Schwere sich niederbeugt, um wieder zum Lichte emporzustreben. Ein einziger Halm vermag 60 bis 80 Pfund zu wiegen, dafür ist er aber auch fast armsdick und strotzt vom edlen, köstlichen Labesafte. Eine große phantastische Zierde ist das Pfeilgras, das die User südamerikanischer Flüsse bekleidet, um in den Fluten stolz die hohe, wallende Silberfahne spiegeln zu lassen. Und nun gar der Bambus! Er steht unübertroffen da in den Reihen dieser Pflanzcnriesen, denn sein Rohr erlangt eine Dicke und Stärke, die ihn zu Eimern, Dachrinnen und dergleichen Zwecken vielfach Per- Wendung finden läßt, während die Länge 30 Meter oft überragt z der stärkste Mann ist nicht imstande, solch ein Rohr zu tragen. Die Schossen(junge Triebe) sind entfernt mit Spargel» zu vergleichen, aber welche Spargelandeutung I 4 bis 6 Meter hoch und dabei überall bis auf die kurze Zuspitzung gleich dick(vom Umfange eines mätzigen Beines): so steht das Rohr saftig und noch in ganzer Kindheit da, weniger als drei Wochen genügen, solchen Riesen- spargel hinzustellen. Noch ist keiner der vielen Seitentriebe zu söhen, die später das Rohr bis zum Gipfel hinauf so malerisch zieren. Nun aber bildet jede Pflanze eine Menge solcher Rohre, die zu einer gewaltigen, prachtvollen Garbe sich gestalten und unter deren überhängenden, zierlich gebüschelten Spitzen ganze Herden weidenden Viehes Schatten finden. So die Nesseln, Palmen und Gräser. Sehen wir uns jetzt nach anderer Richtung, nach ganz anders gearteten, nämlich solchen Ge- wachsen um, die man im ganzen Sinne des Wortes ihrer Struktur nach zu den krautartigen Gewächsen rechnen mutz, den Aroideen z. B. und den Bananen! Bei uns wächst der niedliche Aron, der Frühlingsherold unserer Wiesen, der gleich nach Aufhören des Schnees seine tutensörmigen Blumen erzeugt, mit einem zierlichen Kolben darin. Dieses bescheidene Pflänzchen hat in den Tropen gar stattliche Vertreter, deren einer hier näher vorgeführt werden fall. Das ist Xanthorriga Barilletii. Da ist zunächst die gewaltige Massenentwickclung des Stammes, die Flächneausdehnung des Blattes, vor allem aber der Gesamtcindruck der mächtigen, aber zierlich zerteilten Blätter, die das Gewächs als eine wunderbare Ausnahme hinstellen. Ein Mann steht vollkommen aufrecht unter einem der Blätter! Solchen mächtigen Blättern halte man die des kleinen Arons gegenüber, die der Europäer überdies auch nur in einfacher herzförmiger Gestalt, dem gewöhnlichsten Blatthpus unter Aroideen, kennen lernt. Trotz dieser Wuchtigkeit lätzt sich der Stamm mit einem einzigen, gut geführten Hieb eines Waldmcssers zusammenhauen. Dafür ist es eben ein krautartiges Gewächs, denn Kraut bleibt immer Kraut, in welcher Höhe und Breite es sich auch ausdehnt. Das äquatorielle Amerika , unendlich reich an Arumgewächsen Wie kein zweites Land der Erde, macht uns am Amazonenstrom mit einer anderen seltsamen, aber ganz verschiedenen Form dieser interessanten Familie bekannt, mit oer Montrichardia, die in zwei Arten auftritt. Sie bildet mit ihren gedrängt stehenden, kahlen, unten dicken, nach oben aber sehr verjüngten Stämmen eine gar eigentümliche Erscheinung, nebenbei stets einen förmlicher! Wald im Urwalde und somit wiederum eine der Ausnahmen in diesem tropischen Erdstriche, wo nur wenig Gewächse in Gesellschaft vereinigt auftreten. Die Stämme, die hoch und gerade anstreben, nur selten eine kleine Verzweigung im oberen, schwachbeblättertcn Teile tragen, sind von kortiger, leichter Beschaffenheit, weshalb sie fich auch ganz vortrefflich zur Herstellung von Flössen eignen, bc- sonders, wo es gilt, rasch ein improvisiertes Fahrzeug herzustellen, auf dem man sich oft genug oem gewaltigen Strome anvertraut. ja sogar weite Reisen unternimmt. Mit solchen Flössen halb- krautiger Stämme befördert man auch die Passagiere der Dampfer nebst ihrem Gepäckc, wie das unter anderem, trotz hochgehender See auf den Jangadas bei den Hafenstädten Pcrnambuto und Ceara im nördlichen Brasilien der Fall ist. Gehen wir nun zur Banane oder dem P i s a n g über, mit der die Vorsehung den tropischen Bewohnern das edelste Ge- schenk machte. Hier erreicht der Stamm oft den Umfang eines McnschenleibeS, bei entsprechender Höhe; überhaupt möchte die Natur, was krautartige Massencntwickclnng betrifft, hier wohl auf ihrem Kulminationspunkt stehen. Ein einziges Blatt erreicht 5 bis 6 Meter Länge bei 60 bis 80 Zentimeter Breite, was einem Flächen» räum von ungefähr 3,6 bis 4,8 Quadratmetern entspräche. Und alles baut sich nicht nur in dem kurzen Zeiträume von 9 bis 12 Mo- naten auf, sondern es reift auch die schwere, 80 bis 100 Pfund wiegende Fruchttraube in der gegebenen Zeit. Da gibt es lange zu essen von der köstlichen Speise, die einen saftigen, halbwachen Brei bildet, dessen Geschmack zwischen Feigen, Birnen und Aepfeln steht! Es ist aber eine Speise, welche die vielseitigste Verwendung für Menschen wie für Vieh findet und in allen möglichen Zu- bereitungen, roh, gekocht, gebraten, gedörrt genossen, mithin bald aufgezehrt wird und in den Tropen gerade so unentbehrlich wie bei uns das liebe Korn ist. Nicht nur Pflanzen mit ihren Blättern und Blumen, auch die Früchte wollen von der Herrlichkeit der Tropen erzählen, und hier geraten wir vor ein Kapitel, in dem sich dem Europäer keine Stammesverwandten seiner heimatlichen Erde vorführen lassen. Die Bezeichnungen gewisser Gewächse dieser Richtungen lassen auf Ungeheuerliches, Absonderliches schlietzcn, wenn man z. B. vom Brotbaum, Topfbaum, Kürbisbaum usw. hört. Wir haben es hier, wie schön der Name andeutet, auch nur mit Bäumen, und zwar fester, hartholziger Struktur zu tun, von denen jeder in seiner Art ausgezeichnet und gleich bewundernswürdig ist. In seltsanwv Uebereinstimmung sehen wir hier bei den verschiedensten Baum» gattungen die Früchte von zumeist ganz respektablem� Gewichts direkt aus dem Stamme hcrvorwachsen, was oft einen ganz bizarre» Anblick gewährt. Zunächst gedenken wir des in allen tropischen Ländern au» gepflanzten, ostindischen Brotfruchtbaumes. Dieser rasch wachsende, höchst malerische Baum erzeugt grotze runde Früchte im Gewichte von 2 bis 4 Pfund, die mit Ausnahme der Rinde voll» ständig genießbar sind, da sie keine Kerne bilden. Etwas ganz Riesiges sehen wir an einem anderen, jedoch weniger angepflanzten Brotfruchtbaum, dessen Früchte ein Gewicht von 1b bis 20 Pfund erreichen und gleichfalls durchweg genießbar sind. Denn obgleich diese Art wirkliche Samen bildet, geben doch die zahlreichen kastanienähnlichen Kerne geröstet eine ebenso angenehme wie nahr» hafte Speise. Die kopfgrotzcn Früchte des Kürbisbaumes da- gegen sind ganz ungenießbar, oeshalb aber nicht minder wertvoll für den Tropenbcwohner, denn ihre festen Schalen werden zu vielen Zwecken verwendet, zum Schöpfen, zum Waschen, zu Speise, geschirren, zu Wagschalen usw. Kleinfrüchtige Arten lassen sich» einfach gespalten, zu Löffeln verwenden, wobei das breitere obere Ende zum Schöpfen und die schmale, langgezogene Basis als Stiel dient. Es ist das, wie so vieles in den warmen Ländern, aller» dings gar primitiver Natur, erfüllt aber bei den ärmeren.Klassen vollkommen seinen Zweck. Der Topfbaum ist ein gefährlicher Bursche für zufällig in der Fruchtreife darunter Wandelnde. Er erzeugt äußerst harte. kopfgrotze, topfähnliche Früchte, die mit sehr süßen Kernen ange- füllt und mit einem hermetisch schließenden Deckel versehen sind; dieser aber springt bei der Reife ab und rasch kommen Affen und andere Tiere herbei, den Inhalt sich gut schmecken zu lassen. In diesen vegetabilischen Töpfen läßt sich zur Not wirklich Kaffee kochen. Schlimmer noch wegen der größeren Höhe und des weit größeren Gewichtes der Früchte droht der Kanonenkugel- bäum, einer der schönsten Bäume des nördlichen Brasiliens , mit seinen steinharten Früchten, die die bekannten dreiseitigen, so- genannten Paranüpe bergen. Der Schoden bäum Indiens bildet, mit seiner Fruchternta beladen, eine ebenso wunderbare wie wunderliche Erscheinung. Man denke sich lauter mächtige Prügel unter seiner Krone herabhängen, aus starken, holzigen Schoten von 50 bis 70 Zentimeter Länge be- stehend, die schachtclartig abgeteilt sind und in jedem Fach ein Korn enthalten. Einige Jngaarten erzeugen sogar beinahe zwei Meter lange Schoten, die von einem köstlichen, der gcwürzigsten Schokolade gleichschmeckenden Mark gefüllt sind. Di« Reihe derartiger Monstra könnte noch bedeutend vermehrt werden, darum sei hier nur noch erwähnt, daß eine Passiflora (Passionsblume) mit schwachen Ranken ganz enorme Früchte trägt im Gewichte von 6 bis 8 Pfund, deren Fleisch zu Konserven und Limonaden benutzt wird. So wird man also an diesen Beispielen ersehen haben, wie wunderbar die Vcgctationskrast der Tropen, nach allen Richtungen hin ins Große, Extreme, gehend, sich offenbart. Und die riesigen Baumftüchtc, könnten sie nicht jene Fabel von der Eichel und dem Kürbis zuschanden machen, in der ein Kind seinem Vater sagt, daß eS doch verkehrt von der Natur gehandelt sei, der Eiche so kleine und der armselig kriechenden Kürbisranke so große, schwere Frücht« zu geben!—3. W. (Nachdruck vcrbolcn.) Adliges Blut— mchtadUges Blut Von W. N i k a n d r o w i t sch. Deutsch von Dr. Josephsohn. „Wann geht der Zug nach Moskau ?" Der Angeredete, ein großer Gendarmericunterosfizier, innstert mit gleichgültig• verächtlichem Blick das abgerissene, verlumpte Bäuerlein und sagt dann witzelnd, ohne jedoch stehen zu bleiben: „Heute." Und mit leichtem Lächeln beobachtet er die Gesichter der Umstehenden, des„anständigen Publikums", ob sein Witz auch das richtige Verständnis gefunden hat. Gebückt, mit schwankenden, unsicheren Schritten, wie ein Bettler, geht das Bäuerlein hinter ihm her. indem es instinktiv die zerrissens Mütze zieht. „Und bald?" „Bald." „Und wie bald?" Ohne zu antworten, ohne sich auch nur nach dem zurückbleibenden, durch den„Witz" verwirrten Bauern umzuschauen, geht der Unter» ofstzier iäbelrast'elnd und sporenklirrend den Bahnsteig entlang— eine verkörperte Mahnung für das Publikum, keine Unordnung, keine» Lärni zu niachen. Entmutigt setzt der Bauer wieder die Mütze auf und kehrt langsam zu den Siefährten auS dein Heimatdorf zurück, die von weitem seinen unsicheren, verwirrten Gang verfolgt und einender ihre Gedanken und Befürchtungen mitgeteilt haben: „Wenn er nur ganz genau fragen möchte...! Gott behüte, daß unsere Billetts verfallen...!"
Ausgabe
25 (11.3.1908) 49
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten