Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 165.

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Mafia.

Donnerstag, den 27. August.

( Nachdruck verboten.)

Noman aus dem modernen Sizilien von Emil Rasmussen. Man knabberte acht Tage lang an diesem Ereignis. Die ganze Stadt interessierte sich natürlich dafür, und in dieser Stadt, wo alle von allem wußten insoweit es nicht die Mafia oder die Obrigkeit betraf- konnte nicht viele Lage berborgen bleiben, was dahinter lag.

Don Gerlando!

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Seine Hochwürden begann nicht ergernis natürlich aber eine Heiterkeit zu erregen, die immer lauter und lauter wurde..

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1908

tails zu erzählen und fand klingende Resonanz. Ihr fettes Gelächter klang bis hinab in die Küche.

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War aber Don Gerlando allein, so sah er die Sache gar nicht so beherzt an.

Er betrachtete diesen Bliz als eine Warnung des Him­mels und ſette keinen Fuß mehr in Carmelas Behausung. Die Hartgeprüfte saß allein und vergoß Tränen, das Herz von bitterer Verzweiflung erfüllt.

17.

Der mafiavergiftete Volksförber lag ohne Widerstands­kraft darnieder, als eine eigenartige Seuche die Stadt durch­zog. Die Krankheit verbreitete sich wie ein Feuer und brannte Er kannte Carmela wahrhaftig nicht einmal dem An- wie ein Fieber; sie zeigte auch wie dieses die Anzeichen neu­schein nach, bis er sie eines Tages beim Stadttore erblickte. erglühenden Lebens. Und doch hatte sie sozusagen ihren Ur­Aber seine Beichtfinder kannten sie um so besser und hatten sprung im Totenreiche, denn sie kam zuerst bei einem Men­seit einer Reihe von Jahren seine Phantasie mit schändlich schen zum Ausbruch, der fern vom irdischen Dasein lebte, detaillierten Schilderungen von sündhaften Belustigungen dessen Schatten eines Körpers wie durch Vergeßlichkeit hier erfüllt, deren man sich in ihrer Gesellschaft hingegeben, daß er zurückgelassen schien, während sein Geist schon über allen sie mit jeder Falte und Furche auswendig kannte, und sie Simmeln schwebte bei Crocifissa. allmählich mit demselben lockenden Entsetzen auf ihn zu wirken begann wie die Königin der Nacht, Adams verstoßene Gattin Lilith   einer seiner besseren oratorischen Effekte.

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Nun sah er also diesen blutsaugenden Vampyr im hellen Tageslicht vor sich.

Nun, lebhaft war sie, das war nicht zu leugnen! Diese Betrachtung nahm so überhand, daß sie Carmela den Anlaß gab mit Bamfos Intervention- ein abge schiedenes Logis zu beziehen und Don Gerlando als Beicht­vater zu nehmen.

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Sie hatte sich im Kloster nur an Diambra angeschlossen; diese fand in ihrem gegenwärtigen Hang zur Mystik eine tiefe Erquidung in dem Verkehr mit diesem jungen Mädchen, dem all das, was sie selbst bloß hoffte und glaubte, täglich wiederholte Erfahrungen und Erlebnisse waren, die weder Hoffnung noch Glauben erforderten, da sie ihr so handgreif lich erschienen wie die anderen Ereignisse des Alltagslebens. Bugleich aber fühlte Diambras lebhafter Geist sich zu grü­belnder Beobachtung dieser rätselvollen Natur angespornt, deren ganzer Bekanntenkreis, mit dem sie in ihrer Einsamkeit so lebhaften Verkehr pflog, nicht auf dieser Erde zu suchen

Eines Abends im Februar gab es ein Höllenwetter. Der Regen strömte in reißenden Kaskaden die steilen Treppen- war. gaffen hinab, und der Korso, in den diese sämtlich aus- Unter allem, was Crocifissa von der Außenwelt in sich mündeten, verwandelte sich in einen Fluß, auf dem weiterzu- aufnahm, hatte sich nur eines ihrem Gedächtnis eingeprägt, kommen fein lebendes Wesen unternehmen durfte. In den aber dieses dafür mit der Klarheit einer Feuerschrift. Türöffnungen mußte man geeignete Schwellen anbringen, um die Flut nicht in die Häuser dringen zu lassen. Es war ein Lärm, als stünde man mitten in einem Wasserfall auf einem Felsen, und als das Gewitter vorbei war und der Regen aufhörte, lag an einigen Stellen des Korsos über eine halbe Elle hoch der Schutt, den das Wasser angeschwemmt hatte.

Bald darauf gab es Unglücksnachrichten, unter anderen die, daß ein Blitz durch Carmelas Schornstein gefahren war, in ihrer Stube rumort und sich endlich einen Weg durch das Fenster gesucht habe, wobei Carmela, die er übrigens nicht berührt habe, an der Hüfte gelähmt war.

Das eigentümlichste aber war, daß gleichzeitig Don Ger­lando einen Schlag" erlitten hatte.

Man fand dieses Zusammentreffen so animierend, daß der heiteren Kombinationen fein Ende war.

Niemand genoß diesen rätselhaften Zufall so von grund­auf wie die Gräfin. Sie freute sich mehrere Tage, ihren Dick­wanst ins Gebet zu nehmen.

Lange hielt er sich versteckt, endlich kam er herabgehinkt, und die Gräfin flog gleich auf ihn zu.

,, Sie waren ja wohl bei Carmela, als Sie gelähmt wurden, Don Gerlando?"

Ja," räumte er ein wenig verlegen ein. ,, Sie waren wirklich dort?".

Ich glaubte, Sie wüßten es."

" Nein. Also waren Sie wirklich dort? Aber wo Sie in dem Augenblicke als der Bliz fam?"

waren

Der Priester entschloß sich, seine Verlegenheit abzu­schütteln und die Situation als ein Held zu nehmen. Er lachte der Gräfin ins Gesicht:

,, Ha, ha, ha! ha-!

"

"

Wo faßen Sie, als der Blizz kam, Reverendo?"

So, ho, ho, ho, ho, ho!"

Wo lagen Sie, Reverendo?"

" Hu, hu, hu! Ich lag am Boden!"

" War das vor oder nach der Lähmung?"

Nun wollten sie beide vor Lachen ersticken. Silvia mußte eine sehr verstaubte Flasche vom Keller heraufbringen. Er ließ sich bewegen, die Geschichte in all ihren spannenden De­

In der Karnevalszeit sprachen die Nonnen täglich von der St. Lucasgilde, die während der Ostern Christi Marty­rium aufführen werden, eine der unzähligen lokalen Varia­tionen von Orioles  ' altem Martyrium. Es war lange her, seit ein Martyrium aufgeführt worden war. Es fand sich niemand mehr bereit, die bedeutenden Ausgaben zu tragen, die eine so große Vorstellung verursachte. Der Geist war eben nicht mehr derselbe, wie vor zwei-, ja, bloß vor ein­hundert Jahren. Ueberdies war nicht zu leugnen, daß diese Aufführungen zu einer Anzahl Profanationen und unziem­licher Auftritte Anlaß gegeben hatten, so daß die Priester sie eine Zeitlang mit scheelen Augen betrachtet, ja, sogar bei einer Synode in Girgent geradezu verboten hatten. Das Verbot war jedoch mit Rücksicht auf die veränderten Zeiten" still­schweigend aufgehoben worden; und nach zahlreichen Auf­forderungen der Nonnen hatte Don Gerlando selbst sich zur Seele des neuen Unternehmens gemacht und nicht bloß die Lucasgilde in Bewegung gesezt, sondern auch einen Kollegen, den großen, schönen Don Serafino Amabile Dolciamaru be­wogen, die Rolle des Jesus zu übernehmen.

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Die Liste der Auftretenden allein berauschte Crocifissa geradezu. Da waren außer Jesus- Maria, Josef  , Sankt Peter, Nicodemus, Johannes, Simon der Ausfähige, Maria von Magdala  , Gamaliel, Jakob, der Engel, Veronica, Porfy­rius, Caifas  , Pilatus, Herodes  , Annas, Judas  , Misander, Nizech, ein Zenturio, Nabam, Malkos  , Potiphar  , Orisel und Daretes. Es war noch nicht entschieden, ob man Eutropios  , Rosmosis, Rubnit, Direnas, Nitor, Rechel, Dismas, die Ver­gebung, den Glauben, die göttliche Liebe, die Neue und die Hoffnung streichen solle. Dagegen war es abgemacht, daß der Teufel mit dabei sein müsse. Endlich gab es noch alle die Statisten und den Hahn, der für St. Peter frähte. Diese legte, nicht ganz leichte Rolle war Bamfo übertragen worden. Crocifissa las feine Bücher mehr, aber aus der Zeit, da sie noch gelesen, lagen die meisten dieser Namen in ihrem Gedächtnis aufbewahrt und bildeten sozusagen die einzigen Angriffspunkte, von denen aus ihre Phantasie noch zu be­einflussen war.

Sie, die niemals ein Schauspiel gesehen und mit Men fchen fast gar nicht verkehrte, sehnte sich nach dieser Vorstel