Sammlers. Ein ganzes Museum, von schwedischen Ethnographenhochgeschätzt, hat so der Bauer Peterson in Leksand gesammelt. Diealten Bauern, die den Wert aller Erinnerungszeichen ihrer altenÄultur zu schätzen wissen, sind seine treuestcn Mitsammler. Andiesem Sonntag hielten sie ihr(Zabenfest. Freilich, die Dalelerlierhaben ihren ganz speziellen Provinzhochmut. Der Bauer verkausthier keinen alten Schrank, wie hoch auch das Angebot des Sommer-rnschlerZ sei, keine gestickte Haube, keinen alten Leuchter. Und fastjede Stube ist geschmückt mit den schlicht schönen Erzeugnissen ihrerurwüchsigen Bauernkunst. Der bunt gefärbte Stoff zum Rock undLeibchen der Bäuerin wird hier im Hause gewebt I Für die Ewigkeit!Die Decken am Tisch und Betten— farbig leuchtende Gewebe nachuralten Mustern, gefärbt mit dem Farbstoff der Blumen, die stischaus Wiese und Garten geholt werden. Wie bemalten sie ihrejahrhundertealten Truhen und Kasten. Kein Wunder, daß sich dieKünstler mit den dalekarlischcn Bauern verbunden haben, um sie inihrem Widerstande gegen die allseitig eindringende Pofelkulttir zubestärken! Künstler von europäischen Namen wie Zorn und Larssonhaben hier in Leksand gemeinsam mit den Bauern eine Ausstellungveranstaltet, zu der die Touristen aus ganz Schweden strömen.Neben den kühnen impressionistischen Studien Zorns hängen diealten, in strahlend starken Farben prangenden Gewebe derdalekarlischen Bauern, ihre uralten Leuchter au? Schmiedeeisen undihre soliden, hellen, für die Ewigkeit geschnitzten Möbel. Ein jungerschwedischer Maler, Gustav Ankarkrona, selbst mit seinen lichtblauenAugen, frischroten Wangen und flachsblonden Haaren in allenNattonalfarben des Nordens leuchtend, führt mich:„Ja, wir stellenhier zusammen mit den Bauern aus. Sie sollen das Gefühl haben,daß ihre Gewebe gerade so Kunst stnd wie unsere Bilder! Siekönnen sich ja gar nicht vorstellen, wie mannigfalttg die alte Kunstunserer Bauern ist. Gehen Sie eine Vierretstunde weiter, dorttragen die Bauern schon eine andere Tracht, dort haben die Gewebeschon einen anderen Stil, dort werden schon andere Tänze getanzt.An der Art, wie einer seine Fidel führt, will ich Ihnen sogleichsagen, aus welcher Gemeinde er ist!" Wirklich, am Sonntag sahich die Bauern aus ihren Booten steigen, mit denen sie über denSiljansee zur Kirche fuhren, und jede Gemeinde hat ihre eigeneTracht, jede Schürze war nach anderem Muster gewebt. Der zu-schauende Fremde staunt lächelnd über den uralten, von den Dorf-grenzen streng umschlossenen ästhetischen PartikularismuS. Dochwenn der bunte Sttom der Kirchengäste die breitmächtige Birken-allee zum See zurückpilgert, dann wünscht man sich höchst unwissen-schaftlich, daß die dalekarlische Landschaft, die Heimat des anmutigstengermanischen Menschenschlages, von der verwüstenden Gewalt derkapttalistischen Fabrikskultur verschont bleibe!Stefan Großmann.kleines Feuilleton.NstronomischeS.Eine merkwürdige Sonnenprotuberanz. Pro-kuberanzen nennt man die eigentümlichen Hervorragungen amSonnenrande, welche in den wenigen Minuten einer völligen Ver-finstcrung der Sonne durch den davortretenden Mond am Sonnen-rand rotleuchtend in den sonderbarsten, in schneller Veränderungbegriffenen Formen sichtbar werden. Nachdem sie zuerst bei derSonnenfinsternis des Jahres 1842 erblickt waren, wurden sie beiden folgenden Finsternissen aufmerksam beobachtet; doch erst imJahre 1860 gelang es, unzweifelhaft festzustellen, daß diese Ge-bilde der Sonne angehören. Mit der EntWickelung der Spektral-analhse wurde es nach der Sonnenfinsternis des Jahres 1868 mög-lich, die Protuberanzen auch bei Hellem Sonnenschein wahrzu-nehmen und zu beobachten. Man hat sie für gewaltige Eruptionenglühenden Wasserstoffgases gehalten, das aus dem Innern einerSonne hervorbricht und mit ungeheurer Kraft in die Höhe ge-schleudert wird. Von der Größe der dabei wirksamen Kräfte kannman sich nur schwer eine ungefähre Vorstellung machen— erreichendie emporgeschleuderten Massen doch fast immer Höhen von bOOOVbis 150 000 Kilometer über dem Sonnenrand(der Durchmesser derErdkugel beträgt nur 12 750 Kilometer), und gehen die Geschwindig-ketten, mit welchen die Massen aufsteigen, bis zu Hunderten vonKilometern in der Sekunde, übertreffen also noch die der Welt-körper(beispielsweise beträgt die Geschwindigkeit der Erde aufihrer Bahn um die Sonne nur 30 Kilometer in der Sekunde).Die ungeheuren Geschwindigkeiten, mit welchen die Protube-ranzen aufsteigen, setzen übrigens der Annahme, daß es sich beiihnen in der Tat um Eruptionen glühenden Wasserstoffs handelt,nicht geringe Schwierigkeiten entgegen. Ganz abgesehen von derUnvorstellbarkeit der sie veranlassenden Kräfte müßte man docherwarten, daß die Geschwindigkeit beim Aufsteigen allmählich ge-ringer wird, da die emporsteigenden Massen in der aus glühendenDämpfen bestehenden Atmosphäre der Sonne einen gewaltigenWiderstand finden müssen.Eine sehr merkwürdige Protuberanze ist nun am K. Februardieses Jahres auf der Sternwarte zu Kodaikanal in Indien bc-obachtet worden. Sie erschien ganz plchlich und stieg bis zu einerHöhe von nicht weniger als 450 000 Ki omctern auf. Die besondereMerkwürdigkeit dieser Protuberans liegt aber nicht sowohl in deraußergewöhnlichen Höhe, welche sie erreichte ist doch z. B. am20. September 1893 eine Protuberans beobachtet worden, welcheeine Höhe von 500 000 �Kilometern erreichte. Das Merkwürdige isthier bielmehr die allmähliche Art der Ausbildung der Erscheinung.Während kurz vor �>9 Uhr noch kaum eine Spur der Erscheinungwahrzunehmen war, zeigte sich bald nach �10 Uhr die empor»ragende Lichtmasse schon sehr auffällig und hatte mit ihrem Gipfelbereits eine Höhe von 60 000 Kilometern über dem Sonnenranderreicht, und nahm dann andauernd bis zum Sonnenuntergang.der bald nach 6 Uhr abends erfolgte, an Glanz und Höhe zu. Um11 Uhr war die Höhe von 80 000 Kilometern, um �5 Uhr nachmittags die von 100 000 Kilometern überschritten und um 6 Uhrabends hatte die Erscheinung die enorme Höhe von 450 000 Kilo,meiern erreicht.Aus diesen Zahlen geht deutlich hervor, daß die Geschwindigkeitder aufsteigenden Massen, falls es sich um solche handelt, nicht soungeheuer groß war, wie sonst bei Protuberanzen; in der Tat er-reichte sie nicht den Wert von Hunderten von Kilometern in derSekunde, sondern betrug in der Zeit zwischen 10 und 11 Uhr nur1,2 Kilometer in der Sekunde, in der Zeit zwischen 11 und 2V2 Uhrnachmittags 2,5 Kilometer, in den nächsten l�h Stunden, bis 4 Uhr,6,7 Kilometer, in der Zeit von 4 bis 5 Uhr 24 Kilometer, von 5bis V26 Uhr 37 Kilometer und in der Zeit von 146 Uhr bis 6 Uhr84 Kilometer in der Sekunde. Die anfangs mäßige Geschwindig-keit nahm also, anfangs langsam, später mit außerordentlicherSchnelligkeit bis zu sehr großen Werten zu. Statt einer zu er-wartenden Abnahme der Geschwindigkeit ist hier eine ganz ge-waltige Zunahme zu konstatieren gewesen, eine Tatsache, die mitder Erklärung der Protuberanzen als emporgeschleuderter glühenderMassen in einem unvereinbaren Widerspruch zu stehen scheint undvielmehr anderen Erklärungsversuchen, bei denen auf Besonder-heiten der Lichtbrechung Rücksicht genommen wird, zur Stützedienen kann.Der Glanz der Venu?. Der ungewöhnlich weiße undstarke Glanz des Planeten BenuS, der jetzt wieder in größterPracht den Morgenhimmel ziert, verlangt eine besondere wissen-schaftliche Erklärung. Früher führte man ihn auf das Vorhanden-sein von Wolken in der Atmosphäre des Planeten zurück und nahmdaher folgerichtig auch das Vorhandensein von Meeren an, die aberbegreiflicherweise niemals von einem menschlichen Auge, selbst beischärfster Bewaffnung gesehen worden sind. Ist man doch sogarheim Erdenmond noch immer nicht ganz sicher, ob jede Spur vonWasser seiner Oberfläche fehlt, obgleich die meisten und bestenForscher diese Ueberzcugung haben. Der Astronom Macharg ent-wickelt jetzt in einem fachlichen Aufsatz der Wochenschrift„EnglishMechanic" neue Anschauungen über das Wesen der Venus, in demer die frühere Auffapung für veraltet hält. Von großer Bedeutungfür die gesamte Wissenschaft von diesem Planeten ist die Beant-Wartung der Frage, in welcher Zeit er sich um seine Achse dreht,und diese wichtige Bedingung ist leider his auf den heutigen Tagnoch nicht befriedigenderwcise erfüllt worden. Eine Gruppe vonAstronomen vertritt die Ansicht, daß ein Venustag ungefähr diegleiche Länge habe wie ein Erdentag. nämlich beinahe 24 Stunden;eine andere Gruppe hält es für mehr wahrscheinlich, daß der Venus-tag eine viel größere Länge besitze, nämlich eine solche von 255Erdentagen. Außerdem hat der italienische Astronom Bianchinium das Jahr 1727 mit einem höchst sonderbaren Riesenfernrohr Be-obachtungen ausgeführt, die ihn eine Umdrehungszeit der VenuSvon 24 Tagen annehmen ließen, und zwar hatte er zwei Fleckenauf der Oberfläche des Planeten entdeckt, die er für Meere hielt.Dann folgten gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts berühmteUntersuchungen von Herschel und Schröter, die einen eindringlichenBeweis dafür lieferten, wie schwierig die Planetenforschung ist.Während nämlich Schröter an den sogenannten Hörnern der Venus,die sie bei Sichelform zeigt, hohe Berge zu sehen glaubte, bekannteHerschel, daß er auch mit seinen hervorragenden Instrumenten über.Haupt keine dauernden Flecken ooer andere Unregelmäßigkeiten aufder Oberfläche der Venus wahrzunehmen vermochte. Darausfolgerte Herschel bereits, daß der Planet wohl von einer ziemlichdichten Atmosphäre umgeben sein müsse und daß die von ihm hinund wieder gesehenen veränderlichen Flecken als Wolkenbildungenaufgefaßt werden müßten.— Auch die feineren Beobachtungsmittelder Neuzeit haben die Vermutung, daß die Venus von einer dichtenAtmosphäre umgeben sei, in den Bereich größerer Wahrscheinlich-keit gerückt. Dr. Macharg ist nun aber willens, das Auftreten vonWolken auf der Venus gänzlich zu leugnen und behauptet viel-mehr, daß oie Oberfläche des Planeten stets das gleiche Aussehenzeige und daß die als Festländer betrachteten Umrisse immer indemselben reiner Glanz erstrahlen. Wären Wolken vorhanden, sowürden sich auch auf der Venus ebenso wie auf der Erde und auchauf dem Merkur gewisse Dämmerungserscheinungen beim Aufgangund Niedergang der Sonne in einer rötlichen Färbung wahr-nehmen lassen. Statt dessen behält sie stets ihren weißen Glanz,der beim Zwielicht nur in ein farbloses Grau abgedämpft wird.Daraus zieht der Gelehrte den ferneren Schluß, daß die Oberflächeder VenuS eine vollkommene Wüste sein müsse, weil die Strahlender Sonnen, die diesen Planeten zudem aus viel geringerer Ent-fernung treffen als die Erde, durch nichts in ihrer Wirkung ab-geschwächt werden. Damit würde'selbstverständlich auch jede An-nähme des Vorhandenseins von Lebewesen oder gar intelligentenGeschöpfen auf diesem Nachbarplaneten der Erde hinfällig sein.Lerantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Vcrl«g»anstalt Paul Singer LiCo., Berlin SW.