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cia ein, auf feinem Rüden den Regbeutel, in Sem die Mötven neuen, zu originalen Problemstellungen und Charakterbildungen mit den dunklen Flügeln verzweifelt zappelten. Der kleine leitenden Lebenswertung, ist bisher taum bemerkbar geworden. Tangenichts wanderte durch die Straßen in der Nähe des Das heutige franzöfifche Theater ist ein Bourgeoise Fischmarktes, bot feine Vögel aus, und die kleinen Stadt- theater, genauer: das Theater der verfaulenden Bour­jungen kauften sie ihm ab, um sie dann, mit einem Faden am Sie Augen verschließen, aber es ist bezeichnend, daß es ihn fajt geoisie. Es kann natürlich auch vor dem Sozialismus nicht Bein, auf den öffentlichen Bläßen fliegen zu lassen. immer au oberflächlichen Kontrastwirtungen innerhalb der tapi Bei der Rückkehr kam es zu heftigen Bänkereien zwischen talistischen Gesellschaftssphäre benützt. Die Sozialisten auf dem den Assoziés" und gewöhnlich auch zu einem Bruch der ge- Theater der letzten Jahre waren vornehme Großbourgeois, die schäftlichen Verbindungen. Es war unmöglich, von diesem aus Ehrgeiz und Eitelkeit sozialistische Politit trieben. Um all­Hallunken von Sangonera eine Abrechnung zu erlangen. gemeine Fragen des fozialen Werdens handelt es sich in diesen Zonet begnügte sich, ihr zu prügeln, ohne einen roten Pfennig Schauspielen nicht, fondern nur um die Maßbalgereien herauszuloden; da er sich aber in seiner Leichtgläubigkeit stets berechtigung von Kapital und Adel im Salon, die Affimi innerhalb der Welt der Besitzenden, um die Gleich von der Pfiffigkeit des anderen unterjochen ließ, so suchte lierung jüdischer Börsenritter und dergleichen. Eigentlich immer er ihn schließlich jedesmal in der verfallenen türlofen nur Fragen, die die oberen Behntausend vielleicht find es auch Hütte wieder auf, wo er den größten Teil des Jahres allein Fünfzigtausend angehen, aber auch die fleineren Beute bis zum fchlief. mittleren Geschäftsmann in Spannung versehen und respektvolle deutsche Parisfahrer mit dem Glauben erfüllen, daß die Kunst der radikalen Republik   die Leiden und hoffnungen der Zeit spiegele.

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( Fortschung folgt.)

Parifer Theater.

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Wie fern sie davon ist, geht aus der Ausbreitung hervor, die Die Darstellung der Dekadenz der feudalen Aristokratie in den letzten Monaten auf den Pariser   Bühnen erlangt hat. Für die Geschichte Camille Mau clair, einer der hellsichtigsten und in ihrem Frankreichs   ist diese Klasse Hoffnungslos abgetan, fie hat sich im Empfinden am wenigsten verbildeten Kritiker Frankreichs  , hat un- ganzen damit abgefunden und bescheidet fich, die ihr verbliebenen längst in einer Betrachtung über den Verfall, der heutigen franzö- Reichtümer mit Grandezza zu genießen. Man fann nicht sagen, fischen Malerei als Kennzeichen der legten Ausstellungen hervor- daß fie dabei eine schlechtere Figur macht als ihre Anverwandten, schoben, daß man dort eine Menge netter Studien gesehen habe, die sich im Ausland in einer glüdlicheren Situation befinden. aber kein Werk der Art, die man ehedem mit dem Namen Bild" Manche ihrer Mitglieder vertreiben sich die Zeit mit dem Sport bezeichnete, keine Schöpfung, die durch der formenreichen Wahrheit einer gefpreizten Wissenschaft, andere leben lediglich ihrem leib­des Lebens entnommene Linien und Gestalten einen Gedanken lichen Vergnügen, und natürlich gibt es auch einige, die die stille oder eine Empfindung ausdrücke. Die Mehrzahl der neuen Parole, teinen Standal zu erregen, nicht beachten und ihr Leben Künstler beschränke sich auf die Kombination ungewohnter Har- nach einer bedenkenlosen Zuhälterphilosophie eingerichtet haben. monien und die Technik verdränge den Gegenstand selbst. Das- Da nun die Exklusivität im Verkehr, die sich die Aristokratie von selbe Urteil könnte man auch über das moderne französische allen früheren Monopolen gerettet hat, die emporgekommenen Theater fällen allerdings nur über seinen besten, vornehmsten Herrscher des Tages ärgert, macht es ihnen großes Vergnügen, Teil. Da nämlich das Schauspiel mehr als irgend eine andere ihre Berächter unter der Auflage der moralischen Minderwertigteit Kunst an ein Konsumentenpublifum von wenig differenziertem zu sehen. Aeußerlich betrachtet sind die Hochzeit des Figaro  " des Geschmack und artistischer Neugier gebunden ist, siegt im Kampf Beaumarchais   und der Marquis de Courpières, den der Autoren um die Bühnen die Konzession an den Geist der Abel Hermant   aus feinem gleichnamigen Roman zurechtge­Bourgeoisie, die die Theater füllt. Die Psychologie des Theater  - schnitten hat, beides antiaristokratische Sittengemälde. Aber was publikums ist aber von der der Besucher des" Salons" sehr ver- im 18. Jahrhundert ein fühner Angriff gegen die Machthaber war, schieden. Den Erfolg einer Gemäldeausstellung fann unter Um ist heute eine hämische Nachrede zur Genugtuung der regierenden ständen just ein Bild machen, das der herrschenden Mode ins Ge- Schichten der Bourgeoisie. Auch wenn der ungeheuere Abstand sicht schlägt; das Theaterpublikum aber will nicht ästhetischer Tor- zwischen den künstlerischen Gestaltungskräften der Verfasser nicht wächter oder Sturmführer sein. Ganz besonders das Pariser  . wäre, müßte die befreiende Wirkung, die das Wert des Beau Bom Standpunk des Unternehmers des dramatischen Waren- marchais geübt hat, bei dem des Modernen ausbleiben. Hauses betrachtet ist es die angenehmste Kundschaft: immer neu- Auf dem Hintergrund der aristokratischen Korruption spielt gierig, immer bereit, vor trivialem Flittertand in Bewunderung fich auch das erfolgreichste Wert der Theatersaison ab: Henry zu versinken. An Naivität hat es nicht sobald feinesgleichen. Bernsteins Schauspiel Samson". Hier aber fällt auch Man muß nur einmal den lebhaften Gesprächen lauschen, worin eine Kleinbürgerfamilie oft tagelang die Eindrücke einer Bor­stellung im Ambigu oder in der Porte St. Martin verarbeitet. Die Bühnenvorgänge und die Charaktere werden da wie Schöp­fungen der Wirklichkeit behandelt, aber auch der Glanz der De­forationen und Kostüme, der für deutche Begriffe übrigens in der Regel recht mäßig ist, und der rhetorische Klang pathetischer Wen­dingen findet nachwirkende Bewunderung. Die noch heute fort­dauernde Beliebtheit des Chrano von Bergerac" ist neben der Rolle, die Großmütigkeit und Rührseligkeit in diesem Drama fpielen, vor allem aus andächtigem Entzüden über eine Sprache zu er­klären, die von Anfang bis Ende so kostbar mit klingenden Reimen geschmückt ist.

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In den vornehmeren" Theatern ist das Publikum natürlich von einer gedämpfteren Lebhaftigkeit. Aber wenn man auch nicht, wie es in den populären" Theatern vorkomant, gegen die Träger der Schurkenrollen Entrüstungsrufe ausstoßen hört, so ist das Intereffe am Komödienspiel, die Neugier und bei dem der " Gesellschaft" angehörenden Publikum der teueren Plätze die Freude an einer epigrammatisch zugeschliffenen Rede dominierend und das Bewußtsein, daß an ein dramatisches Wert auch fünftle­rische Maßstäbe gelegt werden müssen, nicht bemerkbar. Natürlich gilt dies nicht vor den zum Rendezvous des kosmopolitischen Snobtums gewordenen Generalproben, auf denen auch das tri­tische Amt der Presse geübt wird, hier herrschen andere, aber gleichfalls nicht ästhetische Gesichtspunkte vor. Die Pariser sind übrigens über die Triebkräfte der Zeitungskritik genug unter richtet, um sich von ihr nicht im geringften beeinflussen zu lassen. An sich wäre nun die Unbefangenheit der Zuschauer für die Entwidelung eines kräftigen dramatischen Stils nicht ungünstig, aber deren Voraussetzung ist doch ein Beifah eines literarisch ane geregten und gebildeten Publikums, und der ist in Paris   zu schwach, namentlich wenn man auf das schwere Gegengewicht eines ftodigen, von flumpfsinnigen Geschäfts- und Familientaltulen in Anspruch genommenen Spießbürgertums hinblidt. Die sehr zahl­reiche, nach einer echteren Kunst und ihrer Verbindung mit dem Geschehen der Zeit ausblidende Intelligenz" fommt namentlich in ihrer jüngeren temperamentvolleren Jahrgängen in den teueren Theatern nicht zur Geltung. In der Studentenschaft von heute fchlägt man fich nicht mehr um literarische Richtungen". Ein Einfluß der sozialistisch organisierten Arbeiterklasse aber, ihrer

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der lebte Rest eines polemischen Ernstes weg, da der Autor lediglich Elemente eines padenden Bühneneffektes gesucht und kombiniert hat. Es ist ihm ebensowenig auf eine glaubwürdige Handlung wie auf eine innere Wahrheit der Charakterzeichnung angefommen. Bernstein   ist unter den Autoren, die an den Nervensträngen der Zuschauer au reißen verstehen, heute der geschicteste, vielleicht darum, weil er der rüdsichtsloseste ist. Er arbeitet mit Schlagern" wie ein Operettenfomponist. Wenn man fucht, tann man im Samson" vielleicht ein Quentchen Jbsen finden, aber man findet darin eine gute Dofis Ohnet, ohne erst zu suchen. Die große" Szene des Stüdes zeigt uns den Helden, einen immens reich ge­wordenen ehemaligen Laftträger, der sich die Tochter eines her­untergekommenen Adelshauses zur Frau gekauft hat, wie er ihren Geliebten aber mit ihm zugleich sich durch eine Börsenoperation augrunde richtet: Samson, der den Palast der Philister über fich zusammenstürzen macht. Die Größe dieses Handelns bewegt aber das Herz der Frau, die ihn bisher verachtet hat und sie beschließt, in dem neuen Kampf, den er um Reichtum und Macht führen wird, feine Gefährtin zu bleiben. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern dem aus den Tiefen der Gesellschaft Empor gestiegenen und der zu äußerlicher Vornehmheit dressierten Ra naille- deckt die Quellgruben der menschlichen Seele auf, die das Gesetz des menschlichen Verkehrs sonst unter Verschluß hält. Das Schauspiel hat schon durch die auf dem französischen   Theater unerhörte Ordinärheit der Sprache Sensation gemacht. Aber eine andere Wirkung als die der augenblidlichen Sensation geht von ihm nicht aus, und auch diese dankt es in einem hohen Maße dem ausgezeichneten Ensemble des Renaissancetheaters, vor allem Lucien Guitry  , dem stärksten, zur Reife seiner bildnerischen Begabung gelangenden Künstler, in deffen Darstellung das Effettstück fast zur bichterisch erschauten Charakterkomödie wird.

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Für das Bedürfnis nach aufregenden Spannungen und dra matischen Keulenschlägen, wie es bei abgehehten Geschäftsmenschen und blafierten Frauen erklärlich ist, sorgt Sie auch in Frankreich  überhandnehmende Kriminaldramatit. Die Verarbeitung des eng lischen Romans Raffles" hat dem Theatre Réjane schöne Gina nahmen gebracht, und jest hat sich auch der edle Sherloc Holmes im Theatre Antoine   häuslich niedergelassen. Denselben Neigungen, aber immerhin in dezenter Art, fommt des greifen Sardou neuestes Wert, L'Affaire des Poisons" im populären Theater der Porte Saint- Martin entgegen. Es ist eine den ge­