Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 193.

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Dienstag, den 6. Oktober.

( Nachdrud berboten.)

Andreas Vöst.

Bauernroman von Ludwig Thoma  

Im Tanzsaal   drängten sich die Burschen zusammen; das Licht der Petroleumlampe glühte rötlich durch den Dunst, und der Kommandant konnte sich nicht gleich zurechtfinden. Mitten im Knäuel stand ein lang gewachsener Mensch, der auf den Hierangl Xaver einredete.

Bischt du vo Hochazell? Hoscht du mitzahlt?" tanz, bal i mag," sagte Xaver.

" G'hörscht du zu die Hochazeller? Hoscht du vielleicht an anders Recht?"

Du Hanswurscht, du Dappiger!" schrie ein anderer. Der Lange packte den Hierangl beim Rodfragen, die Hintenstehenden drängten vor.

Auslassen, sog i!" schrie Xaver, und suchte nach der Meffertasche.

Nehmt's eahms Messa!"

Der Kommandant sprang dazwischen.

Was gibt's da? Auseinander da! Lassen S sofort los!" Daß er ma's Messa nei'rennt!" schrie der Lange. Nach'n Messa hat a g'langt!" wiederholten die Burschen. Das geben S' einmal sofort her, Hierang!!"

Xaver wehrte sich noch immer wütend gegen den Langen and wollte sich losreißen. Ein anderer pacte seinen Arm, und der Kommandat zog ihm das Messer aus der Tasche.

" Im Griff feststehend," sagte er; das werden wir noch friegen. Und jetzt stellen S' Ihnen ruhig hin, sonst verhaft ich Ihnen vom Platz weg! Was hat's denn geben?" fragte er den Langen.

,, Mir Hochazella ham ins oan aufspiel'n lassen; da tanzet er mit, und glei waar er auf mi herg'rumpelt aa no und hätt mi ani g'steffen."

Nur nicht so schreien! Das können Sie ja ruhiger auch fagen!"

s ja wohr! Wia' r ihn g'stellt hab, hätt' er glei nach'n Messa g'langt!"

Wie heißen Sie denn?"

Joseph Heiß, Gütlerssohn von Hochazell."

Mi fan allsamt Zeugen," schrien die Hohenzeller Burschen.

Sch brauch nicht so viel," sagte der Kommandant und schrieb den Heiß in sein Notizbuch.

,, So, Hierangl, Sie verlassen jekt sofort den Tanzboden und gehen ruhig heim!"

geh, bal i mag."

" Nicht so frech! Gelt?"

Die Ursula drängte sich durch den Haufen. Geh zua, Xaverl, dös hat foan Wert it!"

Laß ma do du mei Ruah! Mit dir will i gar nig a'toa Hamm. Jezt gehn i, aba i fimm scho wieda r'amol a'jamm mit die Hochazeller."

3 scho recht," schrie der Lange, und nimm da fei wieda a Messa mit; du fo'scht dir gar i gnua kaffa."

Alle lachten und höhnten hinter Xaver her, den seine Kameraden fortzogen.

Die Musik spielte auf, die Mädel, welche sich auf Stühle und Bänke gestellt hatten, tamen herunter, und der Tanz ging weiter.

Die Ursula tat nicht mehr mit. Sie ging die Stiege hin­unter ins Freie.

Beim Wirtsitadel standen die Erlbacher Burschen, und sie fonnte im Mondlicht sehen, wie sich der Xaver von ihnen los­machen wollte.

Sie hörte seine feuchende Stimme herüber, Laßt's mi aus! I muaß no amal eini."

Dös gibt's gor it. Du gehscht jetzt hoam mit ins!" " Daner muaß no hi sei, von de Hochazeller!" Geh amol zua! Du derfst nima z'ruck!"

Die Burschen hielten ihn fest, und er ging endlich mit thnen.

Butveilen blieb er stehen und schimpfte.

1908

' s Messa bal's ma net g'mumma hätt'n, nacha wurd eahm was zoagt hamm  . In aller Mitt' hätt' i' n vonand a'schnitten."

Jezt mach amal!"

Die Stimmen verloren sich in der Ferne

Da machte sich die Ursula auf den Weg und ging hinterdrein.

O

Im Nebenzimmer erhob sich der Lehrer von Aufhausen und nahm seinen Hut vom Nagel.

,, Wir haben einen Weg bis zum Feldkreuz," sagte Steg­müller ,,, da gehen der Herr Mang und ich mit."

Es war eine kühle Nacht. Der Herbstnebel zog über die Felder hin und sah sich im Mondlicht an wie ein filberner Schleier.

Vom Weblinger Holze herüber wehte ein frischer Wind. Da zitterten die Blätter an den Bäumen, als käme sie ein Frösteln an, und die Schatten, welche sie über die helle Straße warfen, kamen in Bewegung.

Es ist etwas Poetisches, so eine Mondnacht," sagte Dang.

Er kämpfte mit einem harten Entschlusse. Er wollte etwas unternehmen, was er noch nie getan hatte; er traute fich's zu, und er verzagte wieder. Und dann gab er sich einen festen Rud.

" Fräulein Sporner... wenn Sie erlauben a dark ich Ihnen meinen Arm anbieten?"

Er hatte einen Augenblick geglaubt, daß sie weglaufen und ihn beschämt stehen lassen, oder daß sie ihn streng zurecht­weisen würde. Aber sie lief nicht weg, und sie tadelte ihn nicht. Sie sagte überhaupt nichts, sondern schob ihren runden Arm in den feinigen.

Und da merkte er, daß es auch poetisch ist, neben einem jungen Mädchen zu wandeln. Sie gingen schweigend mit­einander. Er wollte ein Gespräch beginnen und besann sich lange. Aber es fiel ihm nichts ein; darum sagte er wieder: Es ist so prachtvoll, so eine Mondnacht."

"

Und Fräulein Gertraud sagte: Wunderbar; besonders im Herbst."

Beim Feldkreuze trennten sich ihre Wege; die beiden Alten, welche vor ihnen gingen, blieben stehen; Mang gab den Arm des Mädchens frei und verbeugte sich mehrmals und schüttelte dem Fräulein Sporner immer wieder die Hand, wenn er vorher dem Onkel gute Nacht gesagt hatte. Also am Sonntag zum Hochamt," mahnte der Lehrer von Aufhausen.

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Gewiß; Sie können sich darauf verlassen."

" Und pünktlich um acht Uhr. Gute Nacht, Herr Mang." Recht gute Nacht, Herr Lehrer! Angenehme Nuhe, Fräulein Sporner!"

Er sah den beiden nach; da fiel ihm ein, daß sie ein schönes Lied gelobt hatte; und er vergaß alle Bedenken, welche der Rektor von Freising   dagegen hatte. Mit wohlflingender Stimme sette er ein:

" Das Meer erglänzte weit hinaus.

Als er schwieg, tönte von drüben eine freundliche Mädchenstimme: Gute Nacht!"

"

Er holte mit raschen Schritten den alten Lehrer ein. Herr Stegmüller überdachte seine Reden, die er im Wirts haus gehalten hatte. Es kam ihm so vor, als wär er zu start ins Schwärmen geraten; die kühle Nachtluft ernüchterte ihn.

Und er sagte:" Sie müssen nicht glauben, Herr Mang, daß ich vielleicht etwas habe gegen die Geistlichkeit. Ich redete bloß so von der Kunst, weil sie einen schönen Tenor haben und überhaupt. Natürlich haben Sie ganz recht, mit ihrem Beruf. Er ist schon wirklich ideal."

Ja, ja," erwiderte Sylvester; Herr Lehrer, wie lang bleibt eigentlich Fräulein Sporner in Aufhausen?"

3. Rapitel.

Die nächsten Wochen brachten viel Arbeit. Nach der Trockenheit war ein guter Negen gekommen und der Pflug faßte wieder an.

Auf allen Höhen sah man Menschen und Pferde sich lang­sam bewegen, und hinter ihnen fraßen sich dunkle Furchen in die gelben Stoppelfelder ein.