den Reis erntete und die Tagelöhner gut bezahlt wurden, verließ er die Hütte, um sich, wie viele andere. als Schnitter zu verdingen, worüber der Onkel Paloma in Nikolaus Prus stöhnte auf. Neben ihm lag ein starker Aft. heftigen Zorn geriet. Diese Aufgabe, die hauptsächlich darin Den ergriff er und brach ihn mit aller Gewalt in einzelne Stüde . besteht, im Schmutz zu arbeiten und die Felder umzumühlen, Alle Kraft mußte er zusammennehmen; alle Muskeln spannten sich kam den Fremden zu, denen, die fern von dem Albufera in der Anstrengung. Aber es befreite ihn für einen Augenblid, lebten. Die Kinder des Sees waren von dieser Sklaverei daß er sawer atmend, doch erleichtert fißen blieb. Er war müde, befreit. Nicht umsonst hatte Gott sie am Ufer dieses Wassers Er wollte nach Hause. Schlafen... bon nichts mehr wissen... zur Welt kommen lassen, das ein wahrer Segen war und die äh, pfia frew, was war aus ihm geworden! Nahrung in seinem Schoße trug. Und es war wahrlich eine Schmach und eine Schande, den ganzen Tag im Schmutz bis zum Gürtel zu stehen, sich von den Blutegeln aussaugen und von der Sonne rösten zu lassen, um Aehren zu ernten, die im Grunde gar nicht für sie bestimmt waren. Wollte sein Sohn etwa Arbeiter werden? Als er diese Frage stellte, sprach der Alte mit all der Entrüstung, die ihm die Ungeheuerlichkeit einer so unerhörten Tatsache entriß, gerade als hätte man ihm gesagt, der Albuferasee könne eines Tages austrocknen ( Fortsetzung folgt.)
3]
( Nachdruck verboten.)
Der Mond schien. Sterne waren verschwenderisch um ihn her gestreut. Der Himmel hatte sich nach fast dreistündigem Regen völlig entwölft: in Klarheit war der Abend gekommen, und mit nur halber Dämpfung des Lichtes kam die Nacht. Sie war hell, daß man weit sehen konnte. Silbrig fluteten die fast schnittreifen Felder, wie von segnenden Händen sanft gestrichen. Jezt hob sich aus einem etwas Dunkles: ein Rehbock, der mißtrauisch sicherte. Plößlich er schrak er, warf jäh den Kopf zurüd und ging davon. Ein paar geringere Tiere, die von den hohen Halmen bisher ganz bedeckt waren, folgten ihm auf der Flucht und teilten in leichten Sprüngen das silbrige Gewoge der Aehren.
Nikolaus Prus hatte sie aufgestört
Er lam am Waldrand entlang. Schwer und feucht hingen ihm die Kleider am Leibe. Müde schleppte er sich vorwärts, denn bis jetzt war er ziellos umbergelaufen wie auf der Flucht vor den eigenen Gedanken. Nun ivar zu Hause längst alles vorüber. Seine Frau schlief wohl wie immer, der alte Plawinski, gegen den ein dumpfer und wilder Haß in ihm wuchs, war fort Dank allen Heiligen, daß morgen Sonntag war, wo der Unheimliche gleichfalls fernblieb! ind das Luderchen?
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Barmherzigkeit, nur daran nicht denken! In Angst, Qual und Grauen stolperte er schneller des Wegs, zählte Bäume, trieb mit dem Fuß Steine vorwärts, prüfte über den Fingernagel ein Reggentorn und stellte die Zahl der Körner fest, die die ausgeraufte Mehre trug.
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Aber es nühte nichts. Hinter all diesem mechanischen Tun stieg immer wieder die eine Frage auf:" Und das Luderchen?" Als ob ein anderer hartnädig und höhnisch sie stellte, fie ihm entgegenSchrie! Als ob dazu der alte Maurer ticherte! Als ob aus dem Rauschen der Wipfel, dem Raunen des Roggens, dem hinfließenden Atem der Nacht, dem Hall der eigenen Tritte immer nur diese Worte sich bildeten und auf ihn zu kämen, diese Worte, vor denen er doch jetzt bereits Stunden floh! Erschöpft setzte er sich auf eine Baumwurzel, die über den Grenzgraben des Waldes bis nach dem Fußpfad hinübergriff. Er nahm die Mühe ab und strich sich über Stirn und Haare. Beides war naß. Vom Schweiß? Bom Regen? Und in der großen Mattigkeit, die ihn überfiel, fand er nicht mehr die Kraft, fich gegen die Vorstellungen zu wehren, die nicht Ruhe gaben, die hartnädig, wie ein hundertmal zurüdgeschlagener, aber stets an anderer Stelle von neuem angreifender Feind, auf ihn eindrangen.
Er sah das Luderchen vor sich... mit den schon leicht ergrauenden Schnurrbarthaaren, dem Stummelschwänzchen, den traurigen Augen, die nicht von dem Herrn ließen. Er dachte an all die Treue, die das Tier ihm durch Jahre erwiesen. Und er dachte, wie er es heut' dafür verraten hatte!
Ein fleines schwarzes enges Loch... ba lag es jetzt, um im Finstern zu verhungern. Maria Josef , weshalb... weshalb? Das Luderchen war das Opfer, das Luderchen mußte das Leben lassen, bamit es feinem Herrn, dem neuen Haus, dem Witold wohl ginge! Unschuldige Kinder hatte man früher so eingemauert, sagte der alte Plawinsti. Unschuldig war auch das Ruderchen. O, die Angst.
Als er aufstand, fühlte er etwas Festes in seiner Tasche. Er griff hin... verächtlich zog er die Hand zurüd. Es war die Munds harmonika . Und müde machte er sich auf den Heimweg.
Da lag sein Haus, sein Hüttchen, das alte, vertraute. Der Mondschein umfloß es; Licht auf Dach und Wänden, Schatten unter den Balfen. So viele Jahre stand es nun: war mit ihm selber jung gewesen, mit ihm selber alt geworden. Wie lange noch, dann rissen sie's auseinander! Daneben war schon etwas Fremdes und Neues; falt und fremd lag es im Mondlicht. Schade! Rentnerlast fiel ihm vom Herzen. Das Luderdhen würde eingeschlafen Horch, tönte da nichts? Nein... alles war ruhig. Eine sein wie sonst. Oder vielleicht war das Loch zu eng... vielleicht war es fajon tot... erstickt?
Wie ein Dieb schlich er sich heran. Fast hätt' er bitter gelacht: wie ein Dieb, mit Marderschritten, auf sein eigenes Haus zu. Weich, mit dem fast unhörbaren Fluge strich eine Eule vor über. Im Stalle klirrte die Kuh mit der Kette. Er atmete taunt. Er berührte schon die Klinke der Tür. Da mit einem Male das Blut wollt' ihm erstarren ein schwaches Winseln wie aus der Ferne.
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Unwillkürlich trat er einen Schritt zurüd, ein Steinchen rollte feitwärts. Und als spüre das Tier blößlich die Nähe seines Herrn, fing es laut an zu heulen. Es kam dumpf, langgezogen aus der Tiefe, brach ab, sette von neuem an, schallte flagend und anklagend in die stille Nacht und den Mondschein.
Wie ein Verbrecher war Nikolaus Brus zufammengefahren. Er wollt es nicht hören, er hielt sich die Ohren zu, er ging in die Hütte, riß die Kleider vom Leibe, steckte den Kopf unter das schwere sich das unablässig vor, halb fiebernd. Nur das eigene Bluf hört So bernahm er nichts. ... gar nichts. Wenigstens sagte er
Bett.
er in den Ohren fingen wie es rauschte und fiel. Und während er krampfhaft darauf horchte, wußte er doch schon, daß die Heultöne auch jetzt zu ihm drangen, daß er sich nur mit Gewalt vor ihnen berschloß, daß er ihnen nicht entgehen konnte, höchstens, er liefe mit den totmüden Knochen von neuem weit, weit in die Nacht hinaus.
Die Minuten tamen und gingen, als hätten sie heut doppelt so viel Zeit wie sonst. Wie unendlich lange das dauerte, eh' fich eine langfam, langfam füllte und verrann! So wächst am Fenster wohl ein fleiner Tropfen, gespeist von nicht sichtbarer Feuchte, und wird größer, rundet sich, hängt schwer und wie zögernd noch einen Augenblid, löst sich dann und fällt! Und die Minuten sammelten sich, wurden zu Stunden. Und immer noch tönte das Heulen des eingemauerten Tieres, bald wie in Erschöpfung ersterbend, bald mit neuer Gewalt anjekend, bald langgezogen und eintönig anhaltend. E3 riß den Kossäthen aus dumpfem Halbschlummer zu neuem Grauen und Entsetzen aus, und wenn er atemlos mit starren Augen lauschte, hörte er in den Lauten bergiveifelte Klagen und Anklagen, Er hörte den Hunger und die Furcht heulen, er hörte das Winseln der Erschöpfung. Es ward unerträglich.
Gegen Morgen erst verstummten die Töne ganz plötzlich. und das Schiveigen, das lautlose Schweigen, das entstand, war fast noch grauenvoller. War das der Tod? Lag das arme Tier mit zitternden Flanken und feuchendem Atem schon im Sterben? Schlief es?
Bleiern sentte fich der schwere Schlaf auch auf Nikolaus Brus. Aber die erste frühe Helle scheuchte ihn auf. Sein Geficht war grau, fein Mund voll von pappig- fadem Geschmad, alle seine Glieder wie zerschlagen. Gierig trant er in großen Schlucken Wasser, wusch fich, zog sich an. Seine Kleider waren noch regenfeucht und schmutzig. Aber er behielt sie auf dem Leibe, obwohl er sich erinnerte, daß heute Sonntag war.
Seine Frau blidte ihn scheu von der Seite an. Sie redeten nichts. Sie schauten aneinander vorbei, als ob sie gleich Genossen einer schweren Schuld fich nicht ins Auge sehen fonnten. Und wieder flangen aus der Tiefe die Heultöne, heiserer schon, angeftrengter. Sie jagten den Mann auf. Er holte sich die schweren Stiefel. die Stiefel, die sonst bas Luberchen jeden Morgen herangeschleppt hatte, erst den rechten, dann den linken mit dem Riester... und ftürmte von neuem in die Felder.
Die Sonne ftach schon etwas trok der frühen Stunde. Millionen von lichtdurchschoffenen Tropfen und Tröpfchen hingen an Halmen