Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 156.
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Mafia.
Freitag, den 14. August.
( Nachdrud berboten.).
Roman aus dem modernen Sizilien von Emil Rasmussen. Nächsten Vormittag kehrten sie heim nach Girgenti . Lo Forte verbrachte den Abend bei Carmela zusammen mit Belcaro und den anderen Junggesellen.
Spät des Abends, als er seinen Vorraum betrat, sah er durch die offene Tür ein Paar gegenüber auf dem Balkon stehen. Er schlich näher, ohne gehört zu werden, und ertannte seine jüngste Nachbarin mit Ficarotta. In der erLeuchteten Stube saßen die Mutter und die beiden älteren Schwestern und legten Kabale .
Dem Ingenieur kam der Gedanke, daß hier wohl das Motiv zu Ficarottas Einfall, sich nach Schlafenszeit im Gange unten zu treffen, zu finden sei. Von der schmachtenden Kleinen hätte er das fast glauben können.
In einem plötzlichen Anfall von Uebermut setzte er sich an den Flügel und spielte: Vorrei baciare i tuoi capelli neri!( Deine schwarzen Haare möchte ich küssen!)
11.
Bamfo war auf einmal der Mann des Tages geworden. Alles sprach von der Szene, die zwischen ihm und Angelo eines Nachts bei Carmela stattgefunden, einer Szene, die damit geendet hatte, daß Angelo ihm eine tüchtige Ohrfeige verabreicht hatte.
Was würde nun daraus werden?
Es war ja kein Geheimnis, daß Bamfo zu innerst eine Memme war; aber eine so erbärmliche Mannsperson gab es doch kaum auf der ganzen Insel, daß sie nicht für eine Ohr feige Blut gefordert hätte, und sollte die Sache auch fünfundzwanzig Jahre auf sich warten lassen.
Angelo aber ließ sich nicht verblüffen.
Ende November kam der Prozeß gegen Calogero daran. Mitten in einer langen Reihe Mordprozesse war er der einzig spannende. Eben weil Calogero so zweifellos der Mörder war, war es interessant, ob die Jury ihn freisprechen würde. Jedermann wußte ja, daß zwei Parteien um ihn kämpften, daß alle Fakta ganz nichtssagend waren, unter anderm deshalb, weil man einen Sizilianer nie dazu bringen kann, vor Gericht die Wahrheit zu sprechen, und daß es bloß darauf ankam, wer Einfluß auf die Jury gewonnen hatte.
Der Prozeß übertraf jedoch an Spannung alle Erwartungen, und es war Angelo, der den dramatischen Effekt besorgte. Calogero hatte vor dem Untersuchungsrichter behauptet, er sei während der Mordnacht zu Besuch bei zwei von ihm mit Namen bezeichneten Bauern gewesen. Diese Behauptung bestärkte Angelo darin, zu bezeugen, daß diese beiden Bauern am folgenden Morgen dasselbe zu ihm gesagt hätten. Sie wurden auch vorgeladen und beeideten das falsche Alibi. Dies war jedoch nur eine alltägliche, fast selbstverständliche Taktik dann aber sprang die große Bombe: Angelo bezichtigte mit einer ganzen Reihe starker Argumente Pamfo des Mordes. Daß ein Zeuge als Angeber, als Handlanger der Gerechtigkeit auftrat, war etwas unerhört Gemeines. Die gröbsten Schimpfworte regneten auf ihn herab und es entstand ein solcher Lärm unter den dicht gesteckten Zuhörern, daß der Präsident die Aula zu räumen drohte.
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Lo Forte war der nächste Zeuge, und er sprach mit großem Mute die volle Wahrheit. Er könne nicht bestreiten, daß Pamfo anwesend gewesen, aber er sei bereit, einen Eid abzulegen, daß kein anderer als Calogero der Mörder sein könne.
In dem großen Eisenkäfig faß der lange, sehnige Calogero, den die Haft ganz gelblich fahl gemacht, zwischen zwei Carabinieri und starrte ihn mit einem Tigerblid an, als wollte er sich dies Antlitz ins Gedächtnis brennen, bis er einmal herausfäme.
Das Verdikt der Jury lautete schuldig". Aber nur mit einer Stimme Majorität.
haus
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Calogero nahm sein Urteil lebenslängliches Zuchtohne zu zucken entgegen, während Rusidda, die der Urteilsverkündigung beigewohnt hatte, ohnmächtig wurde und aus der Aula getragen werden mußte.
1908
Damit glitt alles Interesse zurück auf Angelos Angelegenheit mit Bamfo.
Am selben Tage wandte dieser sich an den Advokaten Bruno um Schuß. Abends blieb er bei Carmela aus und begab sich zu später Nachtstunde zu einem Bauern, der unter dem Beinamen' U fratuzzu bekannt war und in einem der lezten Häuser gegen Porto Empedocle wohnte.
Er sah sich vorsichtig um, ehe er anklopfte. Rasch öffnete sich ein Türspalt und schloß sich ebenso schnell hinter ihm. Nachdem sie einen Augenblick in dem dunklen Raum gestanden hatten, der zugleich als Stall und Wohnung diente, stieg plöglich ein Lichtschein vom Fußboden herauf. Dort öffnete sich eine Falltüre in den Keller. Pamfo stieg in Begleitung des Bauern, der ihm geöffnet hatte, hinab und fand unten den Advokaten Bruno in Gesellschaft von neun anderen Männern, die er alle kannte.
An der einen Wand hing ein Kruzifir aus Holz. Auf einem Tischchen lag ein Bild von San Calogero und eine Pistole zwischen zwei angezündeten Kerzen. Sonst waren alle Wände kahl, und die Einrichtung beschränkte sich auf eine Holzbank und einige wenige Strohsessel.
Bruno nahm sogleich das Wort und sagte:
Du hast in unserer Bruderschaft Schuß zu finden gewünscht, und wir haben Dich würdig befunden. Ich will Dir nun Deine Rechte und Pflichten nennen. Unser Zwed iſt, einander in diesen schweren Zeiten zu helfen. Wir wollen alle leben! Will man uns nicht geben, müssen wir nehmen
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aber nie ohne die Billigung des Hauptes der Bruderschaft, das ist: ohne die meine. An dem Gewinn erhältst Du wie alle Brüder Anteil. Deine Pflicht ist in erster Reihe blinder Gehorsam gegen Deine Vorgesetzten. Sodann Verschwiegenheit! Endlich Hilfe und Unterstützung nach Kraft und Vermögen, wenn einer Deiner Brüder in Not, besonders wenn er gefangen ist. Wo einer tot ist, heißt es zuerst an die Lebenden denken. Für Uebertretungen haben wir- nur eine Strafe: den Tod!
Nun kennst Du unser Geheimnis, und Du bist ge
bunden!"
" Ja," erwiderte Pamfo.
,, Wir sind in Gruppen zu zehn eingeteilt, jede mit ihrem Haupt. Eine Gruppe kennt die andere nicht, ein Haupt fennt das andere nicht; aber das Oberhaupt kennt sie alle. Wenn es bei einem Anlaß notwendig wird, daß zwei sich einander zu erkennen geben und Du einen Bruder vor Dir zu haben meinst, darfst Du Dich nicht verraten, ehe Ihr nicht wortgetreu das Gespräch geführt habt, das ich Dir jetzt vorlesen will: " Hast Du einen Zigarrenstumpf, denn mir tut ein Backenzahn weh?"
Ja, ich habe einen."
,, Wie spät ist es nach Deiner Uhr? Sie geht eine halbe Stunde nach. ,, Seit wann?"
" Seit dem fünfundzwanzigsten März, dem Annunzia
tage."
"
"
"
Wer war da?"
Prächtige Leute."
,, Wen beteſt Du an?"
Wer ist Dein Gott?"
"
Sonne und Mond."
" Die Farbe Pik."
Hat er Dir auf alle Deine Fragen richtig geantwortet, so weißt Du, daß es ein Mann ist, auf den Du Dich verlassen fannst.
,, Und nun beschwöre Dein Gelöbnis."
' u fratuzzu band einen Faden um Pamfos Beigefinger und rigte ihm den Finger mit seinem Meffer auf, so daß einige Tropfen Blut auf das Heiligenbild fielen. Die ganze Versammlung schloß einen Kreis um ihn, und Bruno las die Eidesformel, die der Neuaufgenommene Wort für Wort wiederholen mußte.
Ich schwöre bei meiner Ehre, der Bruderschaft treu zu sein, sowie die Bruderschaft mir treu ist; sowie dieser Heilige und diese wenigen Blutstropfen verbrannt werden, so schwöre ich, all mein Blut für die Bruderschaft vergießen zu wollen;