DaS in der Anlage einfache und sonst vielleicht entsprechende Gartenvestibul von Balde(2171) leidet unter der schematischen Deckengestaltung und vor allem unter den denkbar primitiven, geschmacklosen Wandmalereien von Bodenstein. Leichten Stand hat in diesem Ensemble Arno Körnig(2172), dessen Arbeitszimmer einen ruhigen, gesammelten Eindruck machr. Hier hat alles Form. Die Farben, grau an der Wand, weiß an der Decke, tiefschwarzbraun m den Möbeln, wirken ganz gut zu« sammen. Max Salzmann  (2173) schuf ein Speisezimmer, das durch das Kolossale der Dimensionen verblüffen will. Diese faden Plüsch- sessel, diese ziemlich geschmacklos in der üblichen Tapeziermethode drapierten Fenster, dieses Blau an der Wand und der türkische Teppich am Fußboden die Augen tun einem weh. Leichten Stand hat da auch Else Oppler-Legband  , die zwei Räume entwarf. Ein Vorzimmer, ein Arbeitsziminer. Das Vor- zimmer(2174) wirkt licht und freundlich; die leichten weißen Holz- möbel, die gelben Kissen ergeben eine Wirkung, die nicht über- Wältigend. aber doch ansprechend ist. Das Arbeitszimmer(217b) ist dunkler gehalten. Violett ist die Hauptfarbe der Stoffe und Bezüge. Die Möbel sind in dunklem Rotschwarz gehalten. Die Formen sind überall erfreulich einfache. Ruhe dominiert. Die Decke zeigt graziöse und ausdrucksvolle Stuckbehandlung. Im ganzen: man würde etwas mehr Eigenart, Charakter wünschen. Raumanschauung, Farbengeschmack I Etwas Zaghaftes, Tastendes, das Neues ver- meidet. DaS gute Ende macht Friedmann von der Firma Fried- mann u. Weber(HohenzollernkaufhauS) mit einem Gartensalon (2015), der den Geist des Ganzen noch einmal nachdrücklich aus­spricht. Möbel in poliertem Birkenholz mit Palisandereinlagen. Das Gartenmäßige(der Geschmacklose leidet immer an dem Zuviel der zn nahen Beziehungen) drückt sich aus in einem massenhaft an die Wand geschmissenen Grün, das einem ordentlich in die Augen beißt. Dazu eine helle, preziöse Nuance in den in künstlichen Formen einer vergangenen Zeit gehaltenen Möbeln, und der Herr Fabrikant und Architekt meint, höhere Eleganz könne es nicht geben. Er hat Recht. Eine Dame, die neben mir stand und deren Aufputz die Salondante garantierte, murmelte sanft:.Süß". Und das ist der richtige Aus- druck für diese Schlagsahneukunst. Drei Momente sind hierbei von allgemeiner Bedeutung. Die Ausstellungsleitung muß von seltener Geschmacklosigkeit sein, daß sie solche Blamage des Berliner   Kunstgewerbes gestattet und den Künstlern damit in den Rücken fällt, daß sie die Fabrikanten sich hier breit machen läßt. Bruno Paul   mutz sich schämen, daß im Vorjahre seine Kunst hier gezeigt wurde. Alle anderen großen Städte veranstalten moderne, kunstgewerbliche Ausstellungen, und Berlin   bemüht sich, das Dokument des Rückschritts auch aus diesem Gebiet zu liefern. Zweitens: Es wäre besser gewesen, wenn überhaupt kein Künstler mitgetan hätte. Das wäre solidarischer gewesen. Auch be- kommt dieses Beieinander denen, die mittaten, selbst nicht gut. Alle die tüchtigen Kräfte, die wir in Berlin   doch haben, fehlen. Und sie haben sich sicher bemüht. Treibereien find eS, die hier zum Aus- druck kommen. Die rührigen Geschäftsleute haben anscheinend die unwissende Leitmtg überrumpelt. Woher kommt es, daß nicht, wie sonst immer, der Kunstgewerbevepein die Sache in die Hand nahm, der doch ganz gute Resultate lieferte-und jedenfalls eine Garantie bot. An teiner Stelle erscheinen die, die auch im Kunstgewerbeverein die Herrschast an sich reißen wollen. So bleibt als drittes: Nachdem die Kunstausstellung sich als Möbelmagazin etabliert hat und dem Geschäftlichen vor dem Künst- lerischen den Vorrang eingeräumt hat, bleibt es nur übrig, daraus die Mahnung zu entnehmen, daß Berlin   ein kulturloser Boden ist, der noch sehr der Bearbeitung bedarf. Dies« Mahnung ist ganz gut. Niemand darf die Hände in den Schoß legen. Jeder muß auf seinem Posten sein. Mochte eS gelingen, die großen Massen für diese Frage der Kultur zu interessieren, damit die Fabrikanten ge- zwimgen werden, von ihren Geschmacklosigkeiten zu lassen und der Entwickelung des modernen Kunstgewerbes und der neuen Raum- kunst, deren Werte allen zugute kommen können, da sie die Dinge des alltäglichen Lebens verschönern, nicht immerfort Hindernisse in den Weg zu legen. (Nachdruck verboten.) Vom Älanäern. Das feine Büchlein von Kurt Grottewitz:Sonntage eines großstädtischen Arbeiters, hat daS ungeschriebene Motto:Warum in die Ferne schweifen, liegt das Gute doch so nah." ES scheint aber, daß das Schweifen in die Ferne doch den allerersten Haupt- reiz des Manderns bildet. Es ist ein alter Urtrieb des Menschen, der sich noch am reinsten in den Kindern findet. Aus jeder kleinen Rutscherei auf allen Vieren macht das Kind im Zimmer schon eine Entdeckungsreise. Die Schulknaben, die auf den letzten Platten des schmelzenden Eises im Eisweiher herumfahren, fühlen sich schon als Polarfahrcr. Wlenn aber einmal die Zeit der kindlichen Fantasie, die alles verwandelt, vorüber ist und der Mensch den nüchternen Realitäten des Lebens gegenübersteht, dann sucht der Wandertrieb eine Befriedigung durch Wirklichkeiten. Die Zeit der wandernden Handwerksburschen ist vorüber, aber je iveiter einer von ihnen herumgekommen ist. desto mehr aeuiesit er die Bcwun» derung der andern. Wenn nun in der Zeit deS industriellen Ka. pitaliSmus der Arbeiter sechs Tage lang in der Woche und oft auch noch den siebenten an Stadt und Fabrik gefesselt ist, so ist eZ zwar ganz gut, aus der Not eine Philosophie zu machen und das Nächstliegende für das Interessante zu erklären, aber den alten Wandertrieb des Menschen nach unbekannten Gegenden und Men- schen tilgt diese Methode nicht aus; will es ja auch gar nicht. Aber es muß ausgesprochen werden, daß das Genießen der landschaft» lichen Reize in allernächster Umgebung außer einer bestimmten Gemütsbildung auch eine sonstige nicht gewöhnliche Bildung vor- aussetzt. Auch liegt das physiologische Gesetz vor, daß alltägliche Reize, also z. B- der täglich gleiche Eindruck eines landschaftlichen Bildes auf die Netzhaut des Auges schließlich jede Wirkung verliert. Nur wenn die Naturwissenschaften, besonders Geologie und Bo- tanik, die verschlossenen Zaubertore öffnen, beginnt auch die eigene Heimatinteressant" zu werden. Mit dem landschaftlichen Reiz einer Gegend hat das sogenannte Heimweh, wie es z. B. mit senti- mentalem Untergrund im LiedZu Straßburg   aus der Schanz" geschildert ist. gar nichts zu tun. Da kommen nur Gemütswcrte, die der Mensch selbst einer Gegend verleiht, in Betracht. Ge- mütswerte und Erinnerungen, die meistens mit Menschen, nicht mit der Landschaft zusamrnenhängcn. Was aber den Menschen treibt, Unbekanntes zu sehen, das ist die geistige Ablenkung, die er dabei erfährt, zugleich mit dem Eindruck von Schönem und Großem, Die zwei Verse in dem bekannten Lied: Jetzt bleibe, wer Lust hat, Mit Sorgen zu Haus, stehen nicht umsonst da. Tie Befreiung vom Alltäglichen lockt unS beim Wandern in die Weite. Wenn die moderne Technik, in Ge- stalt von kinematographischcn lebendigen Bildern dieWeite" den Menschen in die Städte bringt, so hängt der starke Besuch dieser Schaustellungen nicht zum wenigsten damit zusammen, daß eine Befreiung vom Alltäglichen, von den kleinlichen Sorgen und Lasten des Lebens beim Betrachten von Landschaftsbildern und dem Tun fremder Menschen eintritt. Die einfachste Form des Manderns, bei welcher der geistige, gemütliche und gesundheitliche Ertrag am größten ist, ist das Wandern zu Fuß. Daß es fast ganz verschwunden ist, liegt an der Bequemlichkeit und verhältnismäßigen Billigkeit unserer modernen Verkehrsmittel. In der Arbeiterschaft wird das Wandern zu Fuß immer weniger gepflegt. Es liegt zum Teil an den Um- ständen, zum größeren Teil aber auch an anderen Dingen. Jetzt, wo die sozialdemokratische Arbeiterschaft Deutschlands   endlich be- ginnt, gegen einen ihrer größten Feinde, den Alkohol, energisch Front zu machen, wird man einsehen, daß so mancher gutgemeinte Plan eines Sonntagsausflugs nur deshalb ins Wasser gefallen ist, weil die Ausflügler schon am Morgen im Sumpf des Früh- schoppens hängen geblieben sind. Das Wandern erfordert aber einen hellen frischen Geist, eine gewisse Schlagfcrtigkeit, sich in allen Situationen zurecht zu finden, Karten zu lesen,, und vieles andere, was einem benebelten Hirn völlig unmöglich ist. In einigen Städten Süddeutschlands   existieren schon von Arbeitern gegründete Wandervereine. Aber es sind nur wenig Personen, um die es sich da handelt. ES sind erst Anfänge. Von den Mit- gliedern werden Kassenbeträge erhoben, damit, wenn Zeit, Gelegen- hcit und gutes Wetter da sind, man nicht aufs Geld zu warten braucht. Es sind von solchen Vereinen schon hübsche Reisen und Wanderungen, z. B. in die Schweiz  , unternommen worden. Aber die Sache ist eines weiten Ausbaues fähig. In einer der genann» ten Städte machen z. B. Arbeiter mit einem Professor der Geologie ganze Tagestouren, auf welchen nicht als einziger Zweck, aber in angenehmem Nebenher die wunderbaren Geheimnisse der Erdrinde in natürlichem Anschauungsunterricht, etwa an einem Steinbruch, in einem Bachbett oder einem ausgebrannten vulkanischen Hügel gelehrt werden. Besonders sei aber jüngeren Arbeitern, z. V. den Mitgliedern der Jugendorganisation am Beispiel eines jugendlichen, über ganz Deutschland   verbreiteten Wandervereins gezeigt, was man um iveniges Geld für Wandcrfreuden erleben kann. Es ist der Verein Wandervogel, dessen Mitgliedschaft sich meist aus Mitschülern zusammensetzt. Ter Verein wurde von dem auf sozialpolitischem Gebiet besonders bekannt gewordenen verstorbenen Professor Abbe (Jena  ), dem Leiter der Zeißwerke, begründet. Mit Rucksack und Stock wandern diese jungen Burschen über Berg und Tal, kochen sich an frischen Waldbächen selbst ihr Mahl, machen Spiele und Ringkämpfe oder verlustieren sich an Gesang und Musik mit auf dem Rücken hängenden Gitarren und Fiedeln. Das alles für den Durchschnittspreis von einer Mark pro Tag. Eisenbahnfahrt nicht eingeschlossen. ES darf dabei nicht vergessen werden, daß es sich zumeist um Söhne, wenn auch nicht begüterter, so doch wenigstens nicht direkt armer Leute handelt, denen die Anerziehung zur Be- dürfnislosigkeit fast ein Genuß ist. Aber wenn das Budget auf 1% Mark gestellt wird, so kann man damit ganz vorzüglich wandern und leben. Man muß es nur lernen. Jetzt, wo im. Sommer der modernen Industriestädte der Un- sinn der heutigen Häuscrbauerei mit ihrem Platzgeiz, mit ihrer Luftseindschaft erst richtig fühlbar wird, und wo man die Lust der Großstadt nur noch als schwülen Brodem, als wüste Plage empfindet, da rettet sich wer kann in Seebäder und Gebirgskuv- orte. Das. sind die Wenigen. Tie Vielen aber? Für die oibt'S