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für ihn. Er wollte nur als ein älterer und erfahrener Stu­dent betrachtet werden, und er war daher der einzige, dem die jungen Leute sich mit völlig kameradschaftlichem Vertrauen zuwandten.

Hören Sie, Belladonna, warum stehen Sie so zu fammengefallen da wie ein franker Storch?"

"

Professor, ich werde toll!"

" Nur gemach, Sie führen sich ja ganz verkehrt auf! Machen Sie ihr doch in Himmels Namen die Cour! Nun ist die Bahn ja frei! Siegen Sie und werden Sie glücklich oder nehmen Sie Ihren Korb wie ein Mann! Aber machen Sie ein Ende damit! Nun muß sie Sie schon soweit fennen, daß sie weiß, was sie will. Gehen Sie hinein und tanzen

Sie mit ihr!"

"

Es stehen soviele um sie herum! Ich wage es nicht! Ich kann nicht! Ich werde lächerlich, sowie ich ihr nur in die Nähe komme!"

So tanzen Sie mit den anderen, damit sie nicht denkt, Sie seien aus Holz!"

4]

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck berboten.)

Du follft nicht begehren!

Von Timm Kröger.

Gleich nach dem Trauerjahr wird die Hochzeit, sagten die Leute. Heinrich war gerade im Amtsexamen, er watete in einem Meer von Qual. Und er beging einen Streich, den er nicht lassen konnte und doch für einen sehr dummen einschätzte. Ohne Unterschrift, ohne Andeutung des Urhebers schrieb er an Marie: Nimm Georg Engelbrecht nicht! Ich liebe Dich, warte auf mich!"

Es glückte dem Junker Georg nicht. Er brach den Verkehr ab; nun redeten die Leute: der Alte will wohl, aber Marie till nicht.

Aber der Vater starb bald darauf, und wenige Monate später war die Verlobnug und nicht lange nachher die Heirat fertig. Der Alte hat ihr, sagte man, auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen, Georg zu nehmen.

Masuren   hinüber.

Und dann kam das ganz Schwere. Wie von flatternden, vom Sturm zerrissenen Tönen einer Fanfare gleich klang es nach Georg Engelbrecht wurde Schwelger, Trinker, Verschwender, Spieler. Er verpraßte sein Hab und Gut und einen großen Teil bon dem Vermögen seiner Frau, fiel Wucherern in die Hände. Er fälschte sogar Wechsel und... verschwand. Haftbefehl, Steckbrief Die lebte Spur ging nach Tönning  , man nahm an, daß er mit der Berta" nach England gegangen sei. Die Berta" ist niemals angefommen, Schiffspapiere, Schiffstrümmer und Vieh­leichen sind an Jütlands   Strand gespült worden, man muß an­nehmen, daß das Schiff mit Mann und Maus untergegangen ist.

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Am Abend des Tages, wo er den Brief erhalten hatte, der so biele Hoffnungen und Wünsche und Zweifel aufstachelte, machte Heinrich noch einen Spaziergang an dem Ufer des Sees. war falt, windstill, klar, der Schnee knirschte bei jedem Schritt. Ein wundervoller Sternenbogen schwang sich über alles her. Wie glichen die Sterne doch ihren Augen und waren unerreichbar wie fie! In Masuren   ist die Luft so viel reiner als bei uns, dachte er für sich. Man sollte hier noch mehr Mondschein- und Sternen­liebeslieder erwarten als im Reich. Aber die Liebe der Masuren  .. ich weiß von keinen Sternenliedern ihre Liebe scheint Stumm. Zwei Schlitten, worin betrunkene Bauern saßen, nötigten ihn, in den Schnee zu treten. Das waren die Eheleute Czychowski und Böttcher, die ihre Fäßchen aufgefüllt hatten. In dem vor­deren Gefährt hatte Frau Böttcher die Zügel, lärmte und schlug auf die Pferde, während der Mann lallend in der Stuhlecke lag; im hinteren war es umgekehrt da fuhr der Mann und Tallt: die Frau.

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3. Sett und Sehergabe. Junge, Du siehst gut aus und weißt es nicht einmal," sagte Emil Paulsen zu Heinrich. Ein paar Monate waren vergangen, Heinrich Bruhn war an der Wassertante, dicht bei seiner Heimat, er war in Hamburg  , voller Frühlingsgedanken. Auf dem Stadtwall fing das Unter­gebüsch zu grünen an, denn die Sonne schien wärmer als ehedem, und Nachtigallenschlag und Lerchenfang flang in Heinrichs voller Brust. Die Sonne schien hell, aber in die Gruft des Weinkellers, tvo er und sein Freund die Hände zum leder bereiteten Mahl hoben, brach ihr Licht durch gemalte Scheiben.

Nun waren fie fatt und hatten die Teller zurückgeschoben, nun hoben sie nur noch die Hände, Schäumendes, Perlendes zu trinken,

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Beide waren auf Reisen. Emil Paulsen hatte einen Ruj nach Berlin   erhalten, man sah auf seiner Stirn die Gloriole eines zu fünftigen vortragenden Geheimen Ministerialrats, Heinrich hatte die Bestallung als Pastor von Hodorf in der Tasche.

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Emil hatte nicht unrecht, Heinrich Bruhn jah gut und gesund aus. Er war auch glücklich das heißt, so weit glüdlich, wie man mit einem liebesfranken Herzen sein fann. Er war in Reise­stimmung, hatte einen luftigen Freund bei sich, sie saßen in einer tempelartigen Halle, eine Nische hatten sie ganz allein, sie hatten eine Mische hot prächtig gegessen, Emil Paulsen wollte durchaus alles allein bes zahlen und konnte es auch gern tun, vor allen Dingen... ein neuer Lebensabschnitt begann; Heinrich war jung, er konnte noch biel Glück erfahren. Ihm schien, das Paradies sei nebenan, und es war so einfach, die Tür aufzuschließen. Im Menschengewühl einer großen Stadt unterzutauchen gab ihm ein Gefühl, als sei er ein Wal   und schwimme im Ozean, wisse von keiner Harpune und ber­gnüge sich jetzt tief unten im flaren Kristallpalast des Meeres. Und Wirt und Aufwärter waren prächtige Leute. Nur zu seiner Ehre das Festgewand des schwarzen Rods. Was sie auf die Platte setzten und der Wein, den sie kredenzten, waren Früchte goldener Herzen. Freilich-- Emil Paulsen zahlte ihnen Geld. Das hatte aber mehr die Bedeutung eines feierlichen Symbols als die der schnöden Vergeltung.

Wenn ein Handelsmann um einen Ochsen feilscht und beim Feilschen die Taler in seiner Tasche kost das sagt dem Bauer Bargeld zu und macht ihn für das Jawort geneigter. Wenn eine Settflasche im Eiskübel rasselt, verspricht sie bare, blanke Seligkeiten. Emil verstand das Rasseln ganz ausgezeichnet. Beim Trinken, wenn noch was im Glase ist, ein kleiner Stoß, wie aus Versehen am Flaschenhals; wenn ausgetrunken ist, der volle Griff und die volle von der Zuversicht kommender Herrlichkeit er­füllte, aus dem Kübel steigende Musik.

Du weißt nicht einmal, was für ne Figur Du machst, und wie jungfräulich Dir die ostpreußische Frische steht!" Immer der Alte, in Tadel und Lob immer nach dem Höchsten Er ließ dem rede greifend, dachte Heinrich, sagte es aber nicht. luftigen Freund gern das Wort.

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Du bist noch mehr als ich gesagt habe. Du bist ein ein fältiger Mann und hast gar keine Ahnung, wie hoch Dich diese Ein­falt über das Mittelmaß hinaushebt." Wie kommst Du zu der Annahme, daß ich meinen Wert gering einschäßte?" fragte Heinrich. Des Lobes hatte er genug und über­genug. " Das will ich Dir sagen: Dein Halskragen ist um einen Boll zu niedrig, Deine Haare find um zwei Zoll zu lang und viel zu dicht, zu boll; Du hast Dir in Ostpreußen   das Schnupfen an­Schnupfer paßt. Dein Gesicht sieht gefund aus, es fehlt darin der gewöhnt und trägst blaue Taschentücher, wie es für einen Bug, den wir uns im Westen zulegen, um je nach Gefallen hoch mütig oder herablassend, stolz oder bescheiden, immer aber vers Und das hat viel für schlossen und angetränkelt auszusehen. fich, aber natürlicher ist es, zu sein wie Du. Du gehst mit Deinem Gesicht"( der Geheime in spe schlug seinen Freund aufs Knie) " mit Deiner Seele läufft Du umher als der, der Du bist, sagst auch Du hast, wie Edgar Poe   in einer feiner jedem: so bin ich. Novellen sagt, Fensterglas vor der Brust, jedermann kann und mag Deine Gedanken lesen. Wir anderen dagegen, wir aus dem alten Kulturland, haben immer eine Tarnkappe bei uns, die mir unserer Seele über den Kopf ziehen, wenn sie verschwinden soll. und sie verschwindet öfter als gut ist.

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Ich bin," fuhr er fort, eine Art Peter Schlemihl, ein Mann, deffen Seele teine Schatten wirft ich beneide jeden, der noch mit feiner Gesinnung Staat machen, mit ihr in die Sonne gehen und überall zeigen kann, daß sie tein Wahn ist."

Erlaube. fiel Heinrich ein. Aber Emil erlaubte noch

nicht. Wollte Dir nur noch empfehlen, in Haar und Taschentüchern Dich dem Westen anzupaffen, Deine Seele soll bleiben, wie sie ist. In Hodorf bei Mordhorst tann man die schönsten Taschentücher be kommen, und der Barbier Eggert schert alles über einen Stamm. Nach einem Jahr wird auch Dir das Harr auf dem Pull dünn werden. Und dann.. Ich habe gesehen, daß Du auf der Straße gehst, den Stock durch die Arme gezogen das ist bei uns keine Mode, das darfst Du nicht tun."

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Es ist gesünder," warf Heinrich ein. ,, Was bist Du für ein Engel, Heinrich! Was fragen Mode und Schicklichkeit nach Gesundheit und Krankheit? Bist wohl ein Sisyphusnarr, willst gar gegen das Korsett ankämpfen? Die Allgemeinheit... vor allen die jungen Korsetträger erklären: Stock durch die Arme gezogen ist nicht fein. Ein Pastor muß fein sein hörst Du!... fein muß er vor allen Dingen sein.. also Stoc weg! Hör, Heinrich, blaue Taschentücher weg und Stock weg, Haare geschnitten! Sonst kriegst Du in Hodorf nicht die Frau, die Du haben mußt."

Emil Paulsen rasselte und schenkte ein. Sie stießen an.

"

...

,, Es wird immer besser. Nun bist Du bei der Heiratsfrage." " Bin ich, mein Freund und das ist ein Kapitel, das gründlich genommen werden will. Wenn ich Sekt trinke, dann denke ich, wie Kant   sagt, intuitiv, nicht diskursiv. Dann habe ich die Gabe, die logischen, zur Wahrheit führenden Mittelglieder und