See geht, so soll er keinen Ort aufsuchen, an dem keine Brandung besteht und wo durch vorgelagerte Inseln oder Landzungen der Seegang sehr schwach ist denn an solchen Stellen ist die Luft so frei von Salz, wie im Binnenland, sondern er soll an einen Platz gehen, der mit kräftigem Wellenschlag und lebhafter Brandung ihm die gewünschte Salzatmung gewährleistet. Prof. M. Oltwald über Bntdcckerrdnckfalc. Bon Dr. Georg Biedenkapp. Den meisten Gebildeten ist eS eine schon geläufige Tatsache, bah ein großer, wenn nicht gar der größte Teil der loisienschaftlichcn Fortichritte und Entdeckungen von sogenanntenLaien",Dilettanten  ", Außenseitern", kurz von Leuten ausgeht und herrührt, die nicht zur Zunft der Professoren, zur Kaste des amtlich bestallten Gelehrten- tums gehören. Nicht weniger bekannt sind die herben Schicksale und Berkenuungen solcher Entdecker, nian denke an H a r v e y, den Eni- decker des Blutkreislaufes, der von Neidern und Gegnern um seine blühende ärztliche Praxis gebracht wurde, an Robert Mayer  , der trotz geistiger Gesundheit in ZwangSirrenhafl gehalten ward, an Konrad Sprengel, der wegen vermeintlicher Unanständigkeit seiner blütenbiologischen Entdeckungen sein Amt als Schulrektor verlor, an Reis, der mit Mayer das Schicksal teilte, daß seine grundlegende Ab- Handlung gerade in derjenigen Zeitschrift keine Aufnahme fand, wo sie vor allen anderen hingehörte. In seinem BucheWerdegang einer Wissenschaft" bringt nun Professor W. O st w a l d einige noch wenig oder gar nicht bekannte Beispielezur Psychologie des Gelehrten- tum§", wie er sich ausdrückt, kennzeichnende Fälle auS der Geschichte der Chemie. Mit großer Bewunderung rühmt Ostwald die Ent- decknng des Gesetzes der chemischen Aequivalentgewichte durch Jeremias Benjamin Richter  , der 17621807 lebte und nicht einmal im Lexikon zu finden ist.Dieser jung gestorbene Forscher, von Beruf technischer Chemiker und niemals Verweser eines Lehramtes, hatte sich von Anfang an die Anwendung der Mathematik auf die Chemie zur Lebensaufgabe gesetzt und daran trotz aller. Ent­täuschungen und Ablehnungen festgehalten. So gelang es ifmt, einen Eckstein in dem zahlenmäßigen Fundan, ent der chemischen Wissenschast aufzudecken. Seine Denkweise war hierbei so selbständig und un- gewohnt, daß sie bis auf den heutigen Tag noch nicht so verstanden und geivürdigt worden ist, wie sie eS verdient. Zunächst blieb feine große Entdeckung ganz ohne Folgen. Erst der Schwede B e r z e l i u S erkannte dieungemein große Bedeutung von Richters Betrachtungen", leider aber hatte er zur selben Zeit, wo er Richters Werke studierte, die Bücher eines anderen Chemikers, C. F. Wenzels, ebenfalls auf feinem Schreibtische, und da ihm wie allen Zeitgenossen beide Namen gleich unbekannt wärest, so verwechselte er sie und Wenzel genoß ein halbes Jahrhundert lang den Ruhm, Entdecker des Gesetzes der Aequivalentgesetze zu sein. Die erste grundlegende Arbeit über den Begriff und die Gesetze der ReaktionSgeschwindig- keit hat ebenfalls einenDilettanten" zum Vcrfaster, er hieß W i l h e I m v, gehörte der damals eben begründeten Berliner   Physi- kalischen Gesellschaft an alswohlhabender Liebhaber" der Wissen- fchaft, der keiner Universität je als Profesior zur Zierde gereichte. Seine Untersuchung, obwohl in denAnnalen fiir Physik und Chemie" veröffentlicht, blieb gänzlich unbeachtet und späteren Forschern, die ähnliche Probleme bearbeiteten, unbekannt. Erst in neuester Zeit ist die fundamentale Arbeit zutage und zur Anerkennung gekommen. Als der junge Hittorf in einer Reihe von klassischen Arbeiten das Verhältnis der Geschwindigkeiten, mit denen die Jonen wandern, für eine große Zahl von Elektrolyten bestimmte und dabei vielerlei Aufklärung über strittige Fragen der Chemie brachte, blieb der ver- diente Erfolg völlig auS.. Hittorf war ein junger, unbekaimter Mann und an dem vorliegenden Problem hatten damals eben einige führende Gelehrte ihre Kräfte vergeblich versucht. Infolge einer zwar nicht hübschen, aber sehr menschlichen, d. h. allgemein ver- -breiteten psychischen Reaktion trat nicht die Freude am erlangten intellektuellen Fortschritt, sondern die Eifersucht auf die bessere Leistung de? Unbekannten in den Vordergrund und durch ein stillschweigendes Abkommen der Beteiligten, welche die öffentliche Meinung in der Wiffenschaft, wenigstens zeitiveilig, beherrschten, blieben'Hittorfs Resultate zunächst ganz unbeachtet." DaS sind Ost- tvalds, des Chemieprofessors, eigene Worte. Man weiß, daß der französische   Philosoph DeScarteS   die Dynamik Galileis schlankweg leugnete und den großen italienischen Physiker von oben herunter wie einen dummen Schuljungen beur- teilte. Parallelen zu solchen albernen Fehlgriffen der Großen im Reiche der Wissenschaft bringt auch Ostwald. Der französische   Physiker Gay-Lussac   hatte gefunden, daß in allen damals bekannten oder zugänglichen Fällen, wo zwei oder mehr Gase sich chemisch ver- binden oder sonst au chemischen Reaktionen teilnehmen, dies nach einfachen Bolumverhältnissen geschieht. Man hätte nun crlvarten sollen, daß der Schöpfer der Atombypothese D a l t o n das Gesetz Gay-LussacS als eine hochcrwünfchte Stütze seiner Anschauungen be- grüßen würde, da sie besonders einfache Beziehungen zwischen der Anzahl der Atome und dem Volumen der Gase zu erkennen gab. Doch hat sich Dalton weder damals noch irgend später von der Richtigkeit des Gay- Luffacschen Gesetzes überzeugen wollen". Professor Ostwald nennt auch diesen Fall einlehrreiches Beispiel zur Psychologie der Gelehrten". Als F a r a d a y die Gesetze auf- stellte, daß der Betrag der Zersetzung durch den elektrischen Strom der durchgehenden Elcktrizitätsmenge proporttonal ist, und daß sich beim Durchgange der gleichen ElektrizitätS  - menge die auS verschiedenen Verbindungen ausgeschiedenen Stoffmengen wie die Verbindungsgewichte dieser Stoffe verhalten, da war es gerade der große Berzelius, der diese richtigen Gesetze als falsch bekäntpste, obwohl gerade sie eine Stütze für seine eigene Anschauung hätten werden können. Neberhaupt zeigt Ostwald gerade an Berzelius  , ohne ihn zu verkleinern, wie Autoritäten im Alter der weiter strebenden Wissenschaft zum Hemmnis werden können, außerdem enthält das Buch noch andere Beispiele, wie grmidlegende Arbeiten in wissenschaftlichen Jahresberichten überhaupt nicht einmal der Ehre der Erwähnung teilhaftig wurden. Auch wissenschaftliche Entdeckungen haben ihre Schicksale dafür hat Ostwald neues Material beigebracht. kleines feuilleton. Geologisches. Der berühmte Colorado  -Cannon. Der neue AuS- tauschprofessor, der nächstens seine Vorlesungen an der_ Berliner  Universität aufnehmen wird, der Geograph William Morris Davis  von der Harvard-Universität  , hat bei der letzten Tagung der englischen Naturforschergesellschaft einen fcsiclndcn Vortrag über eins der größten Naturwunder Amerikas  , den großen Cannon des Colorado- flusseS, gehalten. Wer dies Naturgebilde mit eigenen Augen ge- sehen hat. wird einen unvergeßlichen Eindruck von ihm erhalten haben. An ihm kann man wie vielleicht nirgend sonst auf der Erde die Macht der Naturkraft erkennen, die der Geograph als Erosion(Auswaschung) deS Waffers bezeichnet. Die Erosion arbeitet überall an den Formen der Erdoberfläche und insbesondere an der Abtragung der Gebirge. In jenem Ge- biet der Vereinigten Staaten   hat sie im Bereich eines aus vollkommen horizontalen Schichten aufgebauten Plateaus eine Schlucht von ungeheurer Tiefe und von labyrinthischer Verzweigung eingeschnitten. Davis hat jetzt gewissermaßen die Urgeschichte deS Colorado  - Cannons enthüllt. Er weist darauf hin, daß die hori- zontalen Schichwiassen, die der Fluß allmählich bis auf ihren Untergrund durchschnitten hat, auf anderen, sehr alten Gesteinen ruhen, die früher an derselben Stelle ein hohes Gebirge gebildet haben müssen, das aber im Verlaufe der un- gezählten Jahrtausende der Erdgeschichte bis auf einen fast ebenen Rumpf abgetragen wurde. Auf diesem Sockel häuften sich dann die Meeresabsätze in horizontalen Schichten auf und zwar in einer Mächtigkeit von Ivenigstens 3000 Metern. Jedenfalls hat sowohl die Abtragung des UrgebirgeS wie die Ablagerung dieser Meeresschichten, jede? für sich, länger gedauert als die spätere Ausnagung der großartigen Schlucht. Davis unterscheidet sechs Epochen, deren Länge nach gewöhnlichen Zeitmaßen gar nicht geschätzt werden kann, die das Gebiet des heutigen Colorado  -Cannons durchmachen mußten, ehe die Schaffung der Schlucht überhaupt begann. Man erhält durch diese Darstellung einen Einblick in die großartige Werkstätte des Werdens und Vergehens auf der Erdoberfläche. Zunächst wurde das Urgebirge zerstört, dann folgte die Ablagerung der Meeresschichten; in der dritten Epoche erlitt daS Ganze eine Störung seiner Lage und auch schon eine Bearbeitung der Oberfläche: in der vierten Epoche lagerten sich wiederum etwa 1000 Meter mächttge Schichten darüber ab, und dann erfolgten als fünfte und sechste Epoche nochmals der Absatz und die Wiederzerstörung weiterer Schichten, von denen nur noch verhältnismäßig kleine Reste erhalten geblieben sind. Erst dann kann der Colorado   oder der damals an seiner Stelle fließende Urstrom seine grabende Arbeit begonnen haben, die also gleichsam das siebente Kapitel in der Geschichte des Gebiets umfaßt. Da der Cannon eine Länge von rund 340 Kilometer, eine Breite von 820 Kilometer und eine Tiefe von 13002000 Meter besitzt, so kann man sich eine Vorstellung von der gigantischen Arbeit machen, die das fließende Wasser bei seiner Erschaffung vollbracht hat, und danach auch eine Vorstellung von der Größe deS Zeitraumes, die e8 dazu gebraucht haben mutz. Und nun hören wir, daß dieser Zeitraum doch nur ein kleiner gelvesen ist im Vergleich zu den Epochen, die in dem Aufbau und der teilweisen Zerstörung der die Schlucht einschließenden Schichtmassen vergangen sein müffen. Davis sagt, daß, nach Jahren gemessen, die Zeit der Erosion des Cannons selbstverständlich außer- ordentlich groß erscheine, daß sie aber verschwinden würde, wenn man sie nach dem Zifferblatt der geologischen Uhr und der erd- geschichtlichen Zeit messen und mit der Länge der sechs voraus- gegangenen Epochen der Enttvickelung jener Gegend vergleichen würde. So erscheint also der ganze Colorado  -Cannon trotzdem als ein verhältnismäßig jugendliches Gebilde, und feine ungeheuren Verhältnisse zeugen mehr für eine frühreife Ausbildung, als für ein verehrungLwürdigcs Alter. Berantw. Redakteur: Georg Tavibsohn, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckcrci u.VerlagianstaltPaul Singer L-Co., Berlin   3V7.