litcrotm* ein ist nicht-Z tröstlicher als die Einsicht, daß die Lektüre der Kinder i nun er i» ursächlichem Zu- sammenhang mit den herrschenden Erzieh ungs- grundsätzen ge st an den hat, die ihrerseits Produkte der geschichtlichen Entwickeluug sind.' Und im weiteren legt er bündig und überzeugend dar, wie die große geschicht- liche Umwälzung, die sich m unseren Tagen auf dem Gebiete der Arbeit vorbereitet, auch grundstürzende Umschwünge im Erziehungs» Wesen, in der Kunst und künstlerischen Genußfähigkeit, auf allen Gebieten kulturellen Lebens zur Folge haben muß. Die Erkenntnis dieser inneren sozialen Zusainmenhänge gibt nun auch den Schlüsiel an die Hand für die Auffindung der Ursachen wie der wirksanren Bekämpfungs Methoden des Jugend- schriftenelend s. Unsere Kinder lesen heute Buffalo Bill   und Sherlock HolmeS   mit derselben Gier, mit der ihre Eltern den SchinderhanneS und die Bluttaten RinaldiniS verschlungen haben, weil die Schule beide, Kinder wie Eltern, in der grauen haste st en Weise verwahrlosen und verkümmern ließ. Wo bleibt die Erziehung zur Schönheit, die Anleitung zum ästhetischen Genuß, die Bildung des Geschmacks, die Kultur des reinen seelischen Empfindens? Macht man nicht tagtäglich die Jugend des Proletariats mit allen erdenklichen Scheu- säligkeiten und Blutrünstigkeiten völkermörderischer Kriege bekannt? Liegt nicht System in dem hohlen, aber phrasenschwülstigen mords- patriotischen Drill der Volksschule? Wird nicht von Amts wegen den Kindern trotz ihres Sträubens und Widerwillens eine vergiftete und verlogene Moral eingepaukt? Ist nicht der WisienSunterricht so entsetzlich fad, geistlos, verknöchert und langweilig, daß die kindliche Phantasie, sobald sie dieser tötlichen Enge zu entfliehen vermag, nur Genüge zu finden vermeint, wenn sie in Uebertreibungen schwelgen, in Ungeheuerlichkeiten Orgien feiern kann? Der wahre Grund, warum die Schundliteratur so üppig gedeiht und bei der Jugend so empfängliche, so aufnahmebereite Kostgänger findet, ist in dem unbeschreiblichen Jammer der heutigen Schule und Schulerziehung au suchen. Berbefiert ihr die Schule, gebt ihr der Jugend Schönheit und Kultur, bildet ihr die Äugen und Herzen, zündet ihr die Sehnsucht nach dem Edlen und wahrhaft Beglückenden in jungen Menschen- gemütern an, so werdet ihr ein Geschlecht heranwachsen sehen, das voll Ekel und Widerwillen die Schundschwarten von sich wirft wie Kost, mit dem es sich zu besudeln fürchtet. Das Elend der Jugendliteratur ist auf die kürzeste Formel gebracht das Elend der Schule; und mit dem Ende de? Schulelends wird das Ende für das Elend der Jugendliteratur gekommen sein. Wer wie Köster sich über diese Zusammenhänge klar ist, sollte keine Gelegenheit vorübergehen lassen, sie anderen einzuprägen; er sollte auch in seinem Geschäftsbericht nicht unausgesprochen lassen, was tiefere Einsicht und ernstere Pflicht ihm auszusprechen gebietet. Viele seiner Mitarbeiter würden dann vor der Täuschung bewahrt werden, alles Heil einzig und allein zu erwarten von dem Ausbau der Bibliotheken, der Aufstellung neuer Verzeichnisse, der Sichtung und Nachprüfung älterer Befunde, der Veranstaltung von Massen- kektüre usw. So ehrlich gewollt und wertvoll im einzelnen diese Tätigkeiten immer sein mögen, für daS Ganze bedeuten sie nichts' wenn ebendieseS Ganze darüber vergessen oder aus dem Auge ver- koren wird. Allen diesen müßte Köster inmler lind immer wieder, mit jedem Male lauter�uud eindringlicher daS Cstonrm censeo in die Ohren schreien: Revolutionierung der Schule I Fort mit Drill und Bücherkram I Her mit der Arbeit, der Wirklichkeit und dem Leben für die Erziehung! Aus dem übrigen Inhalt de? Berichts, der alle daZ große Publikum gar nicht interessierenden Einzelheiten gewiflenhast notiert, ist nur eine Stelle noch bemerkenswert. Sie betrifft daS vom sozialdemokratischen BildungSauSschuß heraus- gegebene Jugendschriftenverzeichnis. Köster sagt da:Solange der Bildungsausschuß aus dem Verzeichnis der Prüfungsausschüsse auswählt, wie er daS mit wenigen Ausnahmen bisher getan hat, bedeutet sein Verzeichnis für die literarische Bildung der Arbeiterjugend natürlich keine Gefahr. Aber ob der Ausschuß immer die Kraft haben wird, sozial- demokratische Tendcnzschriften abzulehnen? Oder ob er nicht doch Schriften annehmen wird gerade wegen ihrer sozialdemokratischen Tendenz? auch wenn es beim literarischen Wert hapert?' ES ist nicht recht verständlich, auS welchen Motiven heraus Köster zu diesen Bemerkungen kommt. Welche Spur von Rechtfertigung hat Köster für sein Mißtrauen und seine Zweifel? Vergißt er ganz. daß die L e h r e r s ch a f t in München   eS war, die dadurch, daß sie derpatriotischen(I) und religiösen Tendenz' Existenzrecht in der Jugendschrift einräumte, die Sozialdemokratie zur Herausgabe eines eigenen Jugendschriftenverzeichnisses nötigte? Und weiß Köster nicht, daß in der Sozialdemokratie schon au einer eit, da noch kein Mensch an ihn dachte, von Marx und spater von autsky die Erörterung und Propagierung sozialdemokratischer Grundsätze und Ideen in der Jugendschrist aufs entschiedenste abgelehnt worden ist? Würde er. als ein Mann mit geläutertem ästhetischem.und sittlichem Gefühl. eS nicht als taktlos und unfein empfinden, wollten wir achselzuckend und naserümpfend von ihm sagen:Ob Köster nicht doch Schriften annehmen wird gerade wegen ihrer patriotischen und religiösen Tendenz? auch wenn es beim literarischen Werte hapert?' Erwähnen wir zum Schluß noch, daß zwei Zeitschriften, die der Jugendschriftensache dienten, eingegangen sind und daß Weihnachten 1.907 das Verzeichnis der Vereinigung in 80 OOO, das Hamburger Auswahlverzeichnis in 240 000 Exemplaren verbreitet wurde(6500 an Einzeladreffen, 400 ins Ausland, 700 an Buchhändler), so ist daS Wesentliche aus dem Inhalte des Geschäftsberichts erschöpft. kleines Feuilleton. Völkerkunde. Aus Neumecklenburg. Die deutsche Marine-Expe. dition erstattet im Juniheft der Marine-Rundschau einen Bericht aus M u l i a m a, der eine fesselnde Schilderung der Eingeborenen in der Landschaft Muliama enthält, die etwa in der Mitte der zum Bis» marckarchipel(Melanesien  ) gehörenden, seit 1864 vom Deutschen Reich okkupierten Insel Neu-Mccklenburg liegt. Der Leiter der Expe» dition, Dr. Stephan, hat sich vor allem mit dem Studium der Sprache beschäftigt, über die bisher noch keine Aufzeichnungen vor- liegen. Der Verkehr mit den Eingeborenen kann zum großen Teil schon in der Landessprache erfolgen und es gelang bereits, inter- cssante Beobachtungen über Familie, Heiratsklassen, Recht, Geheim- bunde, Geisterglauben und über das Denken und Fühlen der Ein- geborenen zu machen. An eine Volkszählung wurden soziologische und rassenbiologische Untersuchungen angeschlossen. Die meteoro  - logischen Beobachtungen wurden fortgesetzt und vielfach wurde ärztliche Hilfe geleistet. Die Bewohner leben in einer Ucbergangs- stufe zwischen Nomadcntum und Seßhaftigkeit. Die Siedlungen sind bei ihrer geringen Größe und der primitiven Anlage noch sehr beweglich. Es ließ sich nachweisen, daß mehrere Orte, von denen nur die Namen und die Kokospalmen übrig geblieben sind, erst in dieser oder der vorhergehenden Generation aufgegeben worden sind. Jede Familie besitzt neben der Wohnstätte gewöhnlich noch eine Kochhütte und eine kleine auf Pfählen gebaute Scheuer. In jedem Dorf steht wenigstens e i n Männerhaus, wo die Junggesellen und Witwer schlafen und Durchreisende Unterkunft finden. Seit durch die Regierung der Landfriede gesichert ist, verkehren die Stämme ziemlich lebhaft untereinander. Der eine will ein Schwein verhandeln, der zweite einen aus seiner Heiratssippe be- suchen, der dritte einem Feste und dem stets damit verbundenen Festessen beiwohnen, ein vierter hat nichts weiter vor, als eine Vergnügungsreise zu machen. Dieser Verkehr spielt sich auf dem Wege ab, der auf der Ostküste vom äußersten Süden bis zum Nord- ende der Insel auf Veranlassung der Regierung durch die Eingc- borenen selbst angelegt worden ist. Tüchtige Seefahrer kann man die Bewohner von Muliama nicht nennen, obwohl sie noch Planken- botte bauen und benutzen. Von Einbäumcn mit Auslegern wurden nur einige Modelle gefertigt. Gegenwärtig ist kein solches Boot im Gebrauch, weil früher einige Leute in der meist starken Brandung damit gekentert sind. Von Muschelgeld wurden sieben Arten gefunden, die alle auch als Schmuck verwendet werden, hauptsächlich als Ohrgehänge und als Halsketten. Früher trugen die Frauen kostbare Lendcngürtcl aus mehreren Muschelgcld- schnüren, die durch Schildpattspangen zusammengehalten wurden. Jetzt sind sie durch europäische Perlen verdrängt. Gejagt werden eigentlich nur Schweine, die entweder mit langen Netzen gefangen oder mit Hunden gehetzt und mit Holzspecren erlegt werden. Fische werden gewöhnlich nachts bei Fackelbcleuchtung mit einem mehr- spitzigen Fischspeer gespießt, aber auch mit Netzen gefangen. Die Hauptbeschäftigung bildet der Ackerbau. In dem der Gemeinde ge- hörenden Busch klart sich ein Mann eine Stelle, unizäunt und be- pflanzt sie und erwirbt damit das Besitzrecht auf das, was er er- baut. Nach der Ernte, d. h. etwa nach einem Jahre, wird das Feld aufgegeben und ein neues angelegt. Das alte verwildert rasch. Zum Fällen der Bäume gebrauchen die Männer jetzt eiserne Werk- zeuge; die Frauen säubern den Boden mit den Händen oder mit trockenen Kokosschalcn. Die Männer lockern dann den Boden mit Holzstöckcn und legen in die Löcher die Stecklinge von Dam, Taro oder Süßkartoffeln. Die Viehzucht beschränkt sich daraus, daß einige Leute Schweine und ganz vereinzelte auch Hühner halten. Da die Töpferei unbekannt ist und Töpfe auch nicht eingeführt werden, röstet man Erdfrüchte und Fleisch, und zwar ohne Salz oder Seewasser, auf glühenden Steinen. Gemüse kocht man in der Weise gar, daß man in Holzschüsseln Blätter legt, Wasser darüber schüttet und dieses durch heiße Steine bis zum Brodeln erhitzt. Von Eisenwcrkzeugen haben Messer und Axt Eingang ge- funden, nur vereinzelt fanden sich noch Axtklingcn aus Stein oder Muschel, und Steinwerkzeuge zum Herstellen der Muschelarmringe. Die Waffen, Speer und Keule, werden durch Tauschhandel von den Bergstämmen erworben. Die meisten Männer und Frauen tragen schon europäische Lendentücher. Früher gingen die Männer völlig nackt und die Weiber trugen an einer Lcndcnschnur vorn und hinten einen kleinen Schurz aus wohlriechenden und gefärbten Blättern. Die schönsten Schmuckstücke sind massive Muschelarm- ringe, die bis in die Berge hinein verbreitet sind, aber wahr- scheinlich aus Tonga   stammen. Eine ethnographische Sammlung, die ein vollständiges Bild von dem stark in der Auflösung be- griffenen materiellen Kulturbesitze der Landschaft Muliama liefert, geht mit der nächsten Schisfsgelegenhcit an das Museum für Völkerkunde in Berlin   ab. Perantw. Redakteur: Georg Davidsohn  . Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstalt Paul Singer& Eo., Berlin   SW.