er ihr nicht gleichgiltig gewesen Ware. Sie mußten ja flüchten und wohin? Er war eifersüchtig auf Belladonna. Mindestens einmal des Tages kam eine Nachricht, die wie ein nichtswürdiges Gift auf ihn wirkte. Er wußte, daß Lidda ihren Ritter des Vormittags besucht hatte. Schon vor einigen Tagen hatte sie ihren Flügel in das Gartenzimmer tragen lassen, damit Belladonna sie von seinem Krankenlager aus spielen hören konnte. Er mußte fort. Er mußte fort auch Biondas wegen. Sie verzehrte sich, und er mußte zu jeder Stunde des Tages sein Gewissen aufs neue überzeugen, daß nicht der Mitgist wegen seine Sehnsucht von ihr abgelassen hatte. Er vermutete auch, daß Lidda um seine frühere An- Näherung an Bionda wisse und seine Sinnesänderung streng verurteile. Er wurde von Ficarotta gestört, der ihn einholte und so- gleich ein Gespräch über Lidda begann. Er war, wie schon in den vorhergehenden Tagen, weißglühend in seiner Begeiste- rung. Und der Marchese sei ein Mann von Gold. Er habe übrigens versprochen, den heutigen Abend dort im Schöße der Familie zu verbringen. Der Ingenieur biß sich auf die Lippen, stellte sich aber sehr gleichgiltig. Da kam der Musiker mit seinem eigentlichen Anliegen hervor: er erlaube sich, Lo Forte um seine Be- gleitung bei einem Sonntags in Porto Empedocle   stattfinden- den Konzerte zu bitten. Lo Forte fragte ihn des näheren aus, um Zeit für die Antwort zu gewinnen. Ja, alle Plätze im Theater seien ausverkauft. Aber sein musikalischer Begleiter aus Palermo   ein berühmter Pro­fessor sei plötzlich erkrankt und habe ihn hierdurch in die peinlichste Verlegenheit gebracht. Ein Freund von ihm. ein angesehener Signore unten in Porto   ein großer Musik- liebhaber habe geäußert, es sei sicherlich der Wunsch der ganzen Bevölkerung, gerade Lo Forte zu hören und diesen bitten zu lassen, zusammen mit Ficarotta des Abends sein Gast zu sein. Lo Forte hatte allmählich erkannt, baß Ficarotta ihn sür einen jener gutmütigen Guttaperchamenschen hielt, die man zu allem haben kann. Es paßte ihm auch, in dieser Rolle zu bleiben: als kürzester Weg für einen klugen Mann, allerlei Kundschaft zu erlangen. Der Musiker konnte ihm nützlich sein, wenn er ihn auf neutralem Boden zum Reden brachte. Ehe sie schieden, gab er das bestimmte Versprechen, bei dem Konzerte mitzuwirken. (Fortsetzung folgt.) lNachdrurk verboten.) 101 Du sollst nicht begehren! Von Timm Kroger  . ..Wie not tut unZ ein allgemeines deutsches bürgerliches Gesetz- buch!" klagte der Rat.Freilich, die Gorgonenköpfe der Streitfragen werden auch in diesem Zukunftswerke nicht fehlen." Stuf unsere Frage zurückzukommen. Da müssen Sie eine kleine Sluseinandersetzung entschuldigen. Aber es hilft nicht, ich muß es sagen. Denn unsere Professoren liegen sick darüber in den Haaren, ob die Todeserklärung eine rechtsbegründende Wirkung habe oder nur eine Vermutung schaffe. Hat die Schule, die letz- teres behauptet, recht, und ist auch nicht, wie- einige ihrer Anhänger behaupten, sür die Frage der Ehe eine Ausnahme gegeben, dann besteht nach wie vor die erste Ehe, und die zweite ist nichtig, ist niemals gültig gewesen. Die Gutgläubigkeit hat nur mildernde Wirkungen hinsichtlich der Ehcgüter und der Kinder. Glücklicherweise, lieber Freund, ist es für die Welt nichts als ein Schulstreit. In Wirklichkeit sind die für tot Erklärten immer so gehorsam, das Wiederkommen zu vergessen. Enoch Arden- Romane haben wir hier zu Lande noch nicht gehabt. Meines Wissens hat noch niemand ein Leben fortgesetzt, das wir ihm ab- gesprochen hatten." Ja... aber... der Zeuge, der ihn in London.  ,. gesehen haben will..." Ja... mit diesem Beweismittel ist es schwach bestellt. Ein- mal... na... es ist Ihr verflossener Slmtsbrudcr, der söge- nannte Schwcinepriester... Gegen seine Glaubwürdigkeit will ich nichts sagen, aber im Grunde weiß auch er nichts. Er hat ein Gesicht gesehen, ganz flüchtig, im Londoner   Nebel, bei trüber Gas- beleuchtung. Es ist ihm bekannt vorgekommen, nachher ist ihm eingefallen: das war er, das war Georg. Die Sache ist die: Frahm dampft mit einer Ladung Schweine(Schwcinchandcl ist jetzt ja seine Spezialität) nach Englands Hauptstadt, vergnügt sich dort, auch noch an dem Abend, wo sein Schiff um Mitternacht die Anker lichtet. Er läuft eilfertig am Kai längs, denn es wird Zeit, der Dampfer fängt schon an zu rumoren und Abfahrtsignale zu geben. SluS einer Kellerwirtschaft steigt ein langer, schwarzer, bärtiger Mensch herauf und ruft ihm zu... plattdeutsch ruft er ihm zu:Wo is bat Für?" und verschwindet darauf in einer Seitengasse. Ter Mensch kommt unserem Zeugen bekannt vor, er steht still, er denkt: Wer war das? Er ruft .Hör mal, wat böst Du vorn Jung?' Keine Antwort... der Lange ist nicht mehr sichtbar. Später hat er sich auf das Gesicht be- sonnen. ,Es muß Georg Engelbrecht gewesen sein.' Damals hat er aber gleich an Bord müssen und ist abgedampft. Was sagt das? Im Halbdunkel spielen Lichter und Schatten. Plattdeutsch ja, wie viele Plattdeutsche gibt es nicht an den Wasserkanten der Erde und in London   zumal! Indessen, die Aussage mochte so wenig beweisen, wke sie wollte, es war daraus ein Bedenken erwachsen, das zu beseitigen war. Durch das deutsche   Generalkonsulat und durch die Londoner  Polizei sind die eingehendsten Nachforschungen angestellt worden. Das Ergebnis ist null. Es konnte nicht anders sein; denn Georg hat ganz sicher in der wilden Nordsee   sein Grab gefunden." * Seinem Amtsbruder, dem Pröpsten, schüttete ocr junge Pastor Bruhn noch an demselben Tag sein Herz au». Der Alte lächelte, er konnte es so väterlich milde, so be» ruhigend. Ich kenne einen jungen Menschen." fing er an.der aus Ihrem Dorf stammt, mit Ihnen zusammen die Schule besucht hat. nenne aber seinen Namen nicht. Er erzählte gern aus seiner Jugend. Den Nachbarn stiegen wir rechts und links in die Aepfel, sagte er, Mundraub im Obstbaum galt nicht als Sünde, kaum für rechtlich unerlaubt. Nur einer tat das nicht mit, und der hieß Heinrich Bruhn. Und da hat er recht gehandeh, war meine Erwiderung. Vor. Heinrich Bruhr kann ich es mir übrigens gut denken, ich kenne ihn noch so, ehrlich und rechtlich vom Scheitel bis zur Sohle.   Ja, antwortete darauf der Mann, der mir das mitteilte. Das ist wohl wahr, aber, wie er das machte, das ging doch zu weit. Unser nächster Schulweg, um die Hälfte kürzer als auf der Landstraße, ging über Peter Hinnerks Hofplatz. Es stand dort freilich ein Pfahl mit der übrigens nicht einmal richtig deutsch geschriebener Slufschrift.Verbotener Weg', aber der war nur für Gesindel hingesetzt. Daß wir hinübergingen, dagegen hatte Peter Hinncrk nichts. Er sagte es zwar nicht ausdrücklich, sah uns aber jeden Tag, sprach auch wohl ein Wort mit uns. Einer aber ging immer den langen Weg. Er wollte nicht eher mitkommen, als bis Peter Hinnerk den Pfahl wegnehme. Das geht zu weit, warf ich ein, das ist Pedanterie. Wie heißt der Junge? Heinrich Bruhn, sagte mein Gewährsmann. Das glaub ich wohl, war meine Antwort. So ist er noch jetzt Bureaukrat der Moral." Der arte Herr machte eine Pause, ging ein paar Schritte im Zimmer auf und ab und lächelte seinen jungen Amtsbruder an. Heinrick Bruhn sah in tiefer Erregung zu chm auf. Er fühlte, daß hier Riesenarme am Werke seien, die Klammern zu lockern. die ib.' einschnürten. Vielleicht hatte er sich nur mit Gespenstern gequält. Und er fing an, sich seiner Scheu vor Peter Hinnerks Pfahl zu schämen. Ich will Ihnen," fing sein alter Freund wieder an,ein Mär- chen erzählen, kein neues, eine ganz alte, auch Ihnen bekannte Geschichte, will Ihnen also nur wieder erzählen, was Sie schon längst wissen. Hören Sie zu? Es war mal eine Braut, die ging vom Hochzeitstisch weg, Bier zu holen. Und kam nicht wieder zurück. Und als der Bräuti- gam nachging, fand er sie im Keller bitterlich weinend..Was sitzest Du hier und weinst?' fragte er..Komm zu Tisch, die Gäste warten.'.Sich Heinrich'(ja, der Unglückliche hieß auch Heinrich, es gibt so viele Glückliche dieses Namens, lächelte der Erzieher), .ach Heinrich', antwortet sie,.ich kann nicht, ich muß weinen. Guck mal!' So sprechend zeigte sie an die Bodendecke..Sieh, lieber Heinrich, da ist ein Stück Eisen eingemauert. Es sieht so aus, als ob es gar nicht herunterfallen könnte, aber wer weiß, das ist vielleicht nur Schein. Es könnte doch mal fallen. Und nun denk mal, Heinrich, wenn wir ein Kind bekämen(es ist ein kleines Mädchen), und wir schickten es nach dem Keller, Bier zu holen. Und wenn dann das Eisen herunterfiele und erschlüge unser Kind. Daran muß ich denken und muß weinen.'" Der Alte packte den jungen Amtsbruder an die Weste. Sie sind die Braut! Sie sitzen im Keller und weinen. Aber ich sage: Heraus aus dem Keller! Warten Sie ab. ob Sie ein Kind bekommen, ob es ein Mädchen wird, ob es in den Keller geht, Bier zu holen, ob dann das Eisen herunterfällt und, wenn es fällt, ob es Ihr Töchtcrchen erschlägt oder daneben fällt. Ja, junger Freund. treten Sie Ihre Bedenken mit Füßen, die taugen nichts, die sind nichts Besseres wert als getreten zu werden. Tun Sie eS, Sie werden sonst noch ein Opfer Ihrer Tugenden." (Fortsetzung folgt.) Schweclllche Sindnichc» Von den Volkshochschulen. In einem Wirtshaus bat vor vierzig Jahren die erste schwedische Volkshochschule   begonnen. Der Dozent der Geologie an der Universität zu L. und Dr. L. Holmström saß im Jahre 1868 mit etlichen mehr oder minder angejahrten Schülern im Ertrastübchen eines Wirts-