Das Bewußtsein kehrte wieder, doch nur unvollständig, stoß-föeise, in seltsamen Fetzen. So zuckte es plötzlich, wie zur Be-stätigung des Gehörten, klar und scharf durch das Hirn:„In der Tat— nicht mal den Weg konnten sie sauber machen t"Dann erlosch wieder alles, und nur die Geruchsempfindungenblieben: dieser unerträglich scharfe Duft des Waldes, der Früh»lingSluft, des schmelzenden Schnees. Dann erschien wieder allesungewöhnlich hell: der Wald, und die Nacht, und der Weg, und dieTatsache, daß man sie sogleich, in der nächsten Minute, aufhängenwird. Im Flüsterton huschte das abgerissene Gespräch ins Ohr:.ES ift gleich 4 Uhr."„Ich sagte es ja: wir fahren zu früh ab."„Um 5 Uhr beginnt eS zu dämmern."„Na ja, um fünf— da hätten wir eben..Im Dunkel, auf einer kleinen Waldwiese, wurde Halt gemacht.In einiger Entfernung, hinter den vereinzelt stehenden, in derhellen Winternacht den Ausblick freigebenden Bäumen bewegten sichlautlos zwei Laternen hin und her: dort standen die Galgen.„Eine Galosche habe ich verloren," sagte Sergej Golowin.„WaS?" fragte Werner, der nicht recht verstanden hatte.„Eine Galosche habe ich verloren. Es ist kalt."„Wo ift denn Wassili?"„Ich weih eS nicht... Dort steht er."_Düster und unbeweglich stand Wassili da.„Und wo ist Mußia?"„Ich bin hier. Bist Du es, Werner?"Sie schauten um sich, vermieden jedoch, nach jener Seite zublicken, wo lautlos, mit grausam-klarer Bestimmung, sich die kleinenLaternen bewegten. Zur Linken wurde der Wald immer lichterund lichter, etwas Großes, Weites, Flaches schimmerte hindurch,und ein feuchter Wind wehte von dort her.„Das Meer," sagte Sergej Golowin und sog gierig mit demMunde die Luft ein.„Dor» ist dos Meer."Wohltöneiid erklang Mufias Stimme:„Mein Lieben, weit und endlos wie das Meer,»„Wie war das, Mußja?"„Mein Lieben, weit und endlos wie das Meer, bermag desLebens Enge nicht zu fassen."„Mein Lieben, weit und endlos wie das Meer.." wiederholte nachdenklich Sergej, im gleichen Tonfall wie Mußja.„Mein Lieben, weit und endlos wie das Meer..." wieder-holte auch Werner und fügte plötzlich wie in heiterem Erstaunenhinzu:„Wie jung Du noch bist, Mussinka!"Plötzlich ließen sich dicht an Werners Ohr Zigcunerchens leiden-schaftlich flüsternde Stimme vernehmen:„Sieh, Herr— he. sieh, Herr: der Wald da.. wie? O, Gott,was ist denn das? Und das dort, da drüben, wo die Laternen sind— das ist wohl der Galgen, wie? Was ist denn das? O— ohl"Werner blickte hin: Zigeunerchen wand sich in Todesqualen.„Wir müssen Abschied nehmen," sagte Tanza Kowaltschuk.„Warte noch, erst wird das Urteil verlesen," versetzte Werner.„Aber wo ist denn Janssen?"Jansson lag auf dem Schnee, wo man sich eben mit ihm zuschaffen machte. Plötzlich durchzog ein scharfer Duft von Salmiak-geist die Luft.„WaS ist denn da los, Doktor? Sind Sie bald fertig?" fragtejemand ungeduldig.„Es ist weiter nichts, eine kleine Ohnmacht. Reibt ihm dieOhren mit Schnee. So— jetzt ist es gleich vorüber. Wir könnenlesen,"./(Schluß folgt.)(Nachdruck verdoten.lI�eue Sterne.Von Felix Erber.Alles, tvaS im Universum besteht, muß der Vernichtung an-heimfallen, denn im große» Entwicklungsgange der Natur spielenWerden und Vergehen die Hauptrolle.Sterben und Geborenwerdcn halten überall das Züngleinder Weltenwage, nicht bloß im Mikrokosmos, der Welt im Kleinen,sondern auch im Makrokosmus, der Welt im Großen, und die kos-Mischen Körper fallen ebenso wie die Lebewesen der Vernichtunganheim am Abende ihres Lebens!Daß dies geschieht und daß auch in den Sternenwelten Werdenund Vergehen gesetzmäßig walten, lehren uns die„neuen Sterne".Tausende von Sonnen blitzten seit dem Beginn der Zeitenin den unermeßlichen Tiefen des Alls auf und vergingen wiederunter gewaltigen Todeszuckungcn; taufende werden ihnen nochfolgen bis ans Ende der Zeiten.Von fürchterlichen Katastrophen erzählen sie uns. von Welten-bränden und Untergängen im Universum, und man hielt diese„neuen Sterne" lange Zeit hindurch für Schöpfungen aus demNichts, denn sie kamen ja scheinbar aus dem Nichts, gingen in das-selbe zurück und schienen jeder Harmonie des Himmels fremd zusein!Aber in den Sphären gibt es keinen Zufall, und heute weißman, daß diese„neuen Sterne", diese anscheinend so winzigenSternchen, Sonnen sind, größer als die unsrige, welche sich umandere Weltenkörper so lange drehen werden, bis ein ewiges GcseLden Mechanismus des Weltalls aufhebt.Man weiß heute ferner, daß diese„neuen und temporärenSterne" vielfach in die Klasse der„Veränderlichen", das heißtsolcher Fixsterne gehören, welche nicht immer in gleichem Glänzeleuchten, sondern deren Lichte regel- oder unregelmäßigen Schwan»kungen unterworfen ist.Im Jahre 134 v. Chr. erschien ein solcher„neuer Stern" inlebhaftem Glänze plötzlich im Bilde des„Skorpion". Die Chinesensahen ihn und aller Wahrscheinlichkeit nach beobachtete diesen„Kesina" der Chinesen auch der alte Hipparch, der, wie Plinius an-gibt, durch ihn zur Aufstellung eines Sternkataloges bewogenwurde.Beim Sternbilde des„Schlangenträgers" stand im Jahre 123n. Chr. wieder ein„neuer Stern" und unter Kaiser HadriansRegierung im Jahre 13V n. Chr. ein solcher an der gleichen Stelle.Am 10. Dezember 173 n. Chr. zeigte sich im.Centauren" ein„neuer Stern", der nach acht Monaten verschwand und nachein,ander in fünf Farben strahlte.Im Jahre 383 n. Chr. flammte im Sternbilde des„Adlers"ein« Nova auf. die drei Wochen lang am Firmaments heller alsdie Venus funkelte. 827 n. Chr. beobachteten die beiden berühmtenarabischen Astronomen Haly und Giafar ben Mohammed Albumazaveine prachtvolle Nova in Babylon, deren Lichtfülle vier Monate hin,durch der Helligkeit der Mondsichel gleichgekommen sein soll.Zwischen„Cepheus" und„Cassiopeja", hart am Sonnengürtelder Milchstraße, sah 345 n. Chr. der Hofastronom Kaiser Ottos desGroßen eine Nova, 1012 n. Chr. erschien eine solche im Tierzeichendes„Widders", die Hepidanus, ein Mönch des Klosters Sankt,Gallen, beobachtet und beschrieben hat.So tauchten im Laufe der Jahrhunderte noch diele„neueSterne" auf, bis Hind in Bishop am 28. April 1848 einen blut-roten Stern fünfter Größe im„Schlangenträger" entdeckte, den1850 die zehnte, 1850 die elfte Größe annahin und seit 1867 in derzwölften bis dreizehnten Größenklasse verblieben ist.Die bedeutendsten„neuen Sterne" aber sind diejenigen ausden Jahren 1572. 1604, 1866, 1885, 1892 und 1301 n. Chr.Der berühmte Astronom Tycho Brahe weilte am II. November1572 bei seinem Onkel Steno Bille im Kloster Herizwadt und hattebis zur hereinbrechenden Dunkelheit gearbeitet. Er trat dannhinaus ins Freie und sah, was er stets zu tun pflegte, hinauf zuden Sternen. Da gewahrte er zu seinem größten Erstaunen naheam Zenit in der„Cassiopeja" einen strahlenden Stern von niegesehener Größe. Er war ohne Schweif und von keinem Nebekumgeben, strahlte heller als Sirius und heller als Jupiter undVenus. Sogar am Tage in der Mittagsstunde konnte man ihn beiheiterer Luft am Himmel erkennen. Zur Nachtzeit schien er selbstdurch eine mäßig« Wolkendecke hindurch und Messungen, welcheDycho sorgfältig vornahm, ergaben, daß er völlig unbeweglich war.Im Dezember 1572 aber fing seine Lichtstärke an abzunehmen. An,fang 1573 noch mehr und im Februar 1574 war der„Pilgerstern".so nannte ihn Tycho, auf die sechste Größe herabgesunken, bis erim März 1574 ganzlich verschwand.Siebzehn Monate lang hatte er am Firmament« gestandenund Lindauer in Winterthur soll ihn schon am 7. November 1572gesehen haben. Der Stern aber wurde nach Tycho benannt, weikdieser ihn mit großem Fleiße beobachtete und ein umfangreichesBuch über ihn geschrieben hat. Im Sternenbilde der„Cassiopeja"sieht man heute noch ein Sternchen elfter Größe, nahe jener Stelle.wo die„Nova" des Jahres 1572 aufleuchtete, und es ist nicht un»möglich, daß dieselbe identisch ist mit derjenigen der Jahre 345 und1264 n. Chr. Wir hätten es dann ebenfalls mit einem„Veränder,lichen" zu tun, der eine Periode von 315 Jahren besitzt. Das Maxi»pnum seines Glanzes würde in die Zeit der Geburt Christi fallenund der Tychonische Stern von 1572 würde der„Stern der Magier"sein, was Tycho in seinem Streite mit Cardanus auch annahm.■Am 10. Oktober 1604 erschien ein überaus prächtiges Gestirnim„Schlangenträger", das von Johann Brunowski, einem SchülerKeplers, als Stern erster Größe entdeckt wurde. Diese Nova waraber nicht so lichthell, wie die Tychonische. Ihre Undulation warindes stärker als bei der letztgenannten, und sie zeigte ein viel»farbiges, wechselndes Licht. Ihre Helligkeit nahm rasch ab undim Jahre 1606 verschwand sie. Kepler verfaßte eine Schrift hier»über und zu gleicher Zeit hatten auch die Chinesen einen Kesingim„Skorpion" gesehen, der von rötlich-gelber Farbe und wahr-scheinlich der Keplersche„neue Stern" war. In der„Krone"leuchtete am 13. Mai 1866 plötzlich ein heller Stern zweiter Groß«auf, der in vier Tagen zur vierten und in siebzehn Tagen bis zurneunten Größenklasse herabsank. Der Lehrer Hallowcll inWashington soll ihn zuerst gesehen haben, offiziell aber angemeldetwurde er von Schmidt in Atbcn, der ihn am 13. Mai wahrnahm.Er wurde auch von Birmingham in Tuam erkannt und von denDichtern sogar später verherrlicht. Als diese Nova erschien, warjener klein« Lichtzerleger, das Spektroskop, welches jeden Lichtstrahlin ein Farbenband, sein Spektrum, zerlegt, schon erfunden. Das,selbe richteten Miller in Oxford und Secchi in Rom sofort auf dieNova und fanden ein Spektrum ähnlich demjenigen unserer Sonne,das von dunklen Frauenhoferschen Linien durchzogen war. DasSpektrum des„neuen Sternes" deutete auf eine aus wcißglühen»den Stoffen bestehende Lichthüllc(Photosphäre); die dunklenFrauenhoferschen Linien(die Absorptionslinien) im Spektrum aber