fcofc diese technisch reifen Stücke von einem Autodidakten geschrieben sind. Eine vollendete Beberrschnng des sprachlichen Ausdrucks, eine beinahe seherische Phantasie und eine brennende Lust überzuschäumen. Freilich, der Stimmungsgehalt seines Erstlingswerkes, der so reizvoll die behagliche süddeutsche Beschaulichkeit fühlen ließ, ist einer gewissen Effektmaterei gewichen. Der Schnstergesell hat wohl Edgar Allan Poe im Felleisen mit sich herumgetragen.„Der Kilometerstein" z. B. zeugt dafür. In dunkler Nacht scheuen die Pferde vor dem spukhaft beleuchteten Stein und Pferd und Hund und Fuhrmann werden von Grauen und Gespenstersnrcht gepackt. Neben der dämonischen Rote aber wieder altfränkische Kleiinnalerei, schlichter Einfallston, wie„Die Grobschmiede". Die Titelgeschichte„Die Laterne" streut in anheimelnde Biedermeierei Goldkörner der Weisheit aus. AuS einem Unzufriedenen wird ein Zufriedener durch die Arbeit. Alles ist künstlerisch geschaut und künstlerisch in einem Wurf gestaltet. Man darf Jakob Schaffner mit gutem Gewisien in die Reihe der Berufenen stellen. WilhelmHegeler: DasAergernislS. Fischers Verlag, Berlin .) Karl Asenkofer, Roman von Karl Borromäus Heinrich . tVcrlag A. Langen, München .) Ein römischer Schrift- steller spricht einmal von den„Tränen der Dinge" und dem„Lachen der Dinge". Das fiel mir beim Lesen dieser beiden Bückier ein. In Hegelers warmquellender Art. über die ein feiner Sprühregen kecker Ironie geht, spürt man das erquickende Lachen der Dinge, und in dem Heinrichschen Roman, der ruhig und schön dahinfließt. das Weinen der Dinge. Beide Auloren, so unlerscbiedlich in der Wahl ihres Themas, treiben den Kultus dcS Sehens zu seiner höchsten Sieigerung und sind eins in der inneren Wahrhaftigkeit. Bei keinem ein konstruierter Zug, alles wächst aus einer herrlichen Selbstverständlichkeit heraus, beide erfreuen und bewegen und lassen den Dingen ihre innerste Natur. Darum wirken sie auch so natürlich und es ist, als ob man gar kein Buch gelesen, sondern eine Wirklichkeit geschaut habe. Bei Hegerler eine lächerliche, denn daS„AergermS" zeigt wieder einmal die prüde Philistcrmoral. die an einer nackten Brunnenfigur sich höchst sittlich einrüstet. An sich kein überwältigend neues Thema, aber wie es eben der Verfasser be- wältigt, das ist sein ganz persönliches Verdienst. Welch munterer ' Wiy, welch liebenswürdige Satire und welch eine sichere Hand der Gestaltung l Diese sichere Gestaltungskunst verblüfft noch mehr bei Heinrich, denn er ist ein Anfänger. Der junge Mann schreibt seine Jugeudgeschichte hin wie ein Philosoph. Nicht mit der wehleidigen Vertiefung und stiljonglierendcn Abgründigkeit unserer modernen grünen Sensationisten Nein, einfach bis zur Dürftigkeit, klar bis an die Grenze der Pedanterie. Ohne Ueberschwang nach außen, durchdringend und besonnen und im Innern Flammen. Ohne Zweifel ist Karl Asenkofers Geschichte eine Autobiographie. Die Geschichte eines Menschen, der das Glück hatte, unglücklich zu sein, wie ein Paradoxon Peter Altenbergs lanlet. Eine Wirktichkeit liegt da, eine weinende, obgleich die Tränen nicht immer nur aus Schmerz fließen, wundersam erschlossen durch einen Dichter, der so Reiches geben konnte, weil er selbst ein von der Natur Beschenkter war. Ich weiß nichts Besseres hinzuzusügen, als daß ich ein zweites Buch des Autors ersehne. ck. V. lNachdrnck verboten.) Verstörter SabdatK. Von Hermann HeijermanS. Autorisierte Uebcrsctznng von R. Rüben. (Schluß.) Die dickaufgeschwollenen Wangen Onkel Davids blieben friedvoll über ihren Backenknochen stehen. Kurz nach ihrer Verheiratung hatte er sich wohl mal, ein einziges Mal, gegen sie aufgelehnt— mit den Jahren ließ er alles mit Ruhe über sich ergehen. Je weniger er widersprach, desto schneller ging der Sturm vorüber. Bedächtig zog er seinen Nock auS, fetzte sich in Hemdsärnreln in feinen Stuhl und bewegte sich nicht. Was er auch gesagt hätte, würde eine neue Ladung zur Folge gehabt haben— und sogar sein Schweigen reizte. Erst als sie eine kleine Minute ihren Mund gehalten halte, während der Wind durch den Schornstein pfiff, die Suppe mit den Klößchen auf dem Petroleumkocher surrte, das Stück Lendenbraten i» dem Emailletopf so herrlich duftete, daß ihm ganz weh davon wurde, und dicht vor der HanStür der Laternenanzünder auf seine Leiter kletterte, um einen durch den Wind verbogenen Glühstrnmpf in Ordnung zu bringen— erst dann sprach er verlegen bei der auf- glimmenden Straßenbeleuchtung: „Nun, einerlei— ob Mädchen, oder nit Mädchen wir können doch nu' wohl essen— mein' Appetit soll se mir nit ver- derben..." „So?" antwortete sie sofort,„und das Licht?" „Ja, das Licht." sprach er zahm. „Und der Petroleumkocher?" „Ja, das ist mies," sprach er besorgt. Für kein Gold der Erde würde Tante Röschen oder Onkel David am Sabbath Licht oder Feuer angefaßt haben. GolteS- fürchtig von der Kinderzeit an erzogen, hatten sie ihr ganzes Leben lang streng an den Vorschrijten geliebt. So wenig er am Sonn- abend eine Zigarre geraucht hät'e, ebensowenig hätte sie sich eine Ver« sündigung gegen die Vorschriften bei der Zubereuung der Speisen zu» schulden kommen lassen. Die gemütlichsten Ichabbesabende waren immer bei Tante Röschen, wenn die Familie nach der Mahlzeil um den weiß gedeckten Tisch herumsaß. Daiteln. Rosinen, Mandeln und selbst- gebackenen Kuchen verzehrend— und die alte Tante keine Gelegen» heit hatte, sich mit ihrem Mann zu zanken. Und heute abend, nun grade, wo sie gegen halb neun vielen Besuch bekommen sollten, wo die gefüllten Schüsseln schon fertig im Schrank standen, wo Onkel David frühzeitig aus der Synagoge znrückgekehrl war, saßen sie in ihren Lehnstühlen bei einer Suppe mit Klötzchen, die einem des Wasser im Munde zusammenlaufen machten, und einem Stück Lendenbraten, der mit seinem Duft das ganze Zimmer erfüllte. ohne Mädchen, um die Lampe anzuzünden und den Petroleum- kodier auszublasen. Sie konnten nod) von Glück sagen, daß der Ofen gefüllt war. So lange sie verheiratet gewesen, war ihnen das noch nicht passiert. „Sieh zu, daß Du was zu essen kriegst," sprach Tante Röschen, die die Gewohnheit hatte, eisig kalt zu werden, wenn Onkel David unter solchen Umständen rebellierte. „Hättest Du," fragte er mit einem Schein von Empörung, „hättest Du denn nit selbst das Licht können anzünden, bevor's dunkel g'worden?" „Hatt' ich nit ander?'was in mein' Kopp?" antwortete sie spitz. .Mußt' ich ihr Kammer nit nachseh'n— un' mein' Kleidersdirank— un' mein' Goldkästchen? Such' Du nix dahinter, wenn so'n Mädche', das noch kein' vierzehn Täg' bei Dir ls. mit solch' gemeine Schmus wegläuft?" „Du hättest..." „Ich hält'nix", biß sie ihn kurz ab:„Und schwadroniersie auch noch darüber bis morgen früh— mach''was dergegen l Da- vor schuft' ich mich nu den ganzen Tag ab! Davor quäl' ich, mich nu seit beut' morgen früh- vor Dein' Supp'— vor Dein Fleisch — vor Deine» Magen— vor Deinen Bauch— allein vor Dich ja, ich ess' viel l— Und da sitzen wir nu im Dunkeln.. „In Gotl's Namen denn," sagte er mit den Händen über seinen Bauch, der ja in letzter Instanz an allem die Schuld hatte:„in Gott's Namen denn, dann werden wir nit essen...." „Meiste, was Du bist?" fragte das Frauchen, sich heftig in seinen Stuhl zurücklehnend.„Du bist'en Idiot!" „Erzähl' mer'was Neues", sagte Onkel David, äußerst zurück- haltend. „Du allein bist de Ursach'", hämmerte sie los:„Da iS nit ein Mädche', buchstäblich nit ein?, oder Du jagst's zum Haus hinaus l Hast'er gestern abend nit sogar die Zeitung in de Küch' getragen? Mußt' se nickt noch Gehacktes haben? Du! Du l Du bist der Ver- derb' hier in's Haus"... Hülflos saß er in seinem Stuhl. Der mohnrote Schein deS Füllofens färbte seine fetten Wangen rosig, durchleuchtete einen seiner Nasenflügel wie das lila Blumenblati einer Tulpe, warf auf die Brillengläser die satanische Glut von Höllcntllrchen und auf die Glieder seiner goldenen Ubrkette einen Glanz, wie Sonnenlicht auf de» Deckflügeln von Sonnenkäfern. Auf dem weiß gedeckten Tisch waren die Wassergläser zu karminroten Römern, die Teller und Schüsseln zu violetten Muscheln geworden. Hinter den Scheiben wirbelten die von den Fensterbänken ausstiebenden Schneeflöckchen. Im grellen Licht der Laterne unten zerstäubten sie silbern. Draußen und drinnen ein Weltstreit von Farben. Aber Onkel David dachte an die Klößchen in der Suppe und Tarne Röschen an ihren Idioten von einem Mann, der die Mädckien verdarb. Dann aber nach einer lieben langen Stille machte David den ersten gesunden Vorschlag. „Wenn ich jemand bät", sprach er bescheidcntlich. „Was vor'n jemand", sprach sie grämlich. „Irgend jemand— jemand", sprach er in die Luft hinein. „Ich werd' der doch kein' Antwort mehr geben", sprach sie spitz. WaS gab's denn auch zu antworten? ES war doch niemand da. Keine lebende Seele..Die Menschen unten im Hause konnte man nicht darum bitten, mit denen waren sie seit slangej schon entzweit. Und oben die Leute? Es war zu albern, darüber zu reden. „Da unten bei d'e Latern' steht wohl schon zehn Minuten lang'ne Weibsperson." sprach schüchtern David,„wenn ich die bät?" „Du bist'n Nair!" sagte Tante, die Sckmltern hochziehend. „Denn nit." seufzte Onkel. Ruhig lehnte er sich zurück in den munteren Schein des Ofens. Sie wandte sich geärgert der Straße zu. In dem wieder losjagendcn Schneegestöber stand an einemLatcrnenpfahl gelehnt, ab und zu einem vorüvergebenden Manne winkend, ein Tuch um den Kopf geschlungen, stand dort in der Tat eine Dirne. ein Weib in Lumpen mit vom Wind zerzausten, wüst flatterndem Eaar. Vor ihren beiden Fenstern beobachteten Tame Röschen und nkel David übel gelaunt die Bewegungen der Dirne. Keiner der vorübergehenden Männer beadstete sie. Jeder hatte Eile. Der heftiger loslegende Wind schlug ihre Röcke mand>mal so wild auf die Seite, daß ihre mageren Waden aus dem stäubenden Schnee hervorstachen. Gerade als wieder ein Mann'mit ablehnender Gebärde an der Dirne vorübercilte, tat Onkel David etwas Ungewöhnliches, etwas wofür allein sein rebellischer Magen die Verantwortung trug. Mit seinem Trauring tickte er an die Scheibe, und als die Dirne auf» blickte, tickte er noch einmal.
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25 (4.3.1908) 45
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