(Nachdruck dctEoten.l Kometen und Sternfcbnuppen. Von Dr. I. Wiese. Die Kometen haben von jeher das größte Interesse nicht bloß der Gelehrten, sondern auch der gesamten Menschheit erregt. Es ist das auch leicht zu verstehen: sie erscheinen unerwartet, oft ganz plötzlich, ihre Bahn am Himmel durchlaufen sie oft außerordentlich schnell, so daß sie häufig fast ebenso plötzlich verschwinden, wie sie gekommen sind. Bor allem erregt aber ihre seltsame und rasch veränderliche Gestalt die größte Aufmerksamkeit; an einen helleren Kopf schließt sich ein mächtiger Schweif an, dessen Länge zuweilen das halbe Himmelsgewölbe umfaßt. Alle diese Abweichungen von dem Aussehen der übrigen Gestirne, das völlig Rätselhafte der Erscheinung, erzeugten Furcht und Schrecken bei den Menschen; die Kometen erschienen als ein warnendes Zeichen für kommendes Unheil, Krieg und Pestilenz. Wenn nun auch die Furcht all- mählich schwand, so blieb die Kometenerscheinung doch völlig rätselhaft bis zum Anfange des vorigen Jährhunderts, bis all- mählich, Schritt für Schritt, sich Erklärungen an Erklärungen reihten. Heute kann das Kometenproblem in seinen wichtigsten Teilen als gelöst gelten; alles ist auf Kräfte bestimmter Wirksam- keit zurückgeführt, wenn auch das Wesen dieser Kräfte nicht zweifelsfrei festgestellt ist. Eine gute Einführung in diese an- ziehende Welt bietet ein von der bekannten Gesellschaft Kosmos veröffentlichter reich illustrierter BandKometen und Meteore" voA dem um die Popularisierung der Astronomie verdienten Dr. W i l h. Meyer, der in ausgezeichneter Dar- stellung Wesen und Wandel der Kometen schildert und neben den Meteoren auch die Sternschnuppen behandelt. Für unser Thema kommt auch das bor einigen Wochen herausgegebene Werk von Dr. I. Schein er:Populäre Astrophysik" in Betracht, das allerdings bei weitem nicht so allgemein verständlich gehalten ist wie das Meyersche Buch, und umfangreichere und Wissenschaft- lichere Kenntnisse bei dem Leser voraussetzt. Die Kometen sind materielle, den Weltraum durchwandernde Körper, die aus sehr großen Entfernungen oder beinahe der Un- endlichkeit zu uns herkommen. Es gibt Kometen, die wir in kurzen Zwischenzeiten, von nur wenig mehr als drei Jahren an, regelmäßig wiederkehren sehen, und andere, die eine Umlaufszeit von mehr als 11X1 Jahren haben. Wir können die aus unermetz- lich großer Ferne zu uns kommenden Kometen selten in Ent- fernungen sehen, die mehr als noch einmal so groß sind, wie die zwischen Erde und Sonne, die rund 150 Millionen Kilometer be- trügt. Sie müßten uns also Fremdlinge bleiben, wenn nicht die wunderbaren optischen Hilfsmittel es gestatteten, das Schicksal dieser Wcltwanderer auf ihrem Wege um die Sonne zu vcr- folgen. Die meisten Kometen werden heute im Fernrohr entdeckt und bleiben auchteleftopisch", das heißt, sie werden niemals für das bloße Auge sichtbar. Es Pflegen deren jährlich mehrere, durch- schnittlich vier oder fünf, entdeckt zu werden(man bezeichnet sie dann durch die Jahreszahl und eine römische Ziffer in der Reihen- folge der Erscheinungen desselben JahreS), und nicht selten sind deren drei oder vier gleichzeitig am Himmel sichtbar. Da sich diese- fichtbaren Kometen uns relativ nahe, also innerhalb eines nur kleinen Raumes befinden, so konnte man auf Grunds einer Wahrscheinlichkeitsrechnung schätzen, daß im ganzen Sonnensystem, bis zur Grenze der Neptunsbahn, sich gleichzeitig etwa KOOO dieser teleskopischen Kometen befinden. Nun kommen aber, wie wir wissen, Kometen aus viel hundert oder tausendmal weiteren Ent- fernungen als die der Neptunsbahn zu uns, und deshalb muß die Zahl der überhaupt vorhandenen Kometen, die zur Sonne gelangen können, unermeßlich groß sein. Die Kometen find im Weltall   so zahlreich, wie die Fische im Meer, hatte bereits Kepler  gesagt. In den astronomischen Verzeichnissen, die bis in die An. fänge der historischen Zeit zurückreichen, sind ungefähr 800 Ko- meten überhaupt angegeben, von denen etwa 500 mit bloßem Auge sichtbar waren. Die Tatsache, daß diese augenblicklich noch in den Verzeichnissen im Uebergewicht sind, erklärt sich dadurch, daß erst seit kaum mehr als 100 Jahren teleskopische Kometen entdeckt werden können, weil eben vorher die Fernrohre noch nicht genügend ausgebildet waren. Mit bloßem Auge auffällig sichtbare Kometen erscheinen vielleicht alle 10 Jahre einmal, doch zeigt sich auch diese Frequenz sehr schwankend. So sind z. B. in den letzten 50 Jahren bei uns sichtbare große Kometen auffallend selten ge- worden. Der letzte größere Komet, der das allgemeine Interesse erweckte, erschien in den Sommermonaten von 18L1, vorher gab cS 1874 einen schönen Schweisstern, und endlich muß man auf das allerdings sehr glänzende Gestirn von Donati aus dem Jahre 1858 zurückgreifen, um damit alle großen Erscheinungen der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts aufgezählt zu haben, die wir aus unserer Halbkugel leicht sehen konnten. Auf der Südhälste des Himmels sind allerdings in derselben Zeit inehrere sogar sehr große Kometen aufgetreten, von denen uns die Wissenschaft späterer Zeit noch manches Interessante wird berichten können. Wir wollen zunächst einen tcleskopischcn Kometen vom Augen- blick seiner Entdeckung an etwas näher verfolgen. Er erscheint »m Fernrohr meist als ganz schwach leuchtende» rundliche Nebel- masse, die sich ohne deutliche Umgrenzung vom dunklen Himmel»- gründe abhebt. Der Komet unterscheidet sich in diesem Zustande dem Aussehen nach durch nichts von jenen Hunderten von Nebel» flecken am Himmel, die sich gewissermaßen in unermeßlichen Fernen als Teile des großen Milchstraßenteiles befinden, in dem unsere Sonne mit ihren ganzen Planetensystem nur eine unter Millionen ist, und aus dem einige Kometen wirklich auch zu kommen scheinen. Nur dadurch, daß eben an der betreffenden Stelle vorher keine solche Nebelmaffe gesehen worden war. und daß diese sich unter den festen Sternen fortbewegt, erkennen wir sie als einen neuen Kometen. Man muß nun seinen Weg wenigstens einige Tage am Himmel weiter verfolgen, um dann seine Bahn um die Sonne zunächst nur ganz annäherungsweise berechnen zu können. Man vermag dann vorauszusagen, wann der Komet seine größte Sonnennähe passieren und wie sich sein weiterer Lauf von unserem bewegten Standpunkte auf der Erde aus gestalten wird. Auch über seine zukünftige Helligkeit läßt sich dann etwas Annäherndes sagen, da man weiß, daß diese Ge- stirne mit ihrer Annäherung an die Sonne immer beträchtlich heller werden und natürlich auch außerdem um so heller erscheinen, je mehr sie sich zugleich uns auf der Erde nähern, wie es bei jedem leuchtenden Körper der Fall sein würde. Da die meisten Kometen, wenn auch nicht alle, entdeckt werden, wenn sie sich auf uns und die Sonne zu bewegen, so wird nun auch unser hier ins Auge gefaßtes Gestirn heller. War sein Licht schon zwar von Anfang gegen die Mitte zu verdichtet, so zeigt sich nun in der Regel eine mehr oder weniger verwaschen erscheinende sternenartige Verdichtung, der Kern des Kometen, den nun der übrige Teil als Hülle umgibt. Der Kern ist offenbar der Massen- Mittelpunkt des Kometenkörpcrs, und auf ihn allein beziehen sich die Bestimmungen seines wechselnden Ortes am Himmel. Die Hülle mutz, auch schon ihrem bloßem Aussehen nach, aus sehr dünnen Stoffen bestehen, wenn sie einmal vor Sternen hinzieht» so scheinen sie mit ungeschwächtem Glänze hindurch. Man hat dabei zu bedenken, daß auch die kleineren Kometenhüllen Durch- messer besitzen, die den unserer Erde um mehr als das Zehnfache übertreffen. Diese ausgedehnten, um einen meist durchmesserlos erscheinenden Kern sich bereitenden Stoffe müssen also ans sehr fein verteilten Gasen bestehen. Schweife entwickeln sich indes bei anderen schon zuweilen, wenn sie dem bloßen Auge noch nicht sichtbar geworden sind, andere werden wohl auch wieder schwciflos hell genug, um ohne optische Hilfsmittel erkennbar zu sein, aber wenn auch hier im allge- meinen keine Regel zu bemerken ist, so bekommen auch ausnahms- los alle Kometen lange und helle Schweife, die der Sonne bc- sonders nahe kommen. Daß die Sonne einen wesentlichen Anteil an der Gestaltung der Schweife haben mutz, erkennt man ohne weiteres daran, daß diese leuchtenden Anhängsel ihr immer ab- gewandt sind. Während sich solch ein Komet nun mehr und mehr der Sonne nähert, sieht man mehr oder weniger deutlich, daß in ihm Um- wälzungen stattfinden. Einige werden unverhältnismäßig schnell Heller und dann wieder trotz der Annäherung an die Sonne schwächer, e3 zeigen sich Lichtpulsationen(Schwankungen). Die Hülle wird dabei oft deutlich kleiner, der Komet scheint sich zu- sammenzuziehen und dann wieder auszudehnen: der Kern tritt deutlicher hervor. Plötzlich sieht man auf der Seite des Kerns. der der Sonne zugekehrt ist, wo er also am stärksten bestrahlt wird, eine Ausströmung hervorbrechen, einem leuchtenden Spring- brunnen nicht unähnlich, der sich also gegen die Sonne hin in die Rebelhülle und wohl auch über diese hinaus ergießt. Bei einer bestimmten Höhe aber beginnt nun auch der Strahl umzubiegen, wieder wie bei einer Fontäne, die zurückfällt. Man erkennt indes bald, daß dieses Zurückfallen nicht die Folge der Anziehungs- kraft des Kernes ist, denn der Strahl fällt nicht auf den Strahl zurück, sondern an ihm vorüber und dann weiter hinter ihm hinaus in den Raum, nun den eigentlichen Schweif des Kometen bildend. Dieser Schweif ist deshalb der Sonne immer abgekehrt. In jüngster Zeit haben Rhdberg und Schulhof interessante Kometenhypothesen aufgestellt, denen die Annahme einer inter» planetarischen Raumatmosphäre zugrunde liegt. Obschon der Zwischenraum zwischen den Planeten von den Hunderten der- schieden großer Planetoiden ahgesehen noch von Kometen, Meteo- riten durchkreuzt wird, also von zahlreichen großen und kleinen Körpern erfüllt ist. verschwinden diese Massen gegenüber der Weite des Raumes, den sie durchwandern, und selbst im dichtesten Meteor- schwärm bleiben die einzelnen Meteore durchschnittlich viele Kilo- nietcr voneinander entfernt. Zwischen all diesen kleinen und kleinsten Körpern des interplanetaren Raumes soll sich eine äußerst dünne Atmosphäre befinden, die auf die Planeten und Kometen keinen merkbaren Widerstand ausübt. Sie wird als ein Rest der Gase betrachtet, die einmal als Urnebel den ganzen Weltraum er» füllten und durch eruptive Gasausftrömungcn und aus den Atmo- sphären fast aller Glieder des Sonnensystems Zmvachs erhält. Nähert sich nun in dieser Raumatmosphäre ein Komet in mehr oder weniger stark exzentrischer Bahn der Sanne, so kommt er mit ver- hältnismäßig großer Geschwindigkeit in die dichteren Gebiete der Raumatmosphäre. Dabei erhitzt sich seine vordere Seite sehr stark, es erheben sich flüchtige Dämpfe, und ebenso erwärmen sich die den Kometen umhüllenden Gase der Raumatmosphärc. Durch diese Erwärmung werden die Dämpfe und Gase dünner als die Raum»