die Probleme der„Trommelübung" aufnehmen und auf den Jnnen- raum übertragen: Das Bild der Kindlein um Christus, diese licht- durchströmte Stube, auf der ein strahlender Abglanz von der Un- schuld und Glückseligkeit der Kinderherzen liegt,„Komm, Herr Jesu, sei unser Gast", eine ganz wundervoll geschlossene Komposition, dann etwa noch die„Bergpredigt" mit ihrer scharfen, intensiven Lichtfülle. Wer freilich in diesen Werken Darstellungen heiliger Vorgänge steht, wird den rein angeschlagenen Grundakkord der Szenen heraushören, aber an dem weichlichen Christus Anstoß nehmen, den Uhde nicht glaubhaft gestalten konnte. In dem viel- gerühmten„Abendmahl" ist dieser Mangel an Gestaltungskraft noch größer, etwas Gewaltsames liegt in den Gesichtern der Jünger, und das Triptychon der„Heiligen Nacht " zerfällt in lieb« Einzelheiten. Ein Widerspruch zwischen Inhalt und Technik cnt- steht, die llhde nur in einigen lyrisch empfundenen, die Bibclszcne leise berührenden Bildern, wie dem„Schweren Gang" überwunden hat. Immer stärker machen sich Gewaltsamkeiten geltend; nach der Art der englischen Präraffacliten, z. B. Holman Hunt , greift Uhde zu kleinlichen Mitteln der Charakteristik. So wirken einige Bilder wie„Um Christi Rock" und„Himmelfahrt" ganz unerträglich in der gewaltsamen, Uhde sonst ganz fremden Aufdringlichkeit. Ter Meister mußte sich von dieser seiner Kunst drohenden Gefahr resolut losmachen, selbst das erlösende Wort sprechen, das ihn von den falschen Vorurteilen befreie. Er tat dies in der„Atelierpause", dem zweiten Hauptwerk seiner Entwickelung, dem Abschluß einer neuen Periode. Die Madonna mit dem Kinde, Josef und die Engel, er hat sie hier in einer Pause dargestellt, während die Frau das kleine Kind herumträgt und die Flügelkinder sich auf dem Sofa herumräkcln. Der unbeirrbar scharfe Wirklichkeitssinn des Malers hat die Pose seiner Modelle durchschaut; er hat sie„in Zivil" festgehalten und damit ein Kunstwerk allerersten Ranges geschaffen. Keines seiner späteren religiösen Bilder hat eine so erlesene farbige Schönheit wie dieses helle, in Blau, Braun und Rosa komponierte Interieur; eine neue Jugend ist in dem Zweiundfünfzigjährigen aufgewacht und in höherem Matze als je zuvor kehrt strahlendes Licht, flirren- des Leben, herrliche Weite in seine Bilder zurück. Solche Werke, die seine Töchter im Garten mit dem Hunde und andere ganz ein» fache Motive darstellen, zeigen Uhde auf einer Höhe des modernen Impressionismus, die neben den modernen Franzosen steht, ohne von ihnen beeinflußt zu sein.. In ihnen offenbart sich aufs schönste, was ewig ist an Uhde, diesen, 60jährigen Schönheitfucher: Das starke Einsetzen der ganzen Persönlichkeit für ein künstlerisches Ziel und die prachtvolle malerische Begabung. Dr. P. L. (Zlachdruck vcrlioten.1l kkimge�adlt. Eine lustige Geschichte von W. W. Jacobs. Dr. Frank Carson hatte von kühlen, brausenden Getränken ge- träumt und Tantalusqualen ausgestanden. Wieder und immer wieder hatte er sich in seinen Träumen von seinem Bette erhoben, war leichtfüßig in seinen Pajamas nach seinem Operationszimmer hinuntergestiefelt und hatte sich ein reichliches Ouantuni von etwas Kühlem, Moussierendem zusanimengemischt, ohne indes imstande zu sein, den Traum zu einen, befriedigenden Abschluß zu bringen. Plötzlich erwachte er mit einem Ruck. Der Durst war immer noch vorhanden; die Mittel, ihn zu löschen, nur eine Treppe tiefer. Er würde bei den, Gedanken daran mit seinen Lippen geschmatzt haben, wenn sie feucht genug zum Schmatzen gewesen wären; ivie die Dinge aber lagen, schob er seine Bettdecke zurück, steckte ein Lein zum Bett hinaus— und gewann die feste Ueberzeugung, daß er noch träume. Denn die Luft war drückend und durchaus nicht mit Wohl- geriichcn erfüllt, und die Zimmerdecke senkte', sich in einer seltsamen Kurve bis aus ein paar Fuß über seinem Haupte. Noch halb im Schlafe erhob er seine Faust und stieß voll Staunens dagegen — ein Gefühl, das dem des StumpssinneS Platz machte, als die Decke eine andere Gestalt annahn, und laut und vernchinlich fluchte. „Ich muß wirklich träumen," wunderte sich der Doktor;»selbst die Decke scheint lebendig zu sein." Er stieß von neuein dagegen, wobei er sie diesmal genauer be- trachtete. Die Decke stieg sofort zu größeren Höhen empor, und im selben Augenblicke kroch ein Mann mit einem buschigen Boll- barte unter ihre», Rande hervor und fragte ihn unter Flüchen, was er damit meine. Er fragte ihn a»ch, ob er selbst etwas wünsche, denn, wenn das der Fall wäre, sei er auf dem rechten Wege, es zu bekommen. '„Wo bin ich Z" fragte der verwunderte Doktor.»Mary I Mary I" Er setzte sich mit einem Ruck hoch und brachte seinen Schädel plötzlich in schmerzlichen Kontakt mit der Decke. Dann glitt er, ehe die entrüstete Decke ihre Drohung vom Augenblick zuvor zur Tat werden lassen konnte, zum Bett hinaus inid stand auf einem Fuß- boden, der im einen Augenblick an der einen Stelle und im nächsten sonst wo war. In dem Genich naib Bilgewasser, Teer»nd der muffigen Luft erwachte sein bewölkter Verstand zu der Erkenntnis, daß er sich an Bord eines Schiffes befand; weigerte sich aber entschieden, ihn darüber aufzuklären, wie er dahin gekommen war. Er blickte voll Abscheu auf den zerlumpten Anzug, den er an Stelle der gewohnten Pajamas trug, und dann, als die Ereignisse sich langsam in seinem Hirn aneinander fügten, erinnerte er sich als letztes, dessen er sich entsinne» konnte, daß er seinen Freund Harry Thomson, den Rechts- anwalt, geivarnt hatte, daß es ihm, wenn er noch mehr trinken würde, nicht gut bekommen würde. Es stieg in ihm, wie er so dastand, leise die Frage auf, ob Thomson wohl auch da sei, und er schritt daher unsicheren Schrittes im VolkslogiS umher und rüttelte die Schläfer einen nach dem anderen ivach»nd fragte sie, ob sie Harry Thomson wären, worauf alle mit großer Zungenferttgleit im verneinenden Sinne antworteten. bis er zu einem kam, der eine ganze Weile überhaupt keine Ant- wort gab. Der Doktor rüttelte ihn erst und gab ihm dann einige Nippen- stoße. Dann rüttelte er ihn abermals und gab ihm einige Klapse nach wissenschaftlichen Prinzipien, bis endlich Harry Thomson mit Grabesstimme sagte, daß er»all right* sei. „Na, ich bin froh, daß ich nicht allein bin," sagte der Doktor selbstsüchtigerweise.„Harry I Harry! Wach auf l" „.All right!" versetzte der Schläfer;»ich bin all right l" Der Doktor rüttelte ihn von neuem und rollte ihn dann bor- und rückwärts in seiner Koje. Unter dieser sanften Behandlung er- hellte sich das Begriffsvermögen des Rechtsanwalts etwas, und indem er die Augen halb öffnete, führte er einige Fehlstöße nach dem Störer seines Friedens aus, bis drohende Stimmen anS der Dämmerung ertönten, die versprachen, sie beide umzubringen. „Wo sind wir denn eigentlich?" fragte der Doktor eine tiefe Stimme von der anderen Seite des LogiS, die ganz besonders drohend gewesen war. „Bark„Stella" natürlich", war die Antwort,„Was meinten Sie denn, wo Sie wären?" Der Doktor packte die Kante der Koje seines Freundes und der- suchte nachzudenken, dann, als ein Gefühl der Uebelkeit alle anderen Gefühle überwand, kl omni er hurtig die Logisleiter hinauf und schlich sich an die Reeling. Er lehnte dort eine ganze Weile, ohne sich zu regen, während eine leichte Brise seine fiebernde Stirn kühlte und ein kleiner Schoner in einiger Entfernung von ihm auf» und abtauchte, so daß er seine Augen vor der wogenden See schloß. Festes Land glänzte durch Abwesenheit, und stöhnend wandte er sich um und blickte um sich— auf das weiß gescheuerte Deck, das schneeige Leinen, das sich in der Höhe an träge knarrenden Spieren dehnte, und den Stcuerer, der sich gegen das Rad lehnte und den Offizier anblickte, der in der Nähe stand. Dr. Carson, der sich etwas besser fühlte, ging festen Schrittes nach achtern, wo der Offizier sich bei seinem Näherkommen umwandte und erstaunt auf seine Lumpen blickte. „Entschuldigen Sie, bitte," begann der Doktor überlegenen Tones. „Und was zum Teufel wünschen Sie?" fragte der zweite Offizier;«wer hat Ihnen geheißen, hierher zu kommen?" „Ich wünsche zu wissen, was dies zu bedeuten hat," sagte der Doktor wütend.„Wie kommen Sie dazu, uns auf Ihren ruppigen alten Kasten zu kapern?" „Der Kerl ist verrückt," murmelte der verwunderte zweite Offizier. „Unglaubliche Gemeinheit!" fuhr der Doktor fort.„Bringen Sie uns sofort nach Melbourne zurück." „Machen Sie, daß Sie nach vom kommen," versetzte der andere scharf;„machen Sie, daß Sie nach vom kommen, und lassen Sie mich keine Redensarten mehr hören." „Ich wünsche den Kapitän dieses Schiffes zu sprechen", schrie der Doktor;„holen Sie ihn mir sofort her." Der zweite Offizier starrte ihn, ganz baff vor Staunen, an und wandte sich dann zu dem Steurer. wie wenn er seinen Ohren nicht trauen könne. Der Steurer zeigte vor sich, und der andere stieß einen überraschten Schrei aus. als er einen zweiten Vagabunden mit unsicheren Schritten auf sich zukommen sah. „Carfon", sagte der Neuankömmling mit scharfer Stimme und klannnerte sich, als er näher an seinen Freund gekommen war, ganz elend an ihn. »Ich mache Ihnen gerade den Standpunkt klar, Thomson," be- merkte der Doktor energisch.„Mein Freund hier ist Rechtsanwalt. Sage Ihnen, was Ihnen passieren wird, wenn Sie uns nicht zurück- bringen, Harry." „Sie scheinen sich, guter Freund," sagte der Rechtsanwalt, indem er ein großes Loch in emem Hosenbein mit der Hand verdeckte,„der sehr gefährlichen Lage, in die Sie sich versetzt haben, gänzlich un- bewußt zu sein. Wir haben durchaus nicht den Wunsch, scharf gegen Sie vorzugehen—" „Durchaus nicht." pflichtete der Doktor bei, dem zweiten Offizier zunickend. „Gleichzeitig aber," fuhr Herr Thomson fort,„gleichzeitig—• Er ließ den Arm seines Freundes fahren und stolperte fort; der Doktor blickte ihm mitleidig nach. „Sein Magen ist nicht so, wie er sein sollte," sprach er vertraulich zum zweiten Offizier. „Wenn Sie nicht vorne find, bis ich zwei zähle," explodierte dieser Herr,„werde ich Ihnen den Kopf abreißen".
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25 (22.5.1908) 99
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