Auf einmal fängt Bojanitsch herzlich an:.Sehen Sie. da Habich rein zufällig ein Prospektchen bei mir: vm: der Ozean, Jnter-nationale Versicherungsgesellschaft, einem Unternehmen ersten Ranges.".Aber..." Ich strecke ihm hilflos den Prospekt meiner„LaTerre" entgegen.„Kein Aber, junger Mann! Sie muffen unbedingt eine Polizzenehmen. Ich sage nur auf vierzigtausend Dinar."„Aber..„Kein Aber! Sie sind nicht verheiratet, wollen Sie sagen?Denken Sie nicht an die armen Eltern, an die Geschwister? Sollendie verhungern, wenn Sie einst nicht mehr sind?"„Aber...'„Lächerlich. Vierzigtausend Dinar, denken Sie nur! Sie gehenauf der Straße, ein Ziegel fällt Ihnen auf den Kopf und schlägt Sietot. Weinend umringt Sie Ihre Braut. Doch vierzigtausend Dinarsind da. Haha I"„Aber..."„Unterschreiben Sie, junger Mann, ich rate Ihnen I So was vonGesellschaft, wie die Ozean, gibt's doch nicht zum zweitenmal. Siezucken noch mit Händen und Füßen, und die Gesellschaft zahlt schonaus. Dabei ist die Prämie lächerlich billig, vierteljährlich drei-hunderteinundzwanzig Dinar und zwanzig Para... Anitze, schnellnoch einen Schnaps! Schreiben Sie. junger Mann, morgen umneun Uhr ist der Arzt bei Ihnen.... So! Nun setzen Sie nochdas Datum über Ihren Namen! So!... Zur Gesundheit, HerrRoda l Mögen Sie sich, Gott behüte, recht bald von der Soliditätder Ozean überzeugen!"Vernichtet und geschlagen kehre ich zu den Kanonen in' dieFestung zurück..'s nützt nichts. Ich Hab' kein Talent zum Verficherungsgeichäst.Die Ausstellung belgischer Kunft.„Rubens stattet Meister Dürer seinen Besuch ab." Dieses Wortsprach Herr C. G. Grisar, der Präsident des Antwerpener Kunstler-Vereins„Art Contemporain", als er die Ausstellung belgischer Ge-mälde, graphischer Arbeilen und Plastiken im S e z e s s i o n s h a u s eeröffnete. In Anbetracht der feierlichen Situation durfte man dierheiorische Floskel passieren lasten; zu meinem Erstaunen aber höreich sie seitdem allenthalben wiederholt und selbst zurechnungsfähigeKritiker scheuen sich nicht, die unsinnige Phrase allen Ernstes zureproduzieren. Wer von dem tatsächlichen Entwickelungsgange derbelgischen Malerei auch nur eine oberflächliche Kenntnis besitzt, dermuß aber wissen, daß die heute dort herrschenden Richtungen vonRubensscher Kunstansckauung genau ebenso wenig beeinflußt sind,wie die moderne deutsche Malerei vom Geiste Albrecht DürerS. Diebelgische Kunst hat im IS. Jahrhundert denselben Weg zurückgelegt.der allen Kulturländern des europäischen Kontinents bescbieden war.Im ersten Drittel deS SäkulumS schlummerte der Genius derMalerei, und bei seinem Erwachen fand er die Brücken zurjüngsten Vergangenheit abgebrochen. Es war die Zeit unmittel»bar nach der Revolution(1830), die Belgien von Holland trennte;das belgische Bürgertum schwelgte in nationaler Begeisterungund in der Kunst kam eine Richtung auf, die die„alten nationalenTraditionen" pflegen wollte. Damals allerdings knüpfte man anden pathetischen Barockstil des RubenS an, und es entstand aufdieser Grundlage eine Schule von Historienmalern, deren bekanntesteVertreter— Wappers, Gallait und de B i d f v e(sprich:Biähf)— aus Kosten der begischen Regierung riesige Leinwand-flächen mit patriotischen Oelgemälden bedeckten. Diese Schule hatleider auch auf Deutschland befruchtend eingewirkt. Im Jahre 1842machten einige Bilder von Biefve und Gallait eine Rundreise durchdie deutschen Kunststädte und erregten eine gewaltige Begeisterimg,deren Frucht die berüchtigte Historienmalerei der Piloty und Genoffenwar. Dies alles aber blieb glücklicherweise Episode und verschwandschließlich fang- und klanglos, ohne merkbare Folgen zu hinterlassen.Die Denkmäler jener Episode hängen in den Schreckenskammern desBrüsseler Museums, die Kunstrichtung selbst ist mausetot.Der neue Geist kam in die belgische, wie auch in die deutscheKunst, aus Frankreich. Den ersten Umschwung erzeugte Courdet.Er lehrte die Maler, statt auf anfpruchsvollen Gemälden bombastischePhrasen zu dreschen, erst einmal die Natur ernsthast und bescheidenzu studieren und das Beobachtete schlicht und redlich wiederzugebeir.Die entscheidende Anregung aber brachte dann Manet, der großefranzösische Kunstrevolutionär. Die moderne Freilichtmalerei undder Impressionismus dieses genialen Meisters fanden in den siebzigerJahren Eingang in Belgien und schlugen hier rasch und lrättigWurzel. Die neue malerische Technik wurde durch die belgischeSchule der Pointillisten— der.Tüpselmaler"— nach wissenschaftlichen Prinzipien erfolgreich fortgebildet, und von da an erst darfman von einer wirklich modernen Kunst in Belgien sprechen. Dieseknüpft zwar hier und dort an ältere Vorbilder— aber nie undnimmer an Rubens— an, hat sich aber int wesentlichen auf durchaus neuen Grundlagen ihr eigene? Gebäude errichtet.Die kleine Ausstellung im Sezessionshause, die 200 Kunstwerkeenthält, kann von diesem Entwickelungsgange natürlich kein rechtesBild geben. Sie zeigt an einigen Beispielen nur ganz ungefähr,wie man heute in Belgien malt. Von älteren, verstorbenen Künstlern,die die jetzige Generation entscheidend beeinflußt haben, ist fast garnichts»u leben.Ein Hauch aus der Epsgonenzeit, in der man noch die altenMeister als unbedingt klassische Vorbilder verehrte, weht uns ausden Tierbildern des I o s e p h S t e v e n S an, der sich die Technikdes großen Snyders für seine meist anekdotisch pointierten, aberdurchweg solide gemalten Darstellungen zu eigen machte. Als einmodernisierter Paul Potter erscheint Verioee, der die weiten Ebenen desbelgische,: Tieflands mit krältigen Rindern und schweren BrabanterGäulen bevölkert, und zwar keine Luft zu malen versteht, aber dochdie kühlen Farben unter dem von Wolken bedeckten filbergrauenHimmel recht gut wiedergibt. Auch Henri de Braekeleer(1840— 88) knüpfte an alte Meister, namentlich an Pieter de Hoochund den Deister Vermeer an— aber diese Anknüpfung bleibt dochnur ganz äußerlich. Er behandelt dieselben malerischen Probleme.die jene Alten sich gestellt hatten, aber er löst sie selbständig ausseine eigene Art. Dieier ausgezeichnete Künstler war bisher inDeutschland kaum dem Namen nach bekannt, und es ist ein Verdienstder Ausstellungsarrangeure, daß sie ihn imserem Publikum gleichmit einer größeren Serie von Werken vorführen. Allerdings findetsich darunter leider keine von den kleinen, seinen, hellfarbigen Land-schasten, die jeden Besucher des Brüsseler Museums entzücken. Wirsehen hier nur Interieurs. Meist find eS, wie beim alten Pieterde Hooch, Räume in gedämpfter Beleuchtung, in die durch ein Fensteroder durch eine Tür ein helleres Licht fällt. Durch die Zusammen-stellung von buntfarbige» Kleidern, Teppichen, Tapeten, Möbelstoffenund allerband Gerät entstehen in diesen sektsam beleuchtetenRäumen komplizierte koloristische Effekte, die der Künstler mitaußerordentlich feinfühligem Blick beobachtet und in virtuoserTechnik wiedergegeben hat. Ein wahres Wunderwerk dieserArt ist„Das Mahl", auf dem ein Sprühregen von zahllosen, zumTeil scharf kontrastierenden Farbennuaneen zu einer ruhigen undvornehmen Harmonie zusammengestimmt ist. Zwar leider das Bildan dem elementaren Fehler, daß sein Hintergrund keine klare Raum-Vorstellung gibt, aber das koloristische Raffinement bleibt trotzdembewundernswert. Sehnliche Effekte strebtmit weniger voniehmen MittelnAlfred Berhaeren an. Sein Jnterieurbild„Die Sakristei"zeigt kräftige, üppige, leuchtende Farben, aber das Ganze gibtkeinen ruhigen und einheitlichen Zusammenklang, dem koloristischenTemperament mangelt die weise abwägende künstlerische Kultur.Auf der Grenze zwischen der älteren belgischen Malerei mid dermodernen Schule der Jmpresfionisten und Freilichtmaler stehtAlfred Stevens(1823—1906), ein geschickter imd gefälligerMacher, dem aber ernstes künstlerisches Wollen und Tiefe mangelte.Er hatte es in seinen jungen Jahren verstanden, die Errungenschaftender großen französischen Kunstrevolutionäre zu popularisieren.Während Mauet noch von allen Kum'tphilistern verabscheut wurde,war Stevens, der zu dem Kreise des Meisters gehört hatte, bereitsder verhätschelte Liebling des Pariser Publikums. Namentlich alsschicker Porträtist der in Samt und Seide prangenden Weiblichkeitgenoß er des höchsten Ansehens. Was er gab. war Talmikunst.beruhte im Grunde auf konventioneller Verwäfferung und Verzuckerung dessen, was die damaligen Kunstrevolutionäre wollten undlehnen." Aber er zuerst brachte eS dahin, daß die moderne Malerei„salonfähig" wurde, und er erreichte dies, da er wirkliche» Talcnibesaß, ursprünglich durch relativ annehmbare Leffrungen. Erst mitder Zeit, als seine Beliebtheit ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurdeer zum ungenießbaren Routinier und Kit'cknnaler. Das Bild„Harfenspielerin" zeigt ihn von seiner besten,„Eine peinliche Gewiß-heit" von seiner unerfreulichsten Seite. Den ersten großen Erfolgerzielte in Belgien mit einem Freilichtgemälde CharlesH e r m a n s. DaS Anstehen erregende und vielfach nachgeahmteBild erschien im Jahre 1373, hieß„L'Aube"(Morgendämmerung)und stellte in lebensgroßen Figuren einige Arbeiter dar. die aufdem Wege zu ihrem Tagewerk einem vom Ball kommenden Wüst-ling begegnen. ES hängt heute im Brüsseler Museum, und man be-greift bei seinem Anblick nicht, ivie dieser rohe und knalligeSeusationsschinken in der Entwickelungsgeschichte der belgischenMalerei hat Epoche machen können. Auch die auf unserer Slus-stellung vorhandenen Gemälde„Ciree" und„Der Fechtmeister" gebenvon dem Streben und Können Hermans' keinen sonderlich hohen Begriff.Als direkter Nachahmer Manets begann seinerzeit James E n s o r, vondem wir hier ein nichtssagendes Stilleben und einige feine Radie-rungen— darunter ein phantastisches Spukbild und ein sehrlebendiges Herrenporträt— sehen. Den Uebergang von der Manet-schule zum Stil der Allermodernsten bezeichnet das Schaffen deshochbegabten, leider schon in jungen Jochren verstorbenen HenriEvenepoel, dessen Bedeutung erst nach seinem Tode rechtverstanden und anerkannt worden ist. ES war ihm nicht vergönnt;sich zu steier, selbständiger Meisterschaft vollkommen durchzuringen.In seinen Arbeiten lasten sich mühelos die Einflüsse der verschieden-artigsten Meister und Richtungen nachweisen. Die Flaschen undGläier aufseinem„BildniSeineS Chemikers" könnte Eezanue, die PariserNachtrafoszene„Le Caveau du Soleü ck'or� mit ihren seltsam ge-buchteten Konturen und herb karikierten Typen Toulouse-Lautrecgemalt haben. Evenepoel schwankt zwischen naturalistischemImpressionismus und dekorativem Plakatstil. Er stellt die Gegen-stände teils plastisch von Lust und Licht umflossen dar. teils gibt etsie unter starker Betonung der Silhouetten alö bloße farbigeFlächen wieder. Die'e Stillosigkeit wirkt besonders störendin dem Chemikerporträt, das sonst wegen der kühnen undmeisterhaften Farbengebung— man beachte den hellrotenTischvorhang, die bordeauxrote Krawatte, das Zitronengelbe