- 586 IWj Hohn sprach, mcht populär. Sie waren in ihrem panzen Auftreten„kontinental" ja, es hieß sogar, daß sie anläßlich des Besuches der englischen Flotte in Porto Empedocle mit den Offizieren geschwommen hatten. Aber man verzieh ihnen für diesen einen Abend, um ihrer unbestreitbaren Schönheit Willen, die das Fest schmückte. Die beiden jungen Leute traten zur Brüstung und blickten hinaus auf die Lichtung, die das Meer bezeichnete. Ein Duft von Zitronenblllten stieg mit der kühlenden Brise zu ihnen empor. Die Gärten unten und alle die Häuser, die sie sahen, waren illuminiert. �Fortsetzung folgt.)) (Nachdruck verboten.) SJ Du sollst nicht begehren! Von Timm Kröger . 2. Junge Leiden und Freuden. Früher ist die Turmuhr immer auf Dreiviertel stehengeblieben. Daran waren die Dohlen schuld, deren besondere Liebe der Turm hatte; war er doch das erste ragende Ding, toenn man als Krähe vom Meer her über die Marsch hinflog. Sie setzten sich auf den Langzeiger der Kirchenuhr, wenn er sich zur Wagcrcchten auf fünfundvierzig Minuten heraufgearbeitet hatte. Mit Gewalt war nichts zu machen; da ließ der Kirchenvorstand eine runde Stange, worauf sichs für Dohlenleute noch gemütlicher saß als auf dem scharfen Zeiger, um den Turm ziehen. Da ging die Uhr denn wieder ihren Gang. Die Kirche,„Dom" genannt, erhebt sich als eindrucksvolle Masse auf den Markt, hoch über die Häuser hinweg, ihr Turm ist langgereckt und hoch, und in gewissem Sinne zwingt er sogar die Landschaft. Der Marktplatz ist weit und ruhig, ein großes Viereck, von einer üppig und grün aufrauschenden Lindenallee eingerahmt. Als Heinrich die Klasse besuchte, sahen gute, schnurgerade wie Schildwachcn aufgerichtete Häuser mit klugen Fenstern und gleich- mütigen Ziegeldächern darüber hinweg. Wenn ein paar Wagen vom Posthalter über den Straßendamm fuhren, und die„Herren", die was zu sagen haben, der Landrat, der Bürgermeister, der Deichgraf und Dcichgeschworene saßen darin, dann war Deichschau. Wenn dreißig hohe Hüte hinter einem schwarzverhangenen Wagen hergingen, dann war einer gestorben. Wenn der Markt von Men- schen wimmelte und an allen vier Ecken gefeilscht und gehandelt wurde, dann war Wochcnmarkt. Wenn Verkaufszelte aufgeschlagen waren, wenn es nach Kuchen roch, wenn die„Ringmaschine" sich drehte und die Drehorgel lärmte, dann war Jahrmarkt.— Dicht bei der Kirche ist der Ausspann von Hans Haussen; quer über die Schmalseite des Marktes hinweg wohnt„Droppenonkel" Gustav Brandt . Er war mit Heinrich Bruhns Mutter weitläufig verwandt, bei ihm wohnte der junge Schüler, als er die Primaner- mütze trug.„Droppenonkel" nannte man Gustav Brandt in der ganzen Stadt. Was er schenkte, war ihm viel zu viel wert, um die Uebcrsetzung ins Hochdeutsche zu vertragen.„Ich schenke einen guten„Droppen," sagte er, und dabei blieb er. Primaner waren in Hodorf angesehene Herren, sie und die Junker der Marschhöfc vom Lande lieferten den Bällen der Feinen die Tanzbeine. Freilich, wenn, was nicht selten geschah, Studenten, frühere Schüler der Gelehrtenschule, von der Universitätsstadt herüberkamen, dann stellten sie den Nachwuchs, den unfreien Schüler, der � nur mit des Direktors Erlaubnis bis Mitternacht bleiben durfte, in Schatten. Auf den Bürgervercinsbällen ging auch ein Paar schwarzer Augen um. die es vielen, unserem Primaner Heinrich nicht zum wenigsten, antaten. Leider blieb die Eignerin nicht lange. Wenn die Uhr auf elf ging, kam ein Wagen, worin eine alte Frau— ein sogenanntes Faktotum— saß/ die Bergstraße herauf... trab!... trab! Hans, ein alter Knecht, auf dem Bock... brl... br!... jäh!... vor dem Bürgervcrein hielt-r. Der alte Schott, Marsch- Hofbesitzer, schickte seine Kutsche, die Tochter abzuholen. Nun ging das Betteln der Herren los— noch einen Tanz— nur ein Viertelstündchen! Aber die Schwarzäugige ließ sich nur karg darauf ein. In koketter, zärtlicher Kapuze glitt sie die Treppe hinunter— ein summender Schwärm Verehrer hinterdrein. Wenn das Faktotum seinen Schützling in den Wagen ver- packte, standen die Bürgcrvereinslöwcn am Tritt und machten Komplimente. Als Heinrich die rote Mütze trug, waren Wilhelm Frahm und Emil Paulsen schon Studenten, aber häufig anwesend. Selbstverständlich waren sie Löwen erster Klasse. Marschhofjunker, ländliche Streber, wie Georg Engelbrecht und Emil Gösch, wollten das eigentlich nicht gelten lassen— sie waren dem Wagentritt nicht viel ferner als die Gelehrten. Heinrich.aber startete nicht mit, er stand im Hintergrund und verhielt sich still. Das war aber nur äußerlich, denn sein Herz bestritt den Löwen erster und zweiter Klasse den Platz, bestritt ihnen sogar das Recht, Witze zu machen und so unverschämt zu plaudern und zu lachen. Denn so wie er sie liebte, so(das war ganz gewiß) so liebte sie keiner, und wen.» sie auch noch so nahe am Wagenschlag gestanden „Gute Nacht, gute Nacht!"— Bon„Gnädigen" wußte man noch nichts.—„Glückliche Fahrt!"—„Daß Hans nur nicht ein» schläft und ins Watt hineinfährt!" scherzt der zukünftige Schweinepriester. Das will der Alte nicht ruhig hinnehmen.— „Wenn man all so nöchtern weern as ik!" erwidert er anzüglich. Noch hält der Wagen, die Schwarzen scharren und tun, als wollten sie direkt bei„Ol Büsum" in die Flut hinein. Die letzten Phrasen— alle versuchen, die Hand zu reichen, der Hausknecht kann kaum den Schlag zumachen. Hans will fahren, aber er darf noch nicht. Denn„Sieh, ist das nicht Heinrich?" ruft die Gute. Heinrich muß mitten durch die Löwen hindurch an den Wagcnschlag heran und der Gefeierten zum Wagenschlag hinein die Hand geben. Er hätte ihre Hand nur küssen sollen— der dumme Junge? „Nun man los!" Die dickbäuchigen Gäule stellen sich an, als gehe es direkt in die Himmelsluke hinein, und schäumen und scharren und werfen Schaumflocken und ziehen an..„Angenehme Ruh, und Fräulein möge sich gut befinden!" Weg ist der Wagen, und weg sind die Verehrer, die stürzen die Saaltreppcn hinauf. Nur Heinrich bleibt. Er atmet nachklingende Freude ein, als die Kutsche über den Markt hinweg die Bergstraße hinunterfährt. Bei Hans Hansscns Gasthos sprühte Funkenfeuer vom Pflaster auf. Heinrich kannte die runden Steinköpfc— da muß jeder rasche Wagen seine Sätze machen. Der Holzkasten stieß hart auf das Gestell auf. Er hörte es noch aus der Bergstraße her. war aber unbesorgt, die Kutsche hatte starke Federn. Der Freund Emil kam von allen Nebenbuhlern am wenigsten in Betracht. Er mochte sich gern in schönen Mädchenaugen spiegeln, ließ sich daran aber auch genügen, und von Marie sprach er mtt kühler Achtung—„Nettes Mädchen. Hübsch ist sie auch, schade. daß sie so wenig Geld hat."—„Heinrich," sagte er mal zu unserm Pastor,„Du bist in sie über die Ohren verliebt. Das ist Unsinn. Junge— ich meine das Verliebtsein, sonst allerlei Achtung. Du bist nicht viel älter als sie, daher als zukünftiger Gottesgelahrts- beflissener reichlich jung, und dann ist es geraten, bevor Du Dick- festlegst, ein kleines Rechcnerempel zu machen. Zwei Töchter, eine verheiratet, ein Sohn, der den Hof bekommt. Der Alte hat ihn aber nicht schuldenfrei; unter solchen Umständen Pflegen die Mädchen ihren Männern nicht viel mitzubringen. Hast wohl noch gar nichts von der berühmten Schwester- und Brüdertaxe gehört?" « Und dann vergingen Jahre.— Emil Paulsen wurde Amts- richter in Hodorf und Wilhelm Frahm pfarramtlicher Adjunkt allda, Heinrich stand vor dem theologischen Amtsexamcn. Einmal kam Wilhelm Frahm mit hohem Bcsuchshut von der Buntcwisch auf der Chaussee dahcrgewandcrt und lief Heinrich Bruhn und Emil direkt in den Weg. „Willem," fragte der,„was wolltest Du eigentlich bei Schotts?" „Hm!" „Warst eingeladen?" „Hm!" «Also nichts als Sehnsucht nach dem alten Herrn?" „Emil," antwortete Wilhelm Frahm,„Du hast ein schlechtes Herz und bist ein guter Kerl, und Mitleid wohnt nicht in Deiner Brust. — Ich will Dir eine Freude machen und Dir sagen, was ich ausrichten wollte"... Wollte... betonte der große, stattliche, schwarzgekleidete Herr.„Ich wollte Fräulein Marie sprechen." „Und hast sie gesprochen?" Wilhelm Frahm hat glattrasierte, weiche Lippen, es spann sich ein Netz von Falten darum her. „Ich habe sie gesehen, sie hat mir auch waS mitgegeben... was Geflochtenes. Sieh!... nun weißt Du, was ich bei Schott» wollte." „Heinrich?" wandte er sich an unseren Freund....„Ich glaube, Dich wird's am meisten interessieren. Ich wollte Dir auch was sagen... Marie ist trotz des Korbes, den sie mir so nett und liebenswürdig gegeben, ein herrliches Mädchen, und den schätze ich glücklich, der sie kriegt. Wenn Du mal Lust hast, komm auf meine Bude! Ich zeig Dir was." » Und dann ging die Mär von dem großen Unglück durch die Landschaft. Die beiden dicken Schwarzen waren wild geworden und mit dem jungen Erben über den Deich gejagt. Julius Schott hatte das Genick gebrochen, die Schwarzen sind im Wattenmeer ertrunken. Und da entdeckte Georg Engelbrccht sein Herz und warb um die Erbin der Buntcwisch. Er war ein dunkler, schlanker, hübscher Mensch, jüngerer Sohn eines Hofbesitzers und als solcher darauf angewiesen, einen Hof zu befreien. Sein Wesen hatte unserem Heinrich Bruhn niemals zugesagt, er war ein großtuender, über den kleinen, von der Geest herkommenden Landmannssohn hinwegsehender Obenhinaus; in den letzten Jahren sagte man ihm sogar wilde Streiche nach. (Fortsetzung folgt.)
Ausgabe
25 (1.8.1908) 147
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten