Das war nämlich das Bruchstück eines Liedes, in dem Än Junker seiner Magd mit Liebesanträgcn nachstellt, die diese dann mit der einleuchtenden Begründung zurückweist, daß sie ihren Schweinen zu fressen geben müsse. Die Schweine gehen vor, das mußte der Junker einsehen. Aber auch an Junker, Magd und Schweine dachte das singende Herz der Rebekka nicht: es dachte an den Triumph des Sohnes, an den leckeren Pfannkuchen, den sie ihm backen wollte, und an den besseren Rock, den ihr Gatte nun bekommen sollte; denn es gab ihr einen Stich ins Herz, wenn der stattliche Mann in abgetragenem Gewände ging.„Er fragt ja nichts danach," klagte sie kopfschüttelnd. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten.) Sin trauriger früKUng. Von V. B. I b a n e z. Autorisierte Uebersetzung von A. Cronan. Der alte Tofol und die Kleine lebten als Sklaven ihres Gartens, der von dem unablässigen Frnchtespenden müde geworden war. Sie waren zwei Bäume, zwei Pflanzen mehr jenes Stückes Erde , das nicht größer als ein Tuch war, wie die Nachbarn sagten. Und doch mußten sie daraus mühsam ihr Brot ziehen. Sie lebten wie Erdwürmer, die immer an der Furche kleben, und die Kleine arbeitete trotz ihrer kümmerlichen Figur wie ein Tagelöhner. Man nannte sie Borda, also„Findling", weil die verstorbene Frau de? Gevatters Tofol in ihrem Eifer, zur Freuds ihrer Un- fruchtbarkcit Kinder zu haben, sie ans dem Findelhause heraus- genommen hatte. Sie war zu siebzehn Jahren in den kleinen Garten gekommen: doch sah sie wie zwölf aus. nach ihrem schwäch- lichen Körper zu urteilen. Die schmalen, spitzen Schultern kriimniten sich nach außen, so daß die Brust einfiel und der Rücken angeschwollen war und das entstellte sie noch mehr. Sie war häßlich; sie ängstcte ihre Nachbarn und Kameradinnen auf dem Markt durch ihr unablässiges, beunruhigendes Husten, aber alle mochten sie gern. Was war das für ein arbeitsames Geschöpf! Schon stundenlang, bevor der Morgen graute, pflückte sie, wobei sie im Garten vor Kälte zitterte, Erdbeeren und schnitt Blumen ab; sie war die erste, die in Valencia ankam, um ihren Posten auf dem Markt einzunehmen; nachts, wo man für Bewässerung sorgen mußte, nahm sie tapfer die Hacke zur Hand, schürzte sich die Röcke auf und half Gevatter Tofol, Löcher in die kleinen Hügel zu machen, wo« durch sich das rote Wasser deS Grabens ergoß, das die durstige, ausgedörrte Erde nun mit einem zufriedenen.Gluckgluck" ein- schluckte. Die Tage, wo sie Sendungen nach Madrid zu machen hatte, lief sie wie eine Verrückte durch den Garten, plünderte die Beete, trug die Nelken und Rosen armvoll weg, damit sie dann von den Packern in Körbe verpackt wurden. Man mußte alle» benutzen, um von so wenig Erde zu leben. Man mußte sich immer mit ihr zu schaffen machen, mußte sie wie ein störriges Tier behandeln, das die Peitsche nötig hatte, um zu gehen. Es war ein kleiner Teil eines großen Gartens, der früher den Mönche» gehörte und den die revolutionäre Veräußerung der Kirchengllter geteilt hatte. Die Stadt, die sich ausdehnte, drohte, den Garten in ihr Häui'ermeer einzuschluckcn, und wenn Gevatter Tofol auch von dem Grund und Boden schlecht sprach, zitterte er doch bei dem Gedanken, daß der Geiz den Besitzer in Versuchung führen könne und er ihn als Bauplatz verkaufte. Hier war sein Blut— siebenzig Jahre der Arbeit! ES war auch nicht ein Stück untätiger Erde da. und wenn der Garten auch klein war, sah mau doch von der Mitte aus die Lchmwände nicht, so dicht war das Gestrüpp von Bäumen und Pflanzen. Mispel- bäume und Magnolien, Nelkenbeete, Anpflanzungen von Rosenstöcken, dichte Winden von Passionsblumen und Jasmin, das waren alles nützliche Dinge, die Geld brachten und von den Dummen in der Stadt geschätzt wurden. Der Alte fühlte nichts von den Schönheiten des Gartens, ihn verlangte nur nach der Masse. Er hätte die Blumen haufenweise abmähen mögen, als Iväre es GraS, hätte gern ganze Karren mit köstlichen Früchten beladen mögen. Dieses Verlangen eines alten, un- ersättlichcn Geizhalses quälte die arme Borda, die, wenn sie eben einen Augenblick von ihrem Husten ausruhte. Drohungen zu hören bekam oder als rohe Mahnung einen Erdklumpen an die Schultern bekam. Die Nachbarn der anliegenden Gärten protestierten. Das hieß, die Kleine töten, sie hustete ja immer mehr! Aber der Alte er- widerte immer dasselbe. Man mußte viel arbeiten, denn der Herr wollte zu Johannis und Weihnachten, wenn man ihm die Pacht- Zahlungen machen mußte, keine Entschuldigungen haben. Wenn die Kleine hustete, war das eine Ungezogenheit, denn sie bekam doch ihr JZfund Brot und ihren Anteil anr ReiSnapf, manche Tage aß sie ogar Leckerbissen, Blutwurst mit Zwiebeln zum Beispiel. Am Sonntag ließ er sie sich amüsieren, schickte sie zur Messe wie eine Dame, und es war noch nicht ein Jahr her, daß er ihr drei Pesetas für einen Rock gegeben hatte. Er war ja auch ihr Vater, und 1 Gevatter Tofol faßte wie alle Banem der lateinischen Rasse die Vaterschaft wie die alten Römer auf: als ein Recht über Leben und Tod der Kinder, wobei sie in tiefster Seele Zärtlichkeit empfanden, die sie aber nur mit gerunzelten Augenbrauen und einigen Stock- schlügen zeigten. Die arme Borda beklagte sich nicht. Auch sie wollte viel arbeiten, damit man ihnen nie das Stück Erde wegnähme, in deren Pfaden sie noch den geflickten Unterrock der alten Gärtnerin zu sehen glaubte, die sie Mutter nannte, wenn sie die Liebkosung ihrer schwieligen Hände fühlte. Hier war all das, was sie auf der Welt liebte: die Bäume, die sie von klein auf kannte, und die Blumen, die in ihren un- schuldigen Gedanken eine unbestimmte Idee von Mutterschaft erweckten. Es waren ihre Töchter, die einzigen Puppen ihrer Kind- heit, und jeden Morgen empfand sie dieselbe Ueberraschung, wenn sie die neuen Blumen sah, die aus ihren Knospen entstanden; sie verfolgte Schritt für Schritt ihr Wachstim», von da an, wo sie schüchtern ihre Blättchen zilsammenpreßten, als ob sie sich verbergen wollten, bis dahin, wo sie mit plötzlicher Kühnheit wie Farben- und Luftbomben anssprangen. Der Garten stimmte für sie eine ewig währende Sinfonie an, worin sich die Harmonie der Farbe» mit dem Rauschen der Bäume und dem eintönigen Singsang des schlammigen, von Fröschen be- völkerten Wassergrabens vermilchte, der, vom Laub verdeckt, wie ei» idyllisches Bächlein rauschte. Wenn die Sonne heiß brannte, ging Borda, während der Alte ausruhte, von einer Seite nach der anderen und bewunderte die Schönheiten ihrer Familie, die zur Feier der Jahreszeit ihr Fest- gewand augelegt hatte. Wie war der Frühling so schön! Gott wechselte jedenfalls in den Höhen seinen Sitz und näherte sich der Erde. Die Lilien vock weißem AtlaS standen etwa? bleich da, wie die Damen in Balltoilette, die die arme Borda oft auf Kupferstichen bewundert hatte; die fleischfarbigen Kamelien erinnerten an er» schlafsle Nacktheit, an große, lässig hingestreckte Damen, die die Ge» Heimnisse ihrer Samthaut sehen ließen; die Veilchen versteckten sich kokett zwischen den Blättern, um sich durch ihren Duft anzukündigen; die Gänseblümchen traten hervor wie Knöpfe von mattem Gold; die Nelken bedeckten die Beete und sprangen auf die Pfade über wie eine revolutionäre Lawine von roten Mützen, die Magnolien da oben bewegten ihren weißen Wipfel wie ein elfenbeinernes Räucher- faß und verbreiteten angenehmeren Weihrauch um sich als den in den Kirchen, und die Stiefmütterchen, diese kleinen boshaften Kobolde, streckten aus dem Laub ihre maulbeerfarbcncii Samtkappen hervor, senkten die bärtigen Gesichtchen und schienen der Kleinen zu sagen: .Borda, Vocdachen, wir braten vor Hitze! Um Gotteswillen, ein klein wenig Wasser!" (Nachdruck verboten.) Vom fUecler. Von Otto Steinbach. Es ist merkwürdig, daß der Flieder, unser schönster und be- kanntester Zierstrauch, oessen Duft und Blüten sich in der ganzen Welt Freunde erwarben, verhältnismäßig wenig Dichter be- geisterte. Es gibt kaum ein Lied, das den Flieder besingt, das sich weiterer Verbreitung erfreute. Dabei darf freilich nicht un- erwähnt bleiben, daß in Romanen und Novellen früherer Zeiten die Fliedcrlaube eine besondere Rolle in der Literatur spielte. In der Fliederlaube hat nicht selten der Liebhaber seinem Herzcnsschatz die Liebe erklärt. Wenigstens geschah das in den Romanen der Biedermeierzeit oftmals. Und in einem jetzt viel gelesenen Roman„Jettchen Gebert" von Georg Hermann , der in der Bijdermeierzeit spielt, um's Jahr l84l1, taucht auch gleich wieder der ouftige Flieder auf. Der Autor schildert die Titelheldin in ihrer Sommerwohnung in Char- lottenburg bei Berlin und erzählt:„Heute dachte man, daß die Flicderbüsche, die ihre Duftwolkcn in Jettchens Zimmer trieben, ihre letzten Dolden geöffnet hätten,— aber morgen erkannte man, daß sie erst jetzt ganz mit Blüten übcrpudert waren und gestern nur ein leichtes, blaudurchwirktes Kleid getragen hatten. Und wenn dann fürder die Flicderbüsche auch Hände voll ihrer kleinen, blauen Sterne auf den Weg, den Beischlag, die hölzernen Treppen- stufen warfen, sie zeigten keine Verminderung in der Fülle ihrer Blüten; nur daß die Farbe der Büsche langsam von dem tiefen Blau der Veilchen zu dem matten Blaurosa halbverblichener Ver- gißmeinnicht überging." Unserm modernen Empfinden erscheinen die zarten Düfte und matten Farbentöne deL Flieders etwas süßlich und weichlich und deshalb hatte sich wohl lange Zeit auch der Geschmack der Dichter von ihr abgewandt. Jetzt aber, wo wir auch in Kunst und Lite- ratur uns mehr der Biedermeierzeit zuwenden, ist der Flieder wieder eine beliebte Modeblume geworden, der den ganzen Winter hindurch in Treibhäusern hervorgebracht und in den vornehmsten Blumengeschäften zum Verkauf gestellt wird. Aber weit schöner als diese in einzelnen Blütenstengeln an» einander gefügten Blumen sieht der Flieder am Gartenstrauche aus
Ausgabe
25 (19.5.1908) 96
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