wurde dem Mindestfordernden in Pflege gegeben und später in die Tischlerlehre geschickt. Er hatte sich schon im Dorfe niederge- lassen und besaß Familie, als der Mann, der fein Vater war, eines Tages wieder in der Gegend auftauchte. Die Diligence setzte eines Tages einen Fremden zugleich mit einem Eisenblechkoffer im Wirtshause ab. Niemand kannte ihn und er selbst gab sich auch niemand zu erkennen. Auf den Koffer war ein Zettel geleimt, auf demRed Star Line " stand, und aus diesen Zeichen schaffte sich das Gerücht die Gewißheit, daß er aus Amerika käme. Aber er war Däne. Er erregte großes Aufsehen im Dorfe und wurdeDer Goldgräber" genannt. Man redete viel von dieser Größe, die ins Wirtshaus gekommen war und nichts anderes tat, als hinter dem Tische sitzen und die Leute anglotzen. Er hatte einen scharfen Blick, der die Leute borsichtig machte, sah aber sonst nicht boshaft aus. Sein Gewand war fremdartig, fast dürftig; rasiert war er wie andere Menschen, ausgenommen ein struppiges Haarbüschel am Kinn. Sagen tat er nicht viel. Eines Tages kam ein alter Mann, der ihn kannte. Nun wußte man es, und die meisten waren darüber beleidigt, daß es Labst Erikksen war, der nach Verlauf von neunundzwanzig Jahren aus Amerika heimgekehrt war. An demselben Tage ging Labst zu seinem Sohn, um ihn zu besuchen. Das Wiedersehen war nicht weiter bewegt. Es war bereits jemand bei Anders gewesen und hatte ihm die Neuigkeit borsichtig erzählt, damit die Freude nicht gar zu groß würde. Als der Alte kam, stand Anders an der Hobelbank; er stellte die Arbeit nicht ein und sagte nur hastig:Gueten Tag!" Labst Erikksen ließ seinen Blick eine Minute lang über die Werkstatt und von ihr zu seinem Sohne gleiten dann grüßte er leise: Gueten Tag a', Anoers!" Anders hobelte mit der größten Gleichmütigkeit weiter. No ja, ich bin ja halt dei Vater..." Hab's schon gehört," sagte Anders eilig. Er warf einen flüchtigen Blick auf den Vater, der fremde Tonfall schreckte ihn zurück, und daß der Vaterich" und nichti" sagte, wie er selber. Dann schwiegen beide. Labst betrachtete den Sohn, der sich eifrig daran gemacht hatte, ein Brett mit einem Hobel zu bearbeiten und lange, pfeifende Spähne davon abzog. Anders war groß und mager, mit großen Kiefern und kranken Augen. Er war schiefbeinig und hatte einen runden Rücken, der Nacken war dünn wie bei einem Kinde und hatte eine Rinne. Er ähnelte der Mutter. Lavsts Augen spazierten hin und her von ihm. Schweigen. Dann öffnete Anders Frau die Tür des Wohnzimmers und steckt einen pruddcligen Kopf herein, sieht den Fremden und zieht sich ohne ein Wort wieder zurück. Schweigen. Wo hast denn dei Holz her?" fragt Labst Erikksen milde und sieht zu den Haufen Brettern und Planken, die unter der Decke liegen, hin. Er fixiert ein besonderes kleines Regal, auf dem einige Mahagoniplattcn und ein paar Stücke anderes edles Holz liegen, und seine Augen werden ihm feucht. Anders hält mit der Arbeit inne, folgt dem Blick des Vaters und steckt die eine Hand unter das Schurzfell. Er steht lange in Gedanken. Endlich ficht er auf den Vater und hat sein Gesicht völlig leergemacht, damit der Alte nicht irgendwelche Hoffnung fassen soll. J kausis beim Svcndsen in Hvirresund." Die völlige Tonlosigkeit der Antwort schlägt den Alten aus dem Felde. Er bleibt noch einige Minuten stehen und heftet die Augen auf verschiedene Dinge, in Gedanken verloren, dann sagt er in der Richtung auf den Rücken seines Sohnes kleinmütig: No ja, wir könnten eigentlich doch' drüber reden, Anders. I möcht mi halt zur Ruh' setzen... Hier hörte man ein Gepolter vor der Tür, wo Anders Frau gestanden und gehorcht hatte. Anders hobelt weiter und nimmt das Brett hoch, um den Rand entlang zu sehen und sich zu über- zeugen, ob dieser auch gerade ist. I Hab' dir a Unrecht antan," sagt Labst Erikksen, ein wenig zitternd. Und da Anders nicht darauf zu hören scheint, sondern dasteht und auf das Hobeleisen klopft, um es besser einzustellen, fängt der Alte an, ihn ruhig forschend anzusehen. Endlich ist er aefaßt und wendet sich der Tür zu: Eoock bye!" Draußen blieb Labst Erikksen etwas stehen, sah über das Haus des SohncS hin, maß die Höhe, besah die zwei nackten Stachelbeersträucher imGarten" und die Stockrose an der Haus- tsiguer. Dann ging er schnell wieder ins Wirtshaus zurück, (Schluß folgt.) Malter Lclftihow Die Geschichte der Landschaftsmalerei wird einst einen wichtigen Teil der modernen Kunstgeschichte bilden. Ans allen anderen Ge« bieten, im Porträt, im Stilleben, im Geschichtsbild haben der- gangcne Zeiten Großes geleistet, das uns noch heute als vorbildlich hingestellt wird und unsere Bewunderung und Anerkennung auch in dem Falle erhält, wo wir der Ansicht sind, daß jede Zeit ihre eigene Art der Anschauung besitzt und folglich von Vorbildlichkeit in dem äußerlichen Sinn nicht die Rede sein kann. Nur die Landschaft ist unsere eigene Domäne, ein Gebiet, das wir uns selbständig erobert haben. Das wir selber urbar machten und auf dem wir nun die Früchte unseres Fleißes zu pflücken beginnen. Die Landschaft er» scheint in de»- Geschichte der Kunstentwickelung erst zu allerletzt. In diesig Geschichte der Landschaftsmalerei wird Walter Leistikow , der Mitbegründer der Sezession und einer ihrer energievollsten Leiter, der jetzt plötzlich im 43. Lebensjahr gestorben ist, einen ersten Platz einnehmen. Er hat sein ganzes Können und Streben nur für die Landschaft eingesetzt. Jminer wieder nahte er ihr mit ehr« fürchtiger Empfindung, um von ihr zu lernen. Es ist, als ob nur die Einsamkeit ihn lockte. Die stillsten Reize wußte er mit den feinsten Mitteln zu bannen und seine nervöse Empfindlichkeit ließ ihn die leisesten Nuancen dieser Erscheinungen erfassen. Wie er ihr auch nahte, immer schuf er ein Ganzes, ein Persönliches. In seiner Art der Technik wechselt er zwischen männlich-aktivem und weiblich« passivem Wesen. Er fragt an und studiert wie ein Schüler. Dann zwingt er die Natur in dekorativ-starre, nordische Formen, das klingt ab in den melancholisch-stimmungsvollen Landschaften der Mark, die er entdeckte. Bis er dantr wieder zu einer stillen Schön« hcit kommt. Eine Fülle des atmosphärischen Lichtes ist da hinein« gebannt. In solchen Bildern fehlt diese starre Schwere der Farben ganz. Blau leuchtet das Wasser. Hell liegt der Streifen des Strandes unter dem Sonnenlicht. Schilf bewegt sich im Winde. Und ein leichtes Träumen liegt in der Luft. Von besonderer Bedeutung sind dann wieder die Schnee» landschaften aus dem Hochgebirge, in denen Leistikow die stärksts Eindringlichkeit erreicht wie schön und ruhig liegt der Schnee auf den dunkelgrünen Tannen I die nicht von außen in den Gegen« stand hineingetragen ist, sondern organisch aus Farbe und Linie zusammenwächst. Bedeuten diese letztgenannten Bilder schon eine Erweiterung des Stoffgebietes was bei Leistikow gleichbedeutend mit vornehmster künstlerischer Bewältigung so fügte er in den lila und hellrot blühenden Obstbäumen im Garte», in dem herrlichen Seestück, das erHeimkehr" nennt, wiederum NeueS hinzu. Namentlich dieses Bild eine intensiv schillernde Wasser« fläche voll lebhaft spielender Bewegung, auf der kleine Boote schwimmen, die heimkehren bedeutet in der ganz eigenartigen Leuchtkraft der Farben, in der straffen Handhabung deS dekorativen Bildeindrucks einen malerischen Neuwert. Aus dem Gesagten geht hervor, daß wir hier einer Persönlich« keit gegenüberstanden, die, in festem Boden wurzelnd, uns viel Eigenartiges gegeben hat. Leistikow war in der Tat unter den deutschen Malern einer der zukunftskräftigsten. Er hielt die Mitte zwischen bloßer Abschrist der Natur und dekorativer, stilisierter Um» Wertung, die oft auf Unbegabung beruht und meist zur Manier erstarrt. Sein Stil ist sein Temperament und keine erklügelte Verstandessache. Er hat sich in Zucht gehabt nicht viel Sezessionisten können das von sich sagen. Aus der Landschaft gestaltet er etwas Großes, Bleibendes, das zu betrachten man nie müde werden wird. Nie modelt er den vorliegenden Stoff nach seiner Willkür, sondern er erlauscht mit farbigen Mitteln den Charakter. Darauf sehe man seine so verschiedenen Studien aus Thüringen , dem Hochgebirge, Norwegen und der Mark an. Er prägt etwas Neues und erhält jedem Bilde die schöne, unendliche Freiheit der Natur. Wenig« haben ein gleiches, überaus feines Empfinden für Raumwerte, und aus dieser Fähigkeit, dem verständnisvollen Gegenüberstellen der malerischen Massen, dem Betonen des Charakteristischen, dem Ab» schwächen des Störend-Zufälligcn baut er eine Welt auf, die groß ist, wie die Natur selbst, und ebenso umfassend und frei. Er durch» wandert die Stadien: Stimmung, zufällige Impression bis zum deko» rativen Bilde, idas nach strengen Gesetzen geprägt ist. Diese Freiheit der Komposition kommt bedeutungsvoll in solchen Bildern zum Ausdruck, in denen er weiter nichts gibt, als eine wellige Senkung des Bodens, einen Wiesenausschnitt, auf dem sich die Schatten der nicht sichtbare« Wolken abzeichnen, die droben am Himmel über das Gelände hin» schweben. Es wird sich zeigen, daß Leistikow mit diesen überaus prägnanten Eigenschaften seiner Zeit vorauseilte. Denn er über« windet damit den landläufigen Jntpressionismus. der für ihn nur Durchgangsstadium ist. Zu gleicher Zeit vernachlässigt er nicht dieses durch die moderne EntWickelung gebotene Mittel der Technik. Ihm ist es wirklich nur Mittel. Er hatte den Weg des Suchens hinter sich und gab voll ausgereifte Werke. Indem er so die EntWickelung in sich zusammenfaßte, stellt» er eine Vollendung dar. Und unsere Samnrler und Museums» direktoren sollten sich nicht so sehr ans Ausland hängen und über« flüssig hohe Preise zahlen, die sich selbst ins Ungcmcssene steigern. Freilich haben die Sammler meist keine Augen, die selbständig sehen, sondern nur Ohren, die hören, was Mode ist. Sie lauschen immer auf die Parole. Nicht der Wert entscheidet, sondern der Preis, der dafür gezahlt wird, und der wird durch allerlei Spekulationen und Konjunkturell in die Höhe getrieben, bis sich schließlich ein Ring bildet, der die Preise auf der gleichen Höhe hält. So hängt denn alles einmütig zusainmen und die Kunstschriftsteller notieren die Kurse. Liebermann, dessen selbst gewählte Vermittlerrolle nach Frank« reich weist, bekundet damit feinen Wert, daß er sich dem erkannten Guten im Auslande dienstbar macht und dessen künstlerischen Gehalt überträgt, so daß er als internationaler Send« böte erscheint. Leistikow ist ein deutscher Künstler, ohne den üblich sentimentalen Beigeschmack, dessen Talent aus tüchtigem Boden selbstherrlich stolz emporwächst. Lust und Licht ist bei uns ein