schlucksend.„Deine Kinder scljsn mir aber ein bißchen nackend auS. Das sind sie doch wohl, die da so quieken'1" „Sei nicht so naseweis I" sagte Jeriä Madsen leise, aber scharf. Anton erfüllte den Korridor mit einem Ausbruch von Ge- lächter, das so laut war wie ein Flintenknall. Dann schwankte er zun, Stall und kroch auf seinen Wagen. Die beiden Füchse zitterten schon in den Beinen vor Angst. »Laßt euch Zeit, ihr Luders I Wollt ihr stehen (Schluß folgt.) rheaterforgen. i. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Theater die bevorzugte Modekunst unserer Zeit ist. Für keine Kunstgattung werden von der breiten Masse des Volkes soviele private Geldopfer gebracht wie für das Theater. Der begüterte Spießbürger, der sich als wahnwitziger Verschwender vorkoinmen würde, wollte er einem Maler oder Bild- Hauer hundert Mark für ein Originalgemälde, eine Skizze oder Studie zahlen, lädt jährlich mehrere blaue Lappen in die Theater- lassen ad und hält sich deshalb noch keineswegs für einen Mäcen. Diese Opferfreudigkeit leitet sich aus der Doppelstellung des Theaters her, das auf der einen Seite ein Kunstinstitut, auf der anderen ein Bergnügungsetablissement ist. Die rein künstlerische Seite würde den Philister kaum locken, aber das drum und dran der Aufmachung ist es, was seinen Instinkten schmeichelt, indem es dem Unterhaltungs- und Zerstreuungsbedürfniise Rechnung trägt. Und die bürgerliche Presse wirkt nach Kräften mit, dem Theater seine bevorzugte Stellung zu erhalten und zu befestigen. Bon dem Planen und Schaffen wichtiger Kulturforderer unserer Zeit, der großen Gelehrten, Erfinder usw., erfährt das Publikum so gut wie gar nichts— sobald aber in der Seele deS Herrn Sudermann oder Blunienthal die Idee zu einem neuen Theaterstücke keimt, bringt unS das Feuilleton sofort die erfreuliche Kunde und es meldet uns in entsprechenden Zeitabschnitten gewissenhaft, welchen Titel der Autor gewählt, wann und wo er den letzten Akt beendet hat und welche Rolle bei der bevorstehenden Premiere Herr Kurt Stieler oder Fräulein Lucie Höflich agieren werde. Die Erörterung der Frage, ob eine Wildesche Komödie zuerst bei Barnowsky oder bei Reinhardt gespielt werden wird, kann täglich mehrere Feuilleton- spalten füllen und das engere Gebiet des eigenllichen Kulissen- klatsches dient als unerschöpfliche Fundgrube für pikante Plaudereien. Trotzdem gibt es auch heute Nörgler, die mit dem Theater un- ! gifrieden sind, die an den auf der deutschen Bühne herrschenden Zu- tänden allerhand auszusetzen finden und auf Reformen oder gar auf Umsturz sinnen. Diese Erscheinung ist freilich nicht neu. Auf daS Theater ist zu allen Zeiten geschimpft worden, und so lange wir in Deutschland eine Schaubühne und eine Theaterkritik besitzen, hat in jedem Jahrzehnt mindestens einmal irgendein fach- verständiger und maßgebender Kenner den„gegenwärtigen Verfall" des Dramas und der Schauspielkunst konstatiert und beklagt. Wenn man diese Urteile ernst nehmen wollte, so müßte man zu der pessimistischen Ueberzeugung gelangen, daß die deulsche Bühnenkunst von ihrer Geburtsstunde an in einem unaufhaltsamen Niedergange begriffen gewesen sei. Nur die seltsame Tatsache, daß allen diesen strengen Richtern die jeweilige jüngste Vergangenheit als ein schlechthin tadelloses Blütezeitalter erscheint, vermag einigen Trost zu verleihen. Die gute alte Zeit wird der verkommenen Gegenwart regelmäßig als nachahmungswürdiges Muster hingestellt — dieselbe gute alte Zeit, die von ihren undankbaren Kindern als eine Epoche deS Verfalls gebrandmarkt wurde. Gerade in diesem Punkt aber unterscheiden sich die modernen Theaterkritiker und -Reformer von ihren Vorgängern. Die Leute, die mit den heutigen Theaterzuständen unzufrieden find— und ihre Zahl wie das Ge- wicht ihrer Stimmen wächst von Tage zu Tage—, sind mehr oder weniger begeisterte Verehrer der modernen dramatischen Dichtung und sie verkennen die großen Fortschritte, die die szenische Kunst in unseren Tagen gemacht hat, keineswegs. Sie wünschen die Ver- gangenheit nicht zurück und fühlen sich trotzdem von der Gegenwart unbefriedigt oder gar abgestoßen. Ja, es gibt unter ihnen radikale Sonderlinge, die die ketzerische Anficht vertreien, das Theater und die Schauspielkunst seien Dinge, an denen ein fein organisierter und ästhetisch gebildeter Kulturmensch, der ein gewisses Lebensalter und einen gewissen EntwickelungSgrad erreicht habe,_ überhaupt einen ernsthaften Anteil nicht mehr nehincn könne. Dieser Stand- Punkt mag individuell berechtigt sein, wir haben aber kein Interesse daran, ihn näher zu prüfen. Denn uns kümmern nicht die üstheti- schen Empfindungen kleiner, überkultivierter und blasierter Kreise, sondern lediglich die elementaren künstlerischen Bedürfnisse der großen Menge des Volkes. Und dem arbeitenden Volk hat die Kunst der Bühne noch unendlich viel zu bieten. Vor seinen schönheits- durstigen, unverbrauchten und aufnahmefähigen Sinnen liegen noch gewaltige Schätze, deren Genuß und inneren Besitz sich daS � Proletariat erst erkämpfen soll. Hier kann von Uebersättigung nicht die Rede sein, und die Frage, ob das Theater sich überlebt habe oder nicht, braucht von uns nicht diskutiert zu werden. Aber die Mehr- zahl der unzufriedenen Kritiker steht den» radikal negierenden Stand- punkt auch sehr fern. Sie gehört vielmehr zu den begeisterten freunden der Bühne,-u den enthusiastische»!?achleuten. die im Theater die höchste Blüte der Kunst und das vornehmste Volks« bildungSmittel sehen. Sie sind fast alle der Meinung, daß wir eZ ans dem Gebiet der szenischen Künste herrlich weit gebracht haben, aber sie können sich doch der bangen Erkenntnis nicht erlvehren, daß etwas faul sei im Reiche der Bretter. Ihre liebende Sorge treibt sie dazu, die Ursachen zu ergründen und über Reformen nachzu« sinnen. Zwei jüngst erschienene Schriften liegen vor mir. Die eins rührt von Dr. Hans Landsberg*) her, der sich vor einigen Jahren mit der Streitschrift„Los von Hauptmann!" in die Literatur einführte, der Autor der anderen ist Jocza Savits **), der langjährige Leiter des Schauspiels am Münchener Hostheater. Landsberg geht von dem Gegensatz auS, der zwischen Drama und Theaterstück besteht. Das Theaterstück—' sagt er— ist vom romanischen Geist erschaffen, das Drama von, germanischen. Das Drama ist eine in sich bestehende, wurzelhafte, organische Schöpfung, das Theaterstück eine den besonderen Bedingungen der Bühne angepaßte Leistung. Das eine im wesentlichen Kunst, das andere vorzugsweise Kunststück. Die Gestalten des DramaS sind einig, weil sie sind, die Menschen des Theaterstückes müssen sich erst am Licht der Lampen erwärmen, um für ein paar Stunden Leben zu gewinnen. Dort ist die Handlung innere Notwendigkeit, untrenn- bar mit den Charakteren verbunden, hier erfinderische Absichtlichkeit. Das Theaterstück ist ein für die Bedürfnisse der Bühne erzeugtes Produkt deS SchauspielertumS, während daS Drama vom Theater immer mehr oder weniger als natürlicher Widersacher betrachtet wird, der seinen eigentlichen Interessen und seinem ganzen Charakter entgegen ist. Die Bühne kann ohne das Drama auskommen, denn sie wurzelt vornehmlich in der Schauspielkunst und einer effektvollen, szenen- reichen Handlung, die Auge und Ohr gefangen hält. Die Schau- spielkunst bedarf des DramaS keineswegs zur Ausübung ihrer Tätig- keit. Bereits Lessing betont,„daß eS immer die schwächsten, ver- wirrtesten Stücke sind, in welchen sich gute Akteurs am vorteil- hastesten zeigen. Selten wird ein Meisterstück so meisterhaft vor« gestellt, als es geschrieben ist; das Mittelmäßige fährt mit ihnen immer besser. Vielleicht, weil sie in dem Mittelmäßigen mehr von dem ihrigen hinzutun können; vielleicht, weil uns das Mittelmäßige mehr Zeit und Ruhe läßt, auf ihr Spiel aufmerksam zu sein." Der Kampf zwischen Drama und Theaterstück bezw. Theater begann in Deutschland bereits zur Zeit Gottscheds. Die deutsche Bühnen- geschichte der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts besteht fast aus- schließlich aus diesen Kämpfen. Sie dauerten fort, bis in unsere Zeit hinein. Durch das Wirken Laubes und Dingelstedts, der „beiden größten Theaterorganisatoren der Neuzeit", wurde die Versöhnung angebahnt und in den neunziger Jahren deS vorigen Jahrhunderts die gähnende Kluft überbrückt. Die Schauspiel« kunst erkannte jetzt endlich, daß die Verkörperung des drammatischen Gedichts durch ein gleichmäßig abgetöntes Ensemble ihre vornehmste Aufgabe sei. Das Theater hat sich von seinem ursprünglichen Charakter als bloße Schaubühne befreit und ist willens, dem Drama eine dauernde Stätte einzuräumen. Unfähig. das Drama, das ein feinerer Geschmack gebieterisch verlangt, von sich abzuschütteln, muß das Theater nunmehr seiner Doppelaufgabe als Vergnügungsinstitut und Kunststätte gerecht werden. Hier liegt der Punkt, wo die Reform einzusetzen hat. Das ernste Theater darf nicht, wie bisher, Dramen und Theaterstücke blind durcheinander spielen. Vielmehr muß sich die niedere Gattung der höheren Artung entschieden unterordnen, das Drama, das klassische wie das moderne, muß unter allen Umständen die Basis im Repertoire bilden. Lands» berg entwirft einen solchen Grundstock für den Spielplan. AuS dem gesamten Bezirk der Weltliteratur werden 120 Dramen auserwählt, die etwa ein Drittel der jährlichen Theaterabende füllen könnten. Der größere Rest soll dann dem TagesrepertoireS gehören. Als Ergänzung müßte die regelmäßige Veranstaltilng von Zyklen dienen, die das gesamte Schaffen eines Dramatikers vor Augen führen. „Der bildende Einfluß eines solchen RepertoirS"— sagt Landsberg — ist nicht hoch genug anzuschlagen. Einmal führt es den Hörer weit müheloser und sinnfälliger in die Empfindungswelt und LebenSiphäre vergangener Epochen ein, als gelehrte Vorlesungen und dickleibige Werke es vermögen. Sodann zeigt ein derartiges Repertoire, daß es Jahrtausende hindurch immer nur eine Form des DramaS ge- geben hat, und verhindert jene vom literarischen Snobismus diktierten Absplitterungen, die man mit tönenden Worten als das allein gültige psychologisch-impresstouistische Höhenkunstwerk oder dergleichen getauft hat. Besäßen wir ein ständiges Thealerrepertoire auf unseren besseren Bühnen, so müßte auch den unkritischen Köpfen die Erkenntnis dämmern, was für banale Alltäglichkeiten ihnen mit gespreizter Theatermanier tagtäglich dargeboten werden, wie sehr das Gemachte und Erkünstelte das Geschaffene und Gewordene über- wuchert hat". An der praktischen Möglichkeit einer solchen Repertoire- reform zweifelt Herr Landsberg nicht. Daß mau sie nicht schon längst durchgeführt habe, daran sei nur die Trägheit und Indolenz der Direktoren schuld,„die eS vorziehen, abgestandene Theaterspäße der willkommenen Vergessenheit zu entreißen, statt das Bleibende im Wechsel auffrischend zu erneuern". Ginge ein Bühnenleiter erst wieder einmal daran, die Leitung eines Theaters als sein Lebens- *)„Theaterpolitik.* Moderne Zcstftageit. Nr. 8. Pan- Verlag. Berlin . **)., Von der Absicht deS DramaS.' München IbvS. Verlao Etzold u. Co.
Ausgabe
25 (9.10.1908) 196
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