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inb: man glaubte mit den Augen zu fchen, wie die feinen, frischen Luftteilchen, fröhlich lachend, in heiterem Schwarm dahin schwebten in die uferlose, freie Ferne.

Zur Nacht verstummte die Straße im einsamen Lichte der großen elektrischen Sonnen. Dann bersank die riesige Festung, in deren flachen Mauern nicht ein einziges Lichtchen leuchtete, in Dunkel und Stille, schied sich gleichsam durch eine Linie des Schweigens, der Unbeweglichkeit und des Dunkels von der ewig lebendigen, ruhelosen Stadt. Und dann vernahm man den Schlag der Stunden; fremd dem Erdentreiben, langsam und traurig er­Ilang und verhallte in der Höhe die seltsame Melodie. Wieder erflang sie, täuschte das Ohr, hallte flagend und leise brach ab und erklang von neuem. Wie große, durchsichtige Glastropfen, die aus unbekannter Höhe in eine leise tönende Metallschale fallen so flangen die Stunden und Minuten. Als wenn Zugvögel dort hoch oben vorüberflögen

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In die Zellen, in denen die Verurteilten einzeln saßen, drang Tag und Nacht nur dieser eine Ton. Er drang durch das Dach, durch die dicken, steinernen Mauern, unterbrach die Stille und ver­hallte unmerklich, um ebenso unmerklich von neuem zu erklingen. Bisweilen vergaßen sie ihn und hörten ihn nicht; bisweilen er­warteten sie ihn voll Verzweiflung, lebten nur gleichsam von einem Stundenschlag zum andern und mißtrauten der Stille. Nur für ganz schwere Verbrecher war das Gefängnis bestimmt, und es hatte seine besonderen Vorschriften, streng, hart und scharf, wie die Eden der Festungsmauer; und wenn im Grausamen noch etwas Edles liegen kann, so war das Edle an diesem Ort des Schreckens die tiefe, tote, feierlich stumme Stille, die gleichsam auf jeden Laut, jedes Geräusch, jeden leichten Atemzug zu lauschen schien. ( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.),

Das große Zentralafien- Werk Sven Hedins .

Bon Dr. E. Thiessen.

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und erst in Norbchina wieder bas Meer zu erreichen. In jebem Fall hat man ein Recht, sich zu wundern und wohl auch darum zu forgen, daß nun seit mehr als einem Jahre keine Nachricht von Hedin gekommen ist, das heißt, daß er bisher nicht wieder einen Drt erreicht hat, von dem aus er eine Kunde nach Europa hätte gelangen lassen tönnen. In seinem letzten Briefe, der vom 28. Februar 1907 aus Schigatse datiert war, gab er mir noch das Es Hoflager des Vizekönigs von Indien als Adresse an. ist wohl aber das wahrscheinlichste, daß er die indische Grenze von Tibet auch nicht überschritten, sondern sich wieder nach Norden gewandt hat, und da kann es wohl sein, daß er entweder auf große Schwierigkeiten des Fortkommens gestoßen ist oder einen besonders langen Weg gewählt hat, ehe er wieder eine zivilisierte Stätte erreichen konnte. Es tann natürlich auch nicht als aus­geschlossen gelten, daß ihm und seiner ganzen Karawane etwas Ernstliches zugestoßen ist, aber im westlichen Tibet ist die Gefahr feitens der Menschen eine viel geringere als in Ost- Tibet, wo fast alle europäischen Reisenden, wie auch wieder die Erlebnisse von Leute nant Filchner und Dr. Tafel gezeigt haben, Gewalttätigkeiten seitens der Bewohner ausgesezt sind. Eine große Anzahl von Forschungss reisenden hat auch gerade dort ihr Leben lassen müssen, entweder in offenem Kampfe mit den Eingeborenen oder bei einem hinterlistigen Ueber­fall oder auf ganz geheimnisvolle Weise, wie z. B. der holländische Missionar Rijnhart einfach verschwand. Das westliche Tibet ist zum großen Teil ganz unbewohnt, und auch dem Charakter der spärlichen Bevölkerung nach scheinen die Gefahren von ihrer Seite geringer zu sein. Außerdem ist Hedin ein Meister gerade in der Behandlung naturwüchsiger Menschen und Völkerschaften, wie er denn auf seinen langjährigen Reifen niemals einen ernstlichen Konflikt mit den Eingeborenen gehabt hat. Die Schwierigkeiten des Reisens sind sowohl im Winter wie im Sommer ungeheuer groß und ganz besonders in der warmen Jahreszeit wegen der Auf­weichung des Bodens. Aber auch in der Besiegung aller Aufgaben, die von einem widrigen Gelände an den Reisenden gestellt werden, hat Hedin infolge seiner unvergleichlichen Erfahrung und seiner ruhigen zähen Tatkraft eine durchaus ungewöhnliche Leistungsfähig­feit. Es ist auch merkwürdig, daß im Fall einer Statastrophe nicht irgend eine Nachricht nach außen gedrungen sein sollte, da doch Hedin mit einer unverhältnismäßig großen Karawane gereist sein muß. Man wird also noch eine Zeitlang ruhig abwarten dürfen, ehe man ernste Besorgnisse um das Schicksal des fühnen, aber durchaus nicht in nachteiligem Sinne waghalsigen Reisenden Raum au geben braucht.

Glücklicherweise werden wissenschaftliche Veröffentlichungen nicht mit der Elle gemeffen. Solche äußerlichen Maßstäbe haben immer etwas Bedenkliches, und doch will es etwas Bestimmtes und Aus­Ms Hedin Ende 1905 Europa verließ, waren von dem großen zeichnendes fagen, daß das nun vollendete Wert von Sven Hedin über Zentralafien wohl die umfangreichste wissenschaftliche Aus- Wert über seine vorige Reise nur die beiden ersten Bände des arbeitung ist, die die Reise eines einzelnen Forfchers bisher erfahren Tertes, ein ansehnlicher Band mit der Zusammenstellung der hat. Es war im Juni 1904, als Sven Hedin mir den ersten Band meteorologischen Beobachtung und ein Heft Zoologie, außerdem dieses Werkes sandte und ihm einige herzliche Worte beifügte, worin ein Teil des Atlas erschienen. Daß jezt auch die übrigen veröffentlicht worden find, weiß er gegenwärtig er seiner treuen Anhänglichkeit an die gemeinsame Berliner Studien- Teile zeit und den gemeinsamen großen Lehrer Ferdinand v. Richthofen selbst noch gar nicht. Um so mehr Genugtuung darf man er selbst ohne jede Ausdruck verlieh. Seitdem find nun fast vier Jahre vergangen, ehe dabei empfinden, ihm in dieser Zeit, wo die letzten Teile der Publikation erschienen find. Was ist in diesen Verbindung mit dem ift, was man Welt nennt, eine Huldigung vier Jahren nicht alles mit Hedin geschehen? eine Fülle von für die Vollendung dieser großartiger Leistung zu bereiten, für die wichtigen Ereignissen, die wieder so recht die eigenartige Bersönlicher die verdiente Anerkennung erst nach seiner hoffentlich nicht mehr Was Hedin in feit und Lebensführung dieses Forschungsreifenden veranschaulichen. fernen Rüdkehr wird entgegennehmen tönnen. Mit den etwa 3000 Quartfeiten, die Hedin zur Herstellung der ersten feinem Bentral- Afien" geschaffen hat, ist um so höher zu bewerten, vier Bände seines Werfes auszuarbeiten hatte, war er vermöge als es jest fast als eine Ausnahme zu bezeichnen ist, wenn eine von seiner eisernen Arbeitsenergie und Zeitausnußung in wenig mehr einem einzelnen Mann ausgeführte größere Reise überhaupt noch eine als drei Jahren fertig, und alsbald war in ihm schon wieder der einigermaßen ausführliche wissenschaftliche Beschreibung findet. Blan zu einer neuen Reise nach Innerafien gereift. Für einen Hedin ist vielleicht in etwas entgegengesetzter Richtung etwas zu Mann seiner Art ist die völlige Konzeption eines Blanes ohne seine weit gegangen, indem er in der Schilderung der von ihm erforschten schnelle Ausführung unerträglich, und so räumte er denn alle Flußläufe, Seen, Dünengebiete usw. sehr weit ins Detail fich ein Hindernisse aus dem Wege, um Ende 1905 sich schon unterwegs gelassen hat. Etwas strammere Zusammenfaffung wäre vielleicht zu finden. Ohne sich aufzuhalten, durchmaß er die Länder für das große Werk dienlicher gewesen, da sie die wissenschaftliche bis an die Schwelle Innerafiens und widmete nur einem Berwertung erleichtert hätte. Immerhin hat Hedin namentlich in noch völlig unbekannten Gebiet im südöstlichen Persien eine gründ- den späteren Bänden auch diese Forderung immer mehr berück liche Durchforschung. Dann ging es los in gerader Richtung auf den großen geheimnisvollen Magneten, auf Tibet , das nach der Er­oberung von Chassa durch die Engländer eher noch stärker als zuvor das Interesse der Welt auf fich gelenkt hat. Da trat der unerhörte Fall ein, daß die indischen Behörden dem Forscher, der noch eben der freundlichst aufgenommene Gast des Vizekönigs gewesen war, den Eintritt nach Tibet verboten. Wer Hedin tannte, hatte nicht den mindesten Zweifel, daß den Engländern dies Verbot nichts nügen, daß Hedin vielmehr Wege finden würde, seinen Zweck dennoch zu erreichen. Auf ein paar Tausend Kilometer Umweg zu seinem Ziel kommt es diesem Mann nicht an. Seitdem find verschiedene Berichte über die Erlebnisse und Entdeckungen Hedins in den diesmal von ihm aus erwählten Teilen Tibets nach Europa gelangt, und von den Ent­dedungen hat die Feststellung einer Hochgebirgstette ersten Ranges nördlich von der Stromlinie des oberen Indus und des oberen Brahmaputra , unter seinen Erlebnissen der Besuch beim Taschi so Hervorragendes, wie es feiner unter den lebenden Forschungs­Lama das größte Aufsehen erregt. Seitdem ist Hedin ver reifenden aufzuweisen vermag; das zeigen nicht nur seine vielen schollen. Es war charakteristisch, daß er für seine Heim- landschaftlichen Stizzen im beschreibenden Teil, sondern auch ein reise" zwei Wege angab, zwischen denen er erst noch besonderes Heft des 6. Bandes, das unter dem Titel Rassentypen aus wählen wollte, nämlich entweder über Indien oder über West- und Zentralaften", leider ohne begleitenden Text, erschienen ist China . Der Grund dieser Unsicherheit lag wohl darin, daß und eine Auswahl von Borträtsfizzen enthält, die Hedin in seinen ge Hedin vermutete, nach seiner gelungenen tibetischen Reise in Indien vielleicht doch keinen so freundlichen Empfang wiederzufinden, und, im Fall er aus Tibet nach Norden zu gehen gezwungen wäre, es dann vorzog, noch durch ganz Innerafien nach Osten zu ziehen

fichtigt.

Der beschreibende Teil des Werkes schließt mit Abschnitten, die eine Bufammenfassung aller wichtigen Forschungsreisen in Hochtibet und die Würdigung ihrer Ergebnisse enthalten, außerdem Uebers fichten über den Gebirgsbau des ganzen Gebietes, soweit er bisher eine Aufklärung erfahren hat. Dieser Teil des Werkes ist also als besonders wichtig für die Geographie Afiens hervorzuheben. Im sei nur die noch gesagt, daß übrigen äußere Auss mit Bildern und Karten geradezu glanzvoll ge­ftattung werden fann. An Photographien und in ihrer nannt Wiedergabe haben wohl auch andere Werte qualitativ, wenn aufzuweisen. Dazu kommt auch kaum quantitativ Aehnliches aber noch der Schmuck und das persönliche Interesse, das sich an die Ergänzung dieser objektiven Abbildungen durch Zeichnungen von Mit dem Zeichenstift leistet Hedin Hedins eigener Hand knüpft.

samten Asienreisen, deren erste schon in das Jahr 1885/86, und zwar nach Borderafien, fiel, angefertigt und gesammelt hat. Der sechste Band enthält außerdem nur noch die längst erschienene Zoologie und die leider sehr dürftig ausgefallene Zusammenfassung geologischer Ere