von Lörcher, wo das stilisiert behandelte Haar und das Material (grauer Marmor) eigen loirtt. Die Tierplastik ist diesmal nicht so markant vertreten wie sonst. Das macht: Gaul fehlt, der sonst jene eigentümlichen Tier- schöpfungen gibt, die ihre Besonderheit so scharf und konzentriert betonen, das; Naturnachahmung, eindringlichst befolgt, Stil und Dekoration Form wird. Das kann man von Tuaillons Hirsch nicht sagen, der im seitlichen Längssaal steht. Er hat etwas Schematisches, Akademisches, 1a Photographiemäistges. Er hat eine gewisse Eleganz und Glätte, >ie wir nicht gern sehen. Wohl, man merkt, diese Feilung und Aus- glcichung ist bewußt, ist Absicht. Und in der Behandlung des Kopfes, des Halles, der Muskelpartien der Schenkel zeigen sich Feinheiten. Aber die Ausführung des Geweihs, der Füße stört durch allzu genaues Detail, und von weitem gesehen erscheint das Ganze nicht kräftig und eigen genug. Ein kleiner fressender Panther von Schliep hacke hat in den weichen, fließenden Massen der Bewegung Eigenart. Mit einigen Werken ist das Ausland vertreten, überwiegend Frankreich . R o d i n mit einer Bildnisbüste, die zeigt, wie fein ein Plastiker individuelle Erscheinung und allgemeine Form vereinen kann. Dieses Bildnis hat scharfe, prononzierte Erscheinung. Aber eine gewisse weiche Behandlung der Formen dämpft diese Note wieder ab, und so ist diese Büste ein treffliches Beispiel einer Vereinigung von Naturnachahmung und Form, Leben und Stil. iNeben Rodin steht ein Relief von Hildebrandt, ruhig und groß in der Form, ein wenig akademisch.) M a i l l o l s Werke(der nach Rodin als Bildhauer vorbildlich hervorgetreten ist) sind ungleich. In einer kleiner Bronzegruppe(im mittleren Rücksaal) zwei kniende Figuren, die einen Kranz über sich halten, eine Pendule, klingt der Empirestil an, und man wundert sich, bei einem so eigenen Können diese Anlehnung zu finden. Da- gegen zeigen die anderen kleinen sitzenden und stehenden Figuren die Schönheit des Ruhenden, Körperlichen, eine Schönheit, die an die Antike als die Lehrmeistcrin erinnert. Bronzen, Terrakotta und Holz. Manchmal wirken sie wie die feinen, lebendigen Tanagra- figuren. Minne, der Belgier, gewinnt aus der stilisierten(zum Gotischen neigenden) strengen Behandlung im Porträt wie im Figür- lichen eine eigene, disziplinierte Form. Uebersieht man also das Ganze, so wird man zusammenfaffend da? Urteil dahin formulieren: Das Streben zur Größe fehlt. Aber auch das Kleine könnte persönlicher behandelt sein. Es fehlt auch das energische Hinstreben zur Form, zu einem Stil. Andererseits ist auch das Naturalistische verlassen. Wir befinden uns in einem mittleren Stadium. Man bemerkt aber, daß das Streben zum Stil (auch das Aufsuchen der antiken Vorbilder ist dafür bezeichnend) ein ganz klein wenig die Wage sinken macht. Doch geschieht das noch so zaghaft, daß man gerne wünscht, die Natur möge kräftiger aus- genutzt werden, um neuen Ausdruck zu gewinnen. So bewegen wir uns in einem Zirkel. Mehr Frische und ursprüngliche Kraft täte not. Ein Geschlecht von zaghaften und temperamentlosen Schülern, die schon zu früh weise sein wollen, tritt uns hier entgegen. Da aber der Kritiker der tatsächlichen Erscheinung der Zeit gegenüber machtlos ist, muß es bei den Wünschen und der Erkenntnis bleiben, und die Zukunft ist abzuwarten. Die Lehrer im Kampfe gegen die Schundliteratur» Von O t t o R ü h l e. Mit der deutschen Lehrcrversammlung, die Pfingsten dieses Jahres in Dortmund tagen soll, wird auch die Hauptversammlung der Ver- einigten deutschen P r ü f u n gs a u s s ch ü s s e für Jugend- schritten verbunden sein. Es sind dafür zwei Vorträge in Ans- ficht genommen über das Geschlechtliche in der Jugendlektüre und über die Frage der Altersmuudart in der Jugend- schrift: außerdem hat sich eine besondere Sitzung mit der Wirksamkeit der Ausschüsse während der zwei letzverflossenen Jahre und sonstigen geschäftlichen Angelegenheiten zu befassen. Um für diese Beratungen rechtzeitig die Grundlage vorzubereiten und das geeignetste Ausgangsfeld zu gewinnen, erstattet bereits jetzt in der.Jugendschriften-Warte" der derzeitige Vorsitzende des Vorort- ausschufies Hamburg , Heim. L. Köster, den Geschäftsbericht für 1gOS/08. In Anbetracht der Aufmerksamkeit, mit der die Jugendschriftenfrage— als ein organischer Bestandteil der ErziehungS- frage— besonders seit den letzten Jahren innerhalb unserer Partei- kreise verfolgt und gefördert wird, darf für die Berichterstattung über die Tätigkeit und die Erfolge der Lehrer-PrüfungsauSschüsie bei sozialdemokratischen ZeitungSlescrn zweifellos lebhaftes Jnterefse vorausgesetzt werden. Köster konstatiert zunächst die betrübende und für den Kulwrsiand unserer Zeit beschämende Tatsache, daß die letzten Jahre auf dem Gebiete der Jugendliteratur eine wüste Prodn ktion scheußttchsten Bücher- schund es gezeitigt haben, eines Schundes, der in illustrativer wie literarischer Hinjicht gleichermaßen mächtig war und verheerend wirkte. Einbruchs-, Entführung?- und Verführungsgeschichten, in denen Detektive wie Sherlock Holmes , Pinkerton und Nick Carter die Hauptrollen spielen, Erzählungen von Buffalo Bill , Texas Jack, Eitting Bull und anderen Helden des wilden Westens, Berichte von Meutereien und grausigen Ueberfällen, nicht zu vergessen die phantastischen Ausschlachtungen der Herero- und Hottentotten« Metzeleien sind wie Pilze im nassen Sommer aus der Erbe ge« schoflen. Kein Wunderl Fand nicht ein Sherlock HolmeS mit seiner gewaltsamen und abgeschmackten Hintertreppen« romantik auf der Bühne den begeisterten Beifall gerade der— wie Schmock zu berichten pflegt— allerhöchsten Herrschaften? Und machte nicht ein Schmarren wie„Der Hund von Baskerville", um- jubelt von dem Kunstmob der„gebildetsten" und„distinguiertesten" Stände, einen wahren Triumphzug durch die ganze Welt? Was stöhnt und heulmeiert ihr also, wenn schließlich das verwahrloste, um alle Bildung und Erziehung betrogene Proletarierkind an den- selben Dingen Gefallen findet? Gewiß ist dies traurig; aber wenn das Pferd schon Zaum und Zügel tragen soll, darf cS nicht beim Schwänze aufgezäumt werden. Nun haben es die Jugendschriftcn-Ausschüsse der Lehrerschaft an zahlreichen Orten nicht an Versuchen fehlen lassen, das gefähr« liche Unkraut aus dem Garten der Literatur und Kunst auszurotten und die Jugend vor einer moralischen und ästhetischen Vergiftung nach Möglichkeit zu bewahren. Aber die angewandten Mittel er- wiesen sich als nutzlos.„Die Mächte, die die Verbreitung der Schundliteratur fördern, klagt Köster, sind mächtiger als wir. Die Hauptmacht ist das Geld. Sie äußert sich zunächst in dem großen Verdienst, den der Verkäufer einheimst, Ein Berliner.Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst"(Berlin 80,, Naunynstraße 38), das Porträts von Kaiser Wilhelm II. , patriotische und religiöse Kunstblätter vertreibt, die von etwa 20 königlichen Regierungen und anderen hohen Behörden empfohlen werden, teilt mit:„Wir sind bereit, Ihnen unsere Serien Texas Jack und Eitting Bull a Est/z Pf. pro Bändchen zu liefern. Wenn es sich um größere Bezüge handelt, so würden wir Ihnen mit besonderen Vergütungen nähertreten können." Bei einem Verkaufspreise von 10 Pf. ergibt das einen ganz hübschen Verdienst. Die Jungen aber brauchen, wenn sie ein geleienes Heft in Tausch geben, nur 5 Pf, zu bezahlen. Wie ist diesem Schund zu begegnen? Nach der Polizei zu rufen, hat keinen Zweck; den Kindern das Lesen dieser Schmöker einfach zu verbieten, nützt ebenso wenig. Vielleicht könnte ein Sachverständigenausschuß nützen, der sich aus Mitgliedern aller Parteien zusammensetzt und der trotzdem nicht zur Wirkungslosigkeit verdammt zu sein brauchte, da bei diesen Heften Parteifragen oder Fragen der Welt- anschauung nicht in Betracht kommen. In der Verurteilung dieser Bücher werden die Gebildeten aller Parteien einig sein. Vielleicht kann bei größeren Jungen helfen, wenn man ihnen einmal solche Geschichten in ihrer ganzen Erbärmlichkeit und Lächerlichkeit zeigt; denn die Hefte enthalten einen solchen Blödsinn, daß man ihn bei einigem Geschick auch Kindern zum Bewußtsein bringen kann. Man kann auch vielleicht erreichen, daß es den Kindern zur Ehren« fache wird, solche Hefte nicht zu lesen." Im großen ganzen aber war der Kampf ergebnislos. Er wird auch, so fährt der Bericht ziemlich kleinlaut und betreten fort, immer ein vergeblicher fein, wenn es nicht gelingt,„guten, fesselnden Lesestoff zu den gleichen billigen Preisen und den gleichen �günstigen Bezugs- bedingungen zu liefern, so daß den Kindern überall die guten Sachen in den Weg treten, wie jetzt die schlechten. Unsere„billigen AuS- gaben", die mindestens 50 Pf, kosten, sind viel zu teuer. Auch die Schülerbibliothcken genügen heute nicht entfernt. Was nützt es, wenn das Kind zu Weihnachten einmal ein gutes Buch bekommt, oder wenn es alle vier Wochen oder noch seltener sich eins aus der Schülerbibliothek holen darf, und es verdirbt sich Tag für Tag den Magen mit den 10- und 20 Pf.-Heften? Da verliert es bald den Geschmack an guten Schriften, weil sie nicht interessant, nicht wüst genug sind, während ich aus vielfachen Mitteilungen Iveiß, daß Kinder, deren Geschmack nicht überreizt ist, sogar an Stifters stillen Geschichten großen Gefallen finden können. Durch eine weitere Ausgestaltung der Schülerbibliothek, vor allem auch durch eine sorgfältige, planmäßige Einführung der Massenlektüre würde man vielleicht bei vielen eine Schutzwehr errichten können." DaS ist alles, was Köster an Maßnahmen gegen die after« literarische Verseuchung der Jugend in Vorschlag zu bringen vermag. Eine schwache Leistung, fürwahr, und ein schwacher Trost I Was sollen die paar Pillen und Pflästerchen, die er � vorichreibt, ernstlich ausrichten gegen eine Epidemie von dem Umfange und der ver- heerendcn Kraft der Schundliteratur? I Auf so bescheidene und un- zulängliche Palliativmittelchen verfällt so ziemlich jeder erste Beste, der nur- einmal flüchtig das Elend der Jugendliteratur überdenkt; sollte ein Mann, wie Köster, der seit Jahr und Tag in ernfthastester und tiefgründigster Weise das in Rede stehende Problem studiert, nicht besseren Rat wissen, nicht wirksamere Abhilfen vorzuschlagen haben? Ohne Zweifel— ist doch sein unermüdlicher KampseSrifer, den er seit mehr als einem Jahrzehirt in den vordersten Reihen der bürgerlichen Jugendschristenbewegung betätigt, auf demselben Erkenntnisboden erwachsen, den vor zlvanzig Jahren seil, Waffen- geführte Heinrich W o l g a st in klarer, unzweideutiger Weise ab- gesteckt und gekennzeichnet hat.„In dem Elend, welches die Jugend» fchriststellerei über uns herausgebracht hat— so leitete Wolgast da» mals sein epochemachendes Buch„Das Elend unserer Jugend»,
Ausgabe
25 (2.6.1908) 104
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