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ohne eine gewisse Verehrung erwarteten fie bewundernd das Ereignis, dem sie mit so großer Ungeduld seit einem Jahr entgegensahen. Als der berüomte Doppelschritt" begann, durchfuhr es jeden wie ein guten und ein jeder empfand ein gewisses Prickeln. Die an die tiefe Stille des Sees get ohnten Ohren wurden schmerzlich von den rauhen Tönen der Instru­mente erschüttert, die die Schuhwände der Häuser zum Bittern brachten. Doch als sie sich von dieser ersten Ueberraschung erholt, die die klösterliche Ruhe des Dorfes so heftig störte, lächelten die Leute freundlich. von der Musik gleichsam ge­Streichelt, die für fie sozusagen die Stimme einer fernen Welt war, die Majestät eines geheimnisvollen Lebens, das jenseits des Albuferasees sich abspielte.

( Fortfegung folgt.)

Englifche Kunft.

( Ausstellung in der Akademie.)

Won Ernst Schur.

Und diese beiden Einflüffe, Holland   und Frankreich   verarbeitete England in einer vorbildlichen Weise, gleichermaßen Fremdes auf nehmend und Eigenes damit verbindend, so daß eine Einheit zu ftande tam, die als solche nur in diesem Lande möglich war. Zwei Künstler beherrschen die Ausstellung: Gainsbourough und Reynolds.

waren

stellung den meisten Raum ein. Gainsborough  ( 1727-1788) nimmt auf der Aus Bildnisse von Generälen und Damen beherrschen den Eingangsiaal. Seine großen, repräsentativen Er ist ganz von van Dyd beeinflußt und die Art, wie er das Blau eines Seidenstoffes aus einem dunklen Braun weich hervorblizen täßt, ist ganz in defien Art. Neberhaupt weiß er das Stoffliche eines Kostüms brillant zu geben. Van Dyckiche Werfe graphischen Nachbildungen vielfach nach England gekommen, und es intereffierte die Gesellschaft, in diesen Bofen fich porträtieren zu lassen. Wir müssen nicht denfen, daß diese Gefell  schaft so war, wie sie hier eridseint. Sie wollte so gesehen sein. Der Maler nahm sie so. Und, wer fchärfer zufieht, nimmt auch unter der Oberfläche an den Gesichtern, Figuren eine derbere Note wahr. Es war eben ein ganz bestimmtes Ideal, das diese Beit fucte. Epeziell bei den Frauen prägt fich das aus; die überschlanke Gestalt ist vorherrichend.

Gerade in dieien weiblichen Bildniffen ist Gainsborough   hervors

Zu jedem Jahr kommt neben den üblichen, wiederkehrenden regend. Das Nervöse, Feingliedrige weiß er ficher zu treffen und Ausstellungen eine größere Veranstaltung, die das allgemeine immer wieder geschmackvoll zu variieren. Er ist dabei von einer Intereffe auf sich zieht und sich als bleibende Erinnerung einprägt. griechische Statuen dastehen. Momentan padt er die Erscheinung, vibrierenden Nachempfindung, trozdem diefe Damen nachher wie Zin vorigen Winter war es die russische Ausstellung, die im Ganzen es feffeit das Lebhafte daran. Und wenn er dabei auch, wie in dem eine neue Vorstellung von der eigentümlichen Kraft und elementaren Bildnis der Schauspielerin Siddons die theatralische Bose mitgibt, Raifigkeit dieser Kunst brachte und Künstler zeigte, die mit dem so gehört doch diese Pose zum Charakter der Erscheinung und fie ift Raffinement franzöfifcher Technik die Bucht eines ganz ureigenen, nicht so vorherrschend, daß fie das Menschliche ertötet.

boltlichen Empfindens verbanden, worin das Wertvolle bestand. Diesmal find es die Engländer, die zu uns kommen. Und Gainsborough   ist ausschließlich Maler. Auch seine Zeichnungen ztvar ist es ältere, englische Stunft, die wir zu sehen bekommen; find ganz aufs Malerische angelegt. Auf dunkiem Papier zeichnet er Werke, die aus Privatbefit stammen, die überhaupt noch nicht, auch mit dunklem Stift; die Lichter find aufgehöht. Und es ist be­in England nicht, an die Deffentlichkeit gekommen find, geichweige wunderungewürdig, wie der Künstler auch hier das Stoffliche durch denn, daß fie jemals in Deutichland geweien find. So ist jept die Art der malerischen Behandlung herausbringt, wie er das Gelegenheit geboten, diese berühmten Meister von Angesicht zu Materielle eines Stoffes, fei es Seide, Samt, Brofat nur dadurch Angesicht zu sehen, und auch hier liegt das Entscheidend Wertvolle charakterisiert. So tritt überall das fünsterische Mement entscheidend darin, daß wir einer ganz in fich abgefchlofienen, reifen Kunst gegenüberstehen, die ganz deutlich ihre besonderen, volflichen Mert­male zeigt. Wir können hier lernen und das ist das gute zugleich werden wir doch, da diese Bilder so ausgesprochen englischen Charalter tragen, energisch darauf hingewiesen, daß es äußere Rach­ahmung hier nicht geben fann.

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Was bei diesen Bildern, deren stattliche Anzahl, deren durchtveg erftrangige Qualität verblüfft, zuerst auffällt, das ist die Gemein­famteit des Kulturniveaus, das in ihnen schlagend zum Ausdrud tommi. Wir sehen zuerst nicht die einzelnen Meister, deren Art hervorsticht und die fich erst nachher unter eine gemeinsare Bor­ftellung einen lassen. Wir empfinden zuerst das gemeinsame. Und erft danach nehmen wir Nuancen der einzelnen Begabungen wahr. Das ist sehr merkwürdig und in keiner anderen Kunst( die ja. panische vielleicht ausgenommen, die aber um ihres exotischen Charafters willen außerhalb der Betrachtung bleibt) so zu beobachten. Es spricht fich darin eine Kultur, eine Erziehung aus, die in anderen Ländern nicht zu finden find. Frankreich   war das letzte Milieu, das in feinem Rotofo diese Stileinheit zeigte. Danach ging die Tradition, der til, verloren. Jedes Land, jedes Bolt ging für fich seine Wege. Und nur England wurde der Erbe deffen, was Frankreich   hinterließ. Ein Erbe voll Einsicht und Kulturgewiffen, der nicht leichfinnig wirtschaftete und berichwendete; der zusammen hielt, weiter bildete, aufnahm und entwickelte, so daß Englands Kunft in dieser Zeit allein Tradition und Stil zeigt.

hervor.

Das berühmtefte Porträt Gainsboroughs ist der blne boy" ( blaue Knabe), der im Ebrensaal hängt, van Tyciche Bose in der fentimentalen Brägung dieses Knaben( es ligelte diese derbe Gefell  ichaft, fich fo vornehm und dekadent zu gebärden), van Cyckiche Pracht und Glanz, den Farben ein mattes und doch funkelndes Blau- Grün aus dunklem Gelb- Braun aufschimmernd.

Den Mädchengestalten, die Gainsborough   malt, den Kindern bleibt meist ein garter, findlicher Reiz erhalten, was man nament lich bemertt, wenn man die Art des Rofoto daneben hält, die meist aus dem Kinde beinahe eine erotisch- dekorative Figur macht.

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Reynolds( 1723-1792) ist der zweite Meister. Er ift monumentaler, fefter als Gainsborough  . Einen Kopf wie den Dr. Johnion" wird man um der markig- wuchtigen Erscheinung willen nicht vergeffen. Auch Reynolds hat die Damen gemalt, die im Barf spazieren geben oder am Baumistamm Pose stehen. Aber er malt fie bewegter, persönlicher. Das temperierte, griechische Ideal, das damals feinen Einfluß geltend machte, übernahm er( 3. B. in der Kleidung, der Stellung) wie es die stroßende Gesundheit der Frauen und namentlich der Kinder zuließ. Diese Leute lieben den Genuß, das merkt man. Die Gesundheit schimmert fiberall noch hindurch.

Fein ift Reynolds in der Farbe. Nicht so nuanciert wie Gainsborough  . Fester, derber, refoluter. Auch abwechselnder. Reynolds übertrifft Gainsborough   in dem geschickten Aufbau Aus zwei Kulturen bezog die englische Stunft ihre Nahrung. feiner Gruppen, die immer natürlich bleiben. Das tonunt namentlich Frankreich  ! Das Rotofo mit feiner fünstlerisch fo reichen Kultur, in feinen Familienbildern, die er mit Vorliebe malt, zum Ausdind. die aus einem abgefchloffenen Zeitmilieu organisch aufwuchs! Das Ungezwungen und natürlich bewegen sich diese Kinder im Freien, um Spielende, Elegante, das Lebendige aller Formen enthüllt sich in ihre Mutter, und der Mutter fieht man es an, daß sie ihre Kinder reizvoller Erscheinung. Bewegung ist der Sinn diefer Kunst, Leben noch selbst nährt. Das berühmte Bild, das im Ehrenfaale hängt, in Form und Farbe. Sprühende Farben, über die Licht malerisch mit dem in die Hände flatschenden Baby zeigt dieie Vorzüge nicht hinflutet. Brideinde, nervöse Linien, die jedes Schema verabscheuen, ganz. Es ist in der Bewegung nicht so gefchidt und auch die Farbe die im kapriziöfen Epiel ihren Sinn, ihr Weien suchen. Diese läßt zu wünschen übrig. Kultur als Dokument einer Gesellschaftsklaffe, die nicht ahnt, daß ihr Ende da ist. Und so ist diese Stunft selbst ein Ende. Ein ver­führerisches, ein pruntendes Ende. Renaissance und Varod hatten fich restlos ausgegeben. Aus dem Varod mit feinen wild bewegten Formen tam das Rokoko, das das Gewaltsame, Bathetische des Barod bändigte und es hinüberführte in das Leichte, Zändelnde des Rokoko, das aus dem Leben ein Echäferipiel machte.

Dann Holland  ! Ein Bolt, feßhaft, handelsgewandt, ratilrlich und start. Und dieses Bolt hatte es fertig gebracht, fich im Kampfe gegen fremde Eindringlinge zu behaupten und nicht nur das. Dieier Selbständigkeit folgte die Kunst nach und es lamen eine Reihe von Künstlern, die Weliruhm erlangt haben. Sie stellten fich ganz aufs Eigene und schufen in Borträts( Franz Hals  , Rembrandt  ), in Interieurs und Gesellschaftsbildern und Boltsstücken( Ostade, de Hoch, Terbord), Tierbildern( Botter, Mouvermann), Landschaften Bonen  , Ruysdael  ) eine ganz selbständige Kunit, die jede Flucht in die Ber­gangenheit ablehnte and fich ganz auf eigene Füße stellte. Solche Zaifraft imponierte den Engländern und vornehmlich waren es die Borträts, die Familienbilder und die Landschaften, die ihrer aufs Gleiche gerichteten Anlage entgegentamen.

Doch haben auch sonst Reynolds Frauenbildnisse ein Mehr an lebendiger Erscheinung. Es find Menschen, robust und voll, und gerade das Mädchenbild im ersten Saale, das so gut beleuchiet ist, zeigt diese gesunde Auffassung. Und selbst wenn Reynolds, dem Buge der Zeit fich fügend, Kindergestalten biblisch frifiert und fie eiwa als Engel erscheinen läßt, so haben fle noch jenen natürlichen Reiz, jene Einfachheit und Schlichtheit, die das Leben an ihnen zeigt.

Wenn man eine Parallele in der Entwickelung der deutschen  Runft anführen will, so muß man etwa an Anton Graff   denken, der ebenfalls aus dem Rototo noch ein Fazit zieht und eigenes Bollen damit verschmilzt. Aber man muß die Verschiedenheit der Kulturen in Betracht ziehen. England, das uns in Kunst und Kunstgewerbe um mehr als 30 Jahre voraus ist. Und das Deutsch­ land   am Ausgange des 18. Jahrhunderts, mit all feiner Epieß­bürgerlichkeit und Enge. Das prägt sich auch in der Kunst aus und speziell in der Darstellung der Menschen jener Tage, im Porträt.

Die weitere Entwickelung vollzieht sich sehr schnell und eiſt ihrem Ende zu. Raeburn, Romney, Bawrence, Hoppner