Kleines feuilleton.
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Psychologisches.
Die Mechanit des Geisteslebens, Bon Professor M. Verworn. Aus Natur und Geisteswelt." Verlag Teubner, Preis gebunden 1,25 M.
Die Huterischen Brüderschaften" in Nordamerika . Es ist beTannt, daß sich in Amerika schon öfter kommunistische Gemeinden auf religiöser Grundlage gebildet haben, die zum Teil noch heute Unsere Sprache hat eine strenge Scheidung zwischen Reib und bestehen, wenn sie auch im Laufe der Zeit mehr und mehr von ihren Seele vorgenommen. Die Sprache, die mit ein Mittel für unsere ursprünglichen Grundsäßen aufgaben und sich der Lebensweise Menschwerdung" war, ist zugleich ein Niederschlag, der die eine der übrigen Welt anpaßten; weniger dürfte indessen bekannt sein, Belnen Etappen im allmählichen Werden des menschlichen Geistes daß in den Vereinigten Staaten heute noch eine Stommunisten widerspiegelt. Alte Vorstellungen, von der Wissenschaft längst über. gemeinde besteht, deren Anfänge bis in die e- holt, grinsen uns in unserem gewöhnlichen Sprachgebrauche ent. formation zurückgehen, und die einen so strengen Kom- gegen, schleppen sich in ihm wie eine ewige Krankheit" fort. Die munismus durchgeführt hatte, wie er nur je in der Geschichte er- alte Vorstellung über das gesonderte Dasein von Leib und Seele, lebt worden ist. Diese Gemeinde sind, wie wir einem Auffah von bon Körper und Geiſt ſpult aber noch heute auch in unseren Prof. Liefmann in Freiburg im letzten Heft der„ Jahrbücher für Stöpfen mit ungeschwächter Kraft. Nur ein klein wenig sind Nationalöfonomie und Statistit" entnehmen, die im südlichen wir der Wissenschaft nachgehumpelt: wir sagen gewöhnlich, die Dakota lebenden fogenannten„ Huterischen Brüderschaften", die Seele fibht" in unserem Gehirn.
Die Dinge der Außenwelt wirken auf unsere Ginnesorgane ein und beeinflussen den Stoffwechsel in den Zellen der Großhirawände. So entstehen Empfindungen, Vorstellungen und Gedanken. Wollen wir uns also das ganze Getriebe unjeres Geisteslebens erklären, so müssen wir den Bau und die Vorgänge in den Elementen des Nervensystem 3 fennen. Diese grundlegenden Kenntnisse will Verworn in seinem prächtigen Büchein vermitteln. Emfiger wissenschaftlicher Forschung( besonders der letzten Jahre) ist es gelungen, das wirre Flechtwerk der Nervenzellen und-fasern als einen gefeßmäßigen Bau zu ergründen, und damit auch die Vorgänge in unserem Großhirn unserem Verständnis zugänglicher zu machen. Der mystische Schleier, der die Borgänge unseres Bewußtseins berhüllte, ist zerrissen und vor unseren Augen wideln sich Stoffwechselprozesse ab, wie in jeder lebendigen Substanz. Stoffwechselprozesse machen die Bewußtseinsborgänge aus.
durch mancherlei Zustrom ergänzten Nachkommen einer Sette Und doch ist die Seele", dieses Getriebe von Empfindungen, mährischer Wiedertäufer, die während der Stürme der Ne- Vorstellungen und Gedanken, nur die Summe der Stoffwechselformation besonders in den Städten Auspitz und Austerlitz und prozesse, der chemischen Vorgänge, die sich in unserem Gehirne, biel ihrer Umgebung ihre Anhänger fand. Ihren Namen erhielt fie, mehr nur in einem feiner Teile, der aus den Nervenzellen und weil ihr Gemeinschaftsleben im Jahre 1533 von einem aus der Nervenfasern aufgebauten Großhirnwände abspielen. Gegend von Bruned im Pustertal stammenden Bruder, der seines Zeichens ein Huter( Hutmacher ) war, in eine feste Ordnung gebracht wurde. Diese Bewegung wurde anfangs bom mährischen Adel nicht ungern gesehen, weil sie ihm brauchbare Arbeiter lieferte; im Jahre 1545 beschloß indessen der mährische Landtag auf Treiben Kaiser Ferdinands, die Hüteristen", to immer sie in gemeinsamen Bruderhöfen" oder Haushaben" wohnten, des Landes zu berweisen, weshalb die meisten sich im ungarischen Komitat Preß burg oder in Siebenbürger eine neue Heimat gründeten. Auch dort hatten fie freilich sowohl unter den Türkenkriegen wie infolge bon Glaubensverfolgungen viel zu leiden, namentlich im 18. Jahr Hundert, so daß damals die meisten von ihnen nach der Walachei und dem südlichen Nußland auswanderten, wo sie bis in die fiebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts im ganzen unangefochten und in ziemlichem Wohlstand lebten. Als indessen im Jahre 1874 bie allgemeine Wehrpflicht in Rußland auch auf die Mennoniten und ähnliche Sekten ausgedehnt wurde, beschlossen sie, sich dieser Maßregel nicht zu unterwerfen und wanderten nach Amerila aus, um sich zumeist im südlichen Dakota niederzulassen. Aus den drei Bruderhöfen", die damals nach alter Sitte gegründet wurden, haben sich inzwischen zwölf entwidelt, die ungefähr 1300 Personen beherbergen, und auf denen die Leute noch jest genau nach den alten Grundsätzen leben. Den Huterischen" ist tatsächlich alles bis auf den Schlafraum gemeinsam; das religiöse Leben der Gemeindeglieder ist den Dienern des Worts" anvertraut, während für die praktischen Bedürfnisse die" Diener der Notdurft" sorgen; die deutsche Sprache, die sie durch vier Jahrhunderte in fremder Umgebung bewahrt haben, ist auch in Amerita ihre UmgangsSprache. Während ihrer ganzen Geschichte sind die" Huterischen" nur zweimal ihrem kommunistischen Grundsah untreu geworden, nämlich einmal während der Türkenkriege, um allerdings nur in einer Gemeinde die schweren Lasten dieser Zeit besser ertragen zu fönnen, und einmal in Rußland , als einer der Bruderhöfe" durch Feuer zerstört worden war und man in der Werteilung des Landbefizes das einzige Mittel erblickte, die Brüber" wieder zu Wohlstand zu bringen. Indessen erfüllte sich diese Hoffnung nicht, und so kehrten die Brüder bald wieder zum Gemeinbesitz zurüd.
Volkskunde.
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und des Traumes, der Hypnose und der Suggestion, die wohl Weiter behandelt der Verfasser die Erscheinungen des Schlafes eines jeden Aufmerksamkeit erregen. Im Laufe des Tages wirten andauernd Sinnesreize auf uns ein, und der Stoffwechsel, der in teilweisem Zerfall und Wiederaufbau der lebendigen Moleküle besteht, erleidet schließlich eine Einbuße: der Wiederaufbau fann mit dem ununterbrochenen Zerfall, dem dauernden Verbrauch der lebendigen Substanz nicht Schritt halten; der Blutstrom wieder fann nicht alle beim Stoffwechsel entstehenden Zerfallprodukte weg schaffen, und diese häufen sich allmählich im Laufe des Tages in den Hirnzellen an. Die Zellen sind schließlich nicht mehr leistungsfähig, wir werden müde und suchen den Schlaf. Im Schlafe, wo die Hirnzellen ruhen, wo sie von äußeren Reizen nicht getroffen werden, erholen sie sich, d. h. die zerfallenen lebendigen Moleküle haben Zeit, sich wieder aufzubauen, unterdes werden auch die am Tage in großer Menge angehäuften Stoffwechselprodukte bom Blutstrome weggespült. Am Morgen ist die Erholung vollendet und das Spiel beginnt aufs neue. Die Träume und die Erscheinungen der Hypnose erweisen sich als Bewußtseinsvorgänge, benen nichts Rätselhaftes, nichts Mystisches anhaftet. Betrachten wir sie mit dem Auge der Wissenschaft, so überzeugen wir uns, daß sie zu spiritistischen Spekulationen gar keinen Anlaß geben fönnen. Der Traum erweist sich als ein partieller( teilweiser) Wachzustand des Gehirns. Das Wesen der Hypnose liegt darin, Ueber die Verbreitung des Erdeffens hat daß Vorstellungen von manchen Personen leicht und unbefehen ein österreichischer Gelehrter alle vorhandenen Nachrichten kritisch hingenommen werden, ohne daß sie, wie es normalerweise geschieht, zusammengestellt und ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Genuß einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Diese Eigenschaft, bon Erde, dem eine ganze Reihe von Bölfern huldigen, seine die manchen Leuten in erhöhtem Maße zukommt, nennen wir Ursache in der besonderen körperlichen oder geistigen Verfassung Suggestibilität( Empfänglichkeit), die also das Wesen der Hypnose dieser Völkerschaften habe, also nicht als ethnologisches Moment ausmacht. aufzufaffen ist. Der Brauch, Erde als Nahrungsmittel zu ge Der Leser, der die Schrift von Verworn mit Aufmerksamkeit nießen, tommt auch noch jetzt in Deutschland vor; in den Sand- studiert, wird eine Menge Anregungen zu weiterem Nachdenken steingruben des Kyffhäuser und im Lüneburgischen streichen sich die erhalten. Fachausdrücke sind nicht ganz vermieden, denn ein präArbeiter einen feinen Ton, die sogenannte Steinbutter, auf das ziser Fachausdruck sagt in einem Worte häufig mehr, als der Brot. In Steiermark und Sardinien wird gemahlene Tonerde ganze Sah, mit dem man den Fachausdruck zu umschreiben sucht. wie andere Lebensmittel auf den Markt gebracht; im äußersten Außerdem müssen manche Fachausdrücke in den Schatz unseres Norden Schwedens und auf der Halbinsel Kola wird Erde unter Wissens aufgenommen werden, wenn wir es uns nicht ganz und das Brot gebaden. Geradezu als Leckerbissen wird Erde in großen gar bersagen wollen, einem tieferen Eindringen in die Wissenschaft Mengen in Berfien genossen; in tropischen Ländern, besonders zu folgen. Afrika und Amerika , ist die Sitte gana allgemein bekannt. In Nubien wird eine bestimmte Erdart als Arzneimittel genoffen. Für diese weitverbreitete Gewohnheit des Erbessens gibt es viele Ursachen; abgesehen davon, daß die Erde im Munde einen gewissen Wohlgeschmad erzeugen kann, ist sie häufig start salzhaltig and muß als Erfahmittel des Salzgenusses dienen. Eine Übart Um noch in furzen Worten das Urteil über das Büchlein von ist das pathologische Erdeffen", d. h. die Notwendigkeit, im Ver- Verworn zufammenfassen: es ist eine vortreffliche populare Darlaufe verschiedener in den Tropen vorkommender Krankheiten Erde stellung jener physiologischen Vorgänge in den Elementen des zu sich zu nehmen, wie z. B. bei der durch den Farmschmaroker Nervensystems, die das Wesen unserer Bewußtseinsvorgänge aus hervorgerufenen Anämie. Auffällig ist die Häufigkeit des Erd- machen. Sachlich und ohne Uebertreibung spricht der Verfasser effens im findlichen Lebensalter, namentlich bei Mädchen. Ursache aus eigener Erfahrung über die einschlägigen Untersuchungen. ist das bekannte Gelüst der Bleichsüchtigen, das die Kinder ver- Die 11 Abbildungen entstammen alle bekannten wissenschaftlichen anlaßt, an Griffel und Kreide zu tauen, Asche und Erde zu essen. Spezialwerken und find tadellos ausgeführt. Dr. A. Lipschütz. Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.- Drud u. Verlag: Borwärts Buchdruderei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.
Das erste Kapitel( Leib und Geele") wird dem ungeschulten Leser vielleicht manche Schwierigkeiten bereiten. Er kann dann gleich mit dem zweiten Kapitel beginnen, das von den Vorgängen in den Elementen des Nervensystems" handelt, um später zum ersten Kapitel zurückzukehren.
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