-' Langsam WenLerle er zur'Stadt zurück. Wie allabcnd- l?ch kam ein Wagenzug in voller Karriere über den Korso herauf mit Passagieren des Abcndzuges, der die Reisenden von den großen Strecken brachte. Im letzten Wagen erkannte er Pamfo. Er saß allein Witten im Wagen und rauchte an einer langen Zigarre mit einer Miene, als gehöre ihm das ganze Fuhrwerk. Angelo mußte lachen, als er, sich umwendend, seines Vaters abgelegte Kleider und Hut erkannte. Im übrigen machte er sich keine Gedanken darüber, daß Carmelas Carusu so fein daherfuhr. Am allerwenigsten ahnte er, daß er vergebens auf dem Bahn- Hof gewesen, um Assunta abzuholen. Angelo spürte keine Lust, zum Essen heimzugehen. Ins Hotel Gellia wollte er auch nicht: dort speisten alle Jung- igesellen. Er begnügte sich zu Romeres, dem Konditor und CaMier, zu gehen und ein Weißbrot zu einer Portion Frucht- eis zu verzehren. Es war noch leer. Alle Welt war bei Tische. Er schlenderte auf die andere Seite des Korsos hin- über und nahm in einem der großen Rohrstühle des adeligen Klubs Platz. Dieser bestand nur aus einem einzigen großen Raum, der an einen Dritteklassewartesaal eines Provinzbahnhofes erinnerte. Er hatte bloß den einen Vor- teil, daß er zentral lag. Hier konnte man in den Lehn- stühlen liegen und auf die Straße hinausspuckeit. Vier, fünf grauköpfige Herren lagen jeder in seineni stuhl, halbschlafend oder vor sich hinstarrend wie ruhende Araber. Keiner von ihnen sprach oder verriet in irgendeiner Weise, daß Leben in ihm sei. In dieser beruhigenden Gesellschaft verbrachte Angelo eine halbe Stunde. Seine einzige Beschäftigung bestand darin, Pamfo zu beobachten, der unablässig draußen auf und ab spazierte. Endlich sah er auf seine Uhr, stand auf und schlenderte langsam über den Korso, wobei er die Beobachtung machte, daß es bei ihm daheim noch finster war. Bei dem Gäßchen, das zum Gymnasium führte, sah er sich einen Augenblick um und ging darauf zu der Schule hinab, die vor der Einigung des Reiches Minoritenkloster gewesen war. Er fand das Tor der Verabredung gemäß bloß an- gelehnt. So konnte er ruhig hinaufgehen. Der Pedell wohnte im ersten Stockwerk in einem kleinen Logis, das auf den Platz hinausging. Angelo klopfte an. Die Frau kam, öffnete, ohne Vorsicht anzuwenden und be- grüßte ihn wie einen Bekannten. In dem großen Zimmer, in dem das breite Ehebett stand, fand er Rusidda und ihre Mutter. Erstere schien sehr über- rascht, daß Angelo zu so einfachen Leuten komme: aber der Besucher erklärte, er komme im Austrage feiner Mutter zum Pedell, der jedoch, wie seine Frau bedauernd erzählte, als Stadtmusikant einer anläßlich des San Calogerosestes statt- findenden Probe beiwohnen mußte, die sich möglicherweise länger hinausziehen würde., .(Fortsetzung folgt. ss (Nachdruck verkolen.) �Komas vom KnicKenKof. ES war heller Tag geworden, die Sonne war hinter den Bergen aufgestanden. Emige brachten Paul, der etwas zu sich ge- kommen war, nach Hause; allein konnte er nicht stehen. Thomas ging mit Jesper weg, er setzte die Beine wie ein Löwe und brustete sich. Ihm sollte noch mal einer kommen I Jesper wurde beinahe schlecht bei dem aufgeregten Prahlen des Freundes, nun sie doch allein waren. Weit und breit wurde von dieser Schlägerei geredet und Paul bekam noch Spott zu den Hieben, die er schon weg hatte. Thomas aber konnte sich mit seinem Siege dick tun. Wer aber Jörgine kriegte, das war doch Paul. So endete es. Sie wollte ihn. Für Thomas hatte sie nur mehr Verachtung feit der Prügelei, sie konnte ihn nicht mehr sehen. Paul und Jörgine heirateten. Da keins von ihnen erste? Kind war, wurden sie drunten am Bach in einenr AuSnmrkerhof unter- gebracht: der lag dem Brückenhof gerade gegenüber. Schulden mutzten sie freilich mit den: Hofe übernehmen, aber sie waren ja jung und konnten sich emporarbeiten. Paul und Jörgine lebten glücklich miteinander, jedes Jahr bekamen sie ein Kind. So verging die Zeit. Zwischen den beiden Nachbarorten bestand kein Verkehr. Im Sommer gingen die Bewohner eines jeden HofeS für sich auf ihrer Vachseite und brachten ihr Heu unter Dach: sie sahen nicht herüber zu einander; auch das Gesinde konnte sich nicht vertragen. Thomas vom Brückenhof verlegte fich auf den Pferdehandel. Er wurde ein brummiger, verdrietzlicher Patron, den kein Mensch leiden mochte. Als ihm der Hof zufiel, verheiratete er sich. So vergingen acht Jahre, ohne datz die beiden Männer sich noch einmal nach jenem Johannisabend wiedergesprochen hätten. Da kam eines Spätnachmittags Thomas zu„Pauls". Hastig trat er in die Stube, die von kleinen Kindern in jedem Alter wimmelte. Jörgine satz und wiegte den Jüngsten. Als sie Thomas erblickte, sank sie auf ihrem Sitz zusammen und starrte ängstlich auf den Besucher. Thomas blickte auf sie, dann auf all die Kmder und fragte kurz nach dem Mann. Paul trat ein, sah in verstohlener Verwunderung auf den Besucher. Aber als fünf Minuten um waren und der Brückenhofbauer wieder gegangen, da waren sowohl Paul als auch Jörgine stumm und � ließen die Köpfe hängen. Thomas hatte eine Schuld ge- kündigt, die Papiere waren in seinem Besitz, er hatte sie an» gekaust. Diese Sache erregte viel Aufsehen in der Gegend, man sagte Thomas Tücke nach. Aber er trieb nach, und Paul mutzte Land ver- kaufen um sich zu retten. Von da an ging es bergab mit Paul, er konnte die Ausgaben nicht erschwingen und Thomas satz ihm immer im Nacken. Da Paul die Hauptschuld hatte zahlen müssen, so hatte er noch Geld bar ge- liehen. Thomas versuchte, auch die Schuldscheine hiervon in die Hände zu bekommen, aber der Besitzer verkaufte sie ihm nicht. Da prozessierte Thomas mit dem Nachbar um das Recht zum Fischen im Bach. Nach zwei Jahren hatte Paul den Prozetz ge- Wonnen, aber inzwischen das Wiesenstück, um das eS sich gehandelt hatte, verkaufen müssen. Der Käufer veräutzcrte eS gleich wieder an Thomas. Das war noch nicht genug. Thomas ließ Paul wegen einer Feldscheide vor Gericht laden. Auch hier gewann Paul, aber er wurde arm dabei. Auch kränklich wurde Paul um diese Zeit, er bekam in seinem Wesen jene bleiche Sanftmut, die nur Bitterkeit und Halsstarrig- keit verhüllen will. Wenn ihn jemand bedauerte, konnte er weinen und dann schimpfen. Wieder lag er im Prozeß mit Thomas, dies- mal„wegen unerlaubten Weidens auf fremdem Grund und Boden". Die Sache war zweifelhaft, sie spielte schon über ein Jahr. Den Sommer lang war Paul unruhig. Im Herbst konnte das Urteil erwartet werden. Lautete es gegen ihn, so mutzte er von Haus und Hof, das wutztc er. In dieses Jahr fiel die grotze Dürre, von der die Leute noch reden. Vom Frühjahr an fiel kein Regen, abgesehen von ein paar Gewitterschauern, die nur auf der Oberfläche des Staubes plätscherten und den Erdboden ein wenig gesprenkelt erscheinen lietzen. Bauern und Getreide warteten geduldig. Etwas wuchs es ja doch. Aber schlecht waren die Aussichten. Gegen den Sommer bc- gann mau leise davon zu sprechen, was wohl noch gerettet werden könnte. Man hatte also seine Ansprüche sehr zurückgeschraubt. Regen kam nicht. Auf den Sleckern stand das Getreide krank, der Hafer war einen Finger lang, der Roggen sah aus wie gebleichtes Heu, die Hälfte der Nehren war leer. Draußen, aus den mageren Aeckcrn am Fjord, war fast nichts. Lange fuhr man noch fort, zu hoffen, datz ein Regen die Ernte retten könnte, aber schwächer und schwächer wurde die Hoffnung, sie erstarb fast, ebenso wie die Nehren auf dem Felde. An dem Tage, als endlich Regen kam— es war schon hoch im Juli— hatte die Sonne wie an allen Tagen vorher von Morgen an unersättlich gesengt, und aller Stimmung war gedrückt. Die Sorge trieb die Menschen zueinander hin, sie schlössen sich anein- ander. Vor des Dorfschulzen Hause stand eine Gruppe Männer und erörterte die Aussichten. Man sprach leise, als wenn jemand gestorben wäre, dicht zusammen stand man, Ratlosigkeit war in aller Mienen. Furcht und Gram ließ die Gestalten noch gebückter als sonst erscheinen. Die Leute sahen zum Himmel auf, aber keine Wolke wurde sichtbar. In jedem Hause lag das Fieber der Enttäuschung unter den Zimmerdecken, hinter den Fensterscheiben tauchten bekümmerte Gesichter auf und schauten empor. Was sollte werden? Der Anblick draußen konnte auch wohl einen Menschen zur Verzweif- lung bringen. Wie lange Bilder von Jammer und Demütigung lagen die Felder da. Aber gegen Mittag wurde es kühl, dicke Wolken zogen hurtig von Westen herauf, kamen angeschwommen wie schwarze Giganten. die die Arme vor sich ausgestreckt halten. Fassen konnte man es kaum. Als die ersten Tropfen fielen, konnte sich niemand der Be- wegung erwehren. Ja, der Regen begann herabzugictzeu. Anfangs schien die Sonne noch und der Regen kam hoch von oben aus der Luft in langen, glänzenden, lichtgoldenen Strähnen. Feuer and Funken stob es vom Getreide, und über den Wegen stand ein feiner Nebel aus Wasserstaub. Ein rechter Sonnenregen— jeder Tropfen funkelte von Licht. Wie froh die Menschen wurden? Ruhige Männer eilten aus den Türen und riefen dem Nachbar Hallo zu, sie mutzten eS ihm
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25 (17.7.1908) 136
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